Der Staat und der Bürger stehen gerne in einem Spannungsverhältnis zueinander. Während die Bürger so wenig Einmischung des Staates wie nötig wollen, will der Staat zur Wahrung seiner Interessen so viel Kontrolle über den einzelen Bürger wie möglich. Um ein Gleichgewicht zwischen beiden berechtigten Interessen zu schaffen, wird verbindlich geregelt, welche Rechte beide Seiten haben und wo diese Rechte ihre Grenzen finden. Diese Regelungen nennt man landläufig "Gesetze".
Die Einhaltung dieser Gesetze durchzusetzen ist eine der wichtigesten Aufgaben des Staates. Zahlreiche Organe und Einrichtungen haben ausschließlich den Zweck, die Einhaltung der Gesetze zu überwachen und Verstöße zu verfolgen und zu ahnden. Aber auch hier gibt es nicht ohne Grund eine ganze Reihe wichtiger Regeln. Eine der herausragendsten Regeln in der Verfolgung von Gesetzesverstößen ist, dass sich niemand selber zu belasten braucht ("nemo tenetur se ipsum accusare"). Dieses Recht steht einem Grundrecht gleich und hat Verfassungsrang.
Im Kern besagt dieses Recht, dass niemand gegenüber den Ermittlungsbehörden oder dem Gericht eine Aussage machen muss, wenn er sich selber mit dieser Aussage selber belasten, quasi zum Gegenstand eines Verfahrens machen würde. Dieses Recht gilt für die Personen, gegen die sich Prozeß und Ermittlungen unmittelbar richten, aber auch unter bestimmten Voraussetzungen für andere.
Resultat dieser Regelung ist, dass die Ermittlungsbehörden demjenigen, gegen den sie ermitteln, mitteilen müssen, dass er genau dieses Recht auf Verweigerung der Aussage hat. Das allerdings hat zur Folge, dass jeder mehr oder weniger sofort weiss, wann gegen ihn ermittelt wird und warum. Es gibt Situationen, in denen das für die ermittelnden Behörden nicht so ganz toll ist. Wer Dreck am Stecken hat und erfährt, dass genau wegen dieses Drecks gegen ihn ermittelt wird, der wird versuchen, diesen Dreck loszuwerden, der ihm unter Umständen erhebliche Probleme bereiten kann.
Die neuen Medien und das Internet haben dazu geführt, dass mit Informationen heute anders umgegangen wird und diese häufiger vor ungewollten Mitlesern verborgen werden und auch sehr viel besser geschützt werden können. "Geheimhaltung" ist heute nicht mehr nur eine Sache von Firmen oder staatlichen Stellen, sondern auch Privatpersonen werden immer aufmerksamer. Im Resultat werden immer häufiger komplizierte und wirksame Schutzmechanismen (etwa Verschlüsselungen, Anonymisierdienste etc.) benutzt. Die Ermittlungsbehörden möchten diese Werkzeuge aus naheliegenden Gründen am liebsten verbieten, was ihnen jedoch aufgrund politischer Widerstände nicht gelang und ersteinmal wohl auch nicht gelingen wird.
Jetzt versuchen sie einen anderen Weg. Statt die Mechanismen zu verbieten, die solchen Schutz ermöglichen, wollen sie einfach den Computer "belauschen" und darin herumstöbern. Die Ermittlungsbehörden wollen ein Stück Software auf dem Rechner installieren, das den Rechner durchsucht und den Ermittlungsbehörden seine Funde mitteilt. Im Prinzip eine Hausdurchsuchung im Rechner.
Der Dreh- und Angelpunkt hierbei ist, dass die Ermittlungsbehörden das Recht dazu haben wollen, diese "Hausdurchsuchung" durchführen zu können, ohne dem Betroffenen mitteilen zu müssen, dass diese Durchsuchung durchgeführt wird. An dieser Stelle steht das eingangs erläuterte Recht zur Disposition, sich nicht selber belasten zu müssen.
Die Bundestagsfraktionen der FDP und der Linkspartei fragten jüngst bei der Bundesregierung nach, wie denn nun der Stand der Dinge in dieser Sache sei (Anfrage FDP 16/3883, Anfrage Linkspartei 16/3787). Die Bundesregierung antwortete darauf zwangsläufig, allerdings zurückhaltend (16/3972, 16/3973).
Zusammengefasst lautet die Ansicht der Bundesregierung: Die Rechtmäßigkeit von Online-Durchsuchungen auf PC ohne Unterrichtung des Besitzers ist noch zu klären. Zur Zeit prüft ein Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) den Fall. Nach einer Vorschrift des Bundeskriminalamtsgesetzes gehört es zu den Aufgaben des Bundeskriminalamtes, neue Methoden und Arbeitsweisen zur Kriminalitätsbekämpfung zu erforschen. Eine Online-Untersuchung ist insofern vorteilhaft, als dass sie einen Tatverdächtigen nicht vom Verdacht der Polizei unterrichte, wie es eine "offene" Durchsuchung täte.
Diese Formulierung sollte jedem zu denken geben. Die Regierung sieht es nicht etwa als "kritisch" an, dass hier ein elementares Grundrecht jedes Bürgers gegenüber dem Staat quasi hintenrum abgeschafft wird, sie nennt dieses Vorgehen stattdessen "vorteilhaft" und begrüßt ein solches Vorgehen deshalb. Dass demjenigen, gegen den sich die Durchsuchung richtet, seine Rechte bei einer "offenen" Durchsuchung bekannt gegeben werden müssen, worauf man praktischer Weise bei einer "geheimen" Durchsuchung verzichten kann, wird dabei nicht erwähnt und es ist auch nicht die Rede davon, dass derjenige, gegen den sich die Maßnahme richtet, überhaupt jemals von dieser Maßnahme unterrichtet werden muß - was wiederum die lästige Rechtfertigung der Maßnahme vor Gericht entfallen lässt.
Hält man sich jetzt noch vor Augen, dass die Kosten für einen bundesweiten Einsatz von der Regierung mit für den Bundeshaushalt vergleichsweise lächerlich geringen Kosten von "nur" 150.000 Euro (Anschaffung und laufende Kosten) angegeben werden und erinnert man sich jetzt noch daran, dass auch in ganz anderen Fällen bereits gegen quasi "jeden" ein Generalverdacht erhoben wurde, dann dürfte klar sein, dass es im Prinzip darum geht, jedem diese Software unterzuschieben.
Was ich mich allerdings frage ist, warum sich kein Aas dafür interessiert, dass er (oder sie) bald "einfach so" eingesackt und verurteilt werden kann, ohne überhaupt zu erfahren, warum und wieso. Die USA machen sich wenigstens die Mühe und errichten "Detention Camps", setzen sich aber dafür dem Stress der internationalen öffentlichen Kritik aus. Wir hier in Deutschland zeigen den USA gerade, wie man sowas richtig macht. Wir machen einfach jeden Bürger zum Schuldigen. Das macht die Sache sehr viel leichter...
Mittwoch, 10. Januar 2007
2 Kommentare:
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kommt mir das nur so vor oder wird das in den letzten jahren irgendwie krass schlimm oder hab ich das früher einfach weniger beachtet? (vielleicht weils keine tapirherde gab!;))
AntwortenLöschenjedenfalls bekommt man arg lust was dagegen zu unternehmen, kommt aber dann zu dem schluss das nur wegziehen bleibt und auch da wird die lust dazu immer größer.. bleiben noch die fragen: wo ists besser und wo bekommt jemand wie ich was vernünftiges...
argh ich find das einfach so krank.
zur zeit steht "sealand" zum verkauf soweit ich richtig informiert bin... wäre jedenfalls eine zuflucht ;)
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