Mittwoch, 9. August 2006

Maßstäbe setzen

Genfer KOnventionenAls vor einiger Zeit der Oberste Gerichtshof der USA der Regierung Bush deutlich machte, dass die Genfer Konventionen auch für die in Guantanamo inhaftierten Gefangenen gelte, werden sich die meisten gedacht haben, dass damit das Thema vom Tisch sei. Wie falsch man mit der Idee liegt, dass die USA in irgendeiner Form etwas um die Menschenrechte anderer oder soetwas wie ein Folterverbot oder generell die internationale Konventionen der Menschenrechte auch nur im weitesten Sinne in Erwägung ziehen könnten, zeigt die aktuelle Entwicklung in den USA.

Die Washington Post berichtet, dass ein Gesetzentwurf der Regierung Bush vorsieht, politische Beamte, Mitarbeiter der CIA und ehemaliges Militärpersonal vor Verfolgung wegen Verstößen im Umgang mit Kriegsgefangenen zu schützen. Dazu soll das in den USA geltende Gesetz über die Verfolgung von Kriegsverbrechen erweitert werden. In Anbetracht der Niederlage vor dem Obersten Gericht der USA soll das Gesetz dahingehend erweitert werden, dass nur noch bestimmte Verstöße als Verstoß gegen die Genfer Konventionen verfolgt werden können.

Während das Gesetz bisher generell alle Verstöße unter Strafe stellt, sollen zukünftig nur noch 10 genau festgelegte "Kategorien" strafbar sein, darunter Folter, Mord, Vergewaltigung und Geiselnahme. Der Haken dabei ist, dass besonders der Bereich "Folter" sehr stark aufgeweitet wird und solche Verstöße, die durch die Genfer Konventionen unter dem Begriff der Würde des Einzelnen verboten sind, ausdrücklich nicht unter diesen Passus fallen werden. Das die USA von gerade solchen Praktiken gerne und oft Gebrauch machen, zeigen die Bilder aus Abu Ghraib.

Als Begründung für diese Gesetzesinitiative führte der Justizminister Alberto Gonzales gegenüber einem Senatsausschuß an, dass die Sprache der Genfer Konventionen zu vage sei und durch den Kongress besser definiert werden müsse. Der Kongress sollte deshalb eine Liste mit Verstößen festlegen, die als Verbrechen im Sinne der Genfer Konventionen zu verstehen sind. Dadurch würden die Regeln für das Befragen von Kriegsgefangenen klargestellt.

Deputy Defense Secretary Gordon England, sagte auf einer Anhörung, dass die Begriffe "entwürdigen" ("degrading") und "erniedrigen" ("humiliating") nach Auffassung des US Verteidigungsministeriums sehr relative Begriffe sind:
"Ich bin der Ansicht, das, was in einer Gesellschaft oder Religion als 'entwürdigend' angesehen wird, in einer anderen Gesellschaft oder Religion nicht entwürdigend ist. Und da dieser Begriff eine internationale Interpretation hat, die grundsätzlich ehrlich gesagt von unserer abweicht, wird diese Frage sehr sehr relevant."
Andere Regierungsvertreter sagen in aller Deutlichkeit, worum es tatsächlich geht:
"Die Leute machen sich Sorgen und denken, dass sie unter dem Mikroskop untersucht werden"
Nach Ansicht von Herrn England sind es Ausländer(!), die Vorwürfe, dass das Vorgehen der USA gegen Gesetze verstieße, dazu verwenden, um die Macht der USA zu beschränken. Diese Gesetzesänderungen seien dazu gedacht, ganau das abzuwehren. Mit anderen Worten: Mit diesen Gesetzen sichern die USA ihren universellen Anspruch auf alleinige und uneingeschränkte Machtentfaltung.

Diese Gesetzgebung ist Teil einer größeren Gesetzgebungsinitiative. Die ist zwar noch nicht veröffentlicht, aber von wichtigen politischen Vertretern wurde bereits grundsätzliche Zustimmung signalisiert. Das wiederum ist ja auch nicht so verwunderlich, denn in den 10 Jahren, die das Gesetz über die Verfolgung von Kriegsverbrechen in den USA jetzt in Kraft ist, wurde bisher keine einzige Anklage wegen Verstoßes gegen dieses Gesetz erhoben.

Die anderen beiden Reaktionen der Regierung Bush auf die Ablehnung des Tribunalsystems durch das Oberste Gericht bestehen einerseits darin, den Gefangenen die Möglichkeit zu nehmen, ihre neu gewonnen Rechte einzuklagen, sowie ein Gesetzentwurf, der einen absoluten Standard der Menschenrechte durch eine Version ersetzt, die den Wünschen der Geheimdienste bei ihren "Befragungen" Rechnung trägt.

Obwohl nicht davon auszugehen ist, dass diese Gesetzgebung in den USA noch aufzuhalten ist, regt sich doch hier und da in den eigenen Reihen Widerstand. Der inzwischen pensionierte Konteradmiral John D. Hutson, oberster Anwalt der Navy in Uniform von 1997 bis 2000, jetzt Vorsitzender des Franklin Pierce Law Center, sagte zu diesem Thema:
"Vertraue niemals den Motiven eines Anwalts, der eine gesetzlich verankerte Bestimmung ändert, die kurz, klar und auf den Punkt ist und sie gegen etwas ersetzt, das viel länger und komplizierter ist und Ausnahmen innerhalb von Ausnahmen enthält."
Andere Juristen sehen sogar die Gefahr, dass andere Länder ihre eigenen Auslegungen der Genfer Konventionen unter dem Hinweis auf das Verfahren der US Regierung zum Maßstab im Umgang mit gefangenen US Soldaten machen werden, was im Endeffekt auf eine Abschaffung der Genfer Konventionen hinausliefe.

Und daran kann den USA im eigenen Interesse auch nicht gelegen sein.

(Quelle: Reuters, Washington Post)

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