Samstag, 5. August 2006

Diskussionshindernis

Isolde CharimIsrael kann es ja überhaupt nicht leiden, wenn Kritik am eigenen Vorgehen geübt wird. In Richtung Deutschland verbittet man sich deshalb jegliche Kritik gerne mal mit dem Hinweis auf die Zeit von '33 bis '45 und dem Zusatz, dass man sich doch gerade in Deutschland darüber klar sein möge, dass jegliche Kritik aus dieser Richtung in Bezug auf irgendwelche "Fehlverhalten" doch wohl völlig fehl am Platze wären.

Gleichzeitig ist man sich im Küstenstaat am östlichen Mittelmeer aber überhaupt nicht zu schade dafür, mit beiden Händen alles an Waffensystemen aus deutschen Rüstungsschmieden mitzunehmen, was irgendwie zu bekommen ist. Wenn das Ganze dann auch noch staatlich subventioniert (Normalbürger würden sagen "geschenkt") ist, wie zum Beispiel die U-Boote von neulich, um so lieber.

Nun hat sich inzwischen aber der Druck auf Israel ein wenig vergrößert und nicht nur aus dem kritikfreudigen Deutschland, sondern weltweit wird Kritik am Vorgehen geäußert. Grund genug sich auf die Hinterbeine zu stellen und - wie angekündigt - mit einer eigens initiierten PR-Kampagne die eigenen Interessen zu wahren und die Lage im Nahen Osten mal ins "richtige" Licht zu rücken. Lies: "Alle Mann die Fresse halten, wir sind die Guten, alle anderen sind die Bösen!"

Da auch der Hinweis auf das Vorgehen der USA (Präventiver Angriffskrieg als Maßnahme der Selbstverteidigung, siehe Irak) und der Hinweis auf die nicht gerade pro-westlich eingestellten Staaten Syrien und Iran nicht ausreichten, um die Kritiker gerade aus Europa und hier besonders die aus Deutschland zum Schweigen zu bringen, spannt man hierzulande die gewohnt kontroversen Medien für die eigene Propaganda ein. Die Taz übernimmt diese Rolle gerne und gibt in der Ausgabe vom 2.8.2006 der in Österreich lebenden Philosophin Isolde Charim die Gelegenheit darzustellen, wie ihrer Meinung nach Kritik an Israel auszusehen habe.

Nun ist es immer hilfreich, wenn von unabhängiger Seite einige Ratschläge vorgetragen werden, wie sich einem bestimmten Thema sachlich und fundiert nähert. Es ist auch hilfreich, wenn außenstehende Denkfehler oder Inkonsistenzen oder Irrtümer aufzeigen. Was die Taz aber Frau Charim tun lässt, ist selbst mit ganz viel gutem Willen bestensfalls als halbherzig kaschierte Propaganda für den eigenmächtigen israelischen Feldzug gegen alles und jeden zu verstehen.

In acht Punkten soll dem Leser beigebracht werden, wie Kritik an Israel auszusehen hat, welche Inhalte und Themen angesprochen werden dürfen und welche nicht. Dem Leser werden allgemeingültige Floskeln der ziviliserten Diskurskultur ("Wählen Sie den richtigen Ton!", "Argumentieren Sie aktuell!") nahegebracht und mit der altbekannten Differenzierung "Israel hier, der Rest der Welt dort, Deutschland am Pranger" beginnt der Exkurs durch die pro-Israelische Kriegsbefürwortung.

Selbstverständlich benutzen Deutsche jegliche Kritik an Israel ausschließlich zur Überwindung ihres eigenen Schuldkomplexes. Sonnenklar! Wie konnten wir das nur vergessen? Und da ja gerade hier jede Diskussion dieses Themas nur unter direkter Einbeziehung der eigenen Person (und deren Vergangenheit) möglich ist, dürfte jedem Deutschen klar sein, dass er im Grunde gar nicht mitreden darf.

Falls man sich doch traut, dann muss man sich darüber klar sein, dass Israelis von jeglichen Moralansprüchen freigestellt sind. Frau Charim erklärt das eindrucksvoll:
"Juden haben keine besondere Verpflichtung zur Moral, sondern ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Auschwitz war keine Schule für Gutmenschentum!"
Damit sind schonmal zwei wichtige Aspekte ausgeklammert: Deutsche dürfen nicht mitreden und Diskussionen über einen moralischen Wertemaßstab sind ebenfalls aus historischen und durch Deutschland verschuldeten Gründen passé. Damit dürfte ein Großteil der Diskussionsteilnehmer aus Deutschland ausgeschaltet sein.

Nun gilt es all jene mundtot zu machen, die mit etwaigen Forderungen nach einer "Ausgewogenheit", oder mit anderen Worten der Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel bis hier hin durchhalten konnten. Das geht verblüffend einfach. Das Argument dieser Forderung ist als solches nicht zu entkräften - Israel kümmert sich in seinem Vorgehen um den Punkt der Verhältnismäßigkeit einen gepflegten Scheiß und der Autorin ist das nur zu bewußt. Deshalb lautet die zwingende Logik: Wer mit dieser Forderung argumentiert, argumentiert pro-arabisch. Wer pro-arabisch argumentiert, argumentiert zwangsweise gegen Israel. Und wer gegen Israel argumentiert, der hat sowieso jedes Recht verwirkt, überhaupt mitreden zu dürfen.

Übrig bleiben jetzt noch diejenigen, die nach der Schuldfrage und den historischen Ursachen des Konfliktes suchen. Was liegt näher, als darauf hinzuweisen, dass der Konflikt viel zu kompliziert ist, und jede historische Analyse immer auf das Infragestellen der Legitimation des Staates Israel hinauslaufen. Im Klartext: Wer die Geschichte heranzieht, um den Konflikt zu analysieren, stellt das Existenzrecht Israels in Frage und das ist so dermaßen verwerflich, dass man sich schämen sollte, daran auch nur zu denken! Das Frau Charim eben diese historische Analyse eingangs benutzte, um das Gros der Diskussionsgegner kaltzustellen, läßt sie geflissentlich unter den Tisch fallen.

Damit sich der jetzt beschämt zurückziehende, eines besseren belehrte Ex-Kritiker aber nicht zu schlecht fühlt, bietet Frau Charim im lächelnd die Hand, denn schließlich ist Israel etwas ganz besonderes, das man einfach nicht kritisieren darf. Israel ist eben etwas besonderes und hat deshalb jede Freiheit, die Israel meint in Anspruch nehmen zu müssen, denn letztendlich ist es die religiöse Rechtfertigung, die alles erklärt. Schließlich geht es doch um die Erlösung!

So leid es mir tut, aber mit solchen PR-Kampagnen schafft es kein Staat dieser Welt sich bei mir Sympathien zu verdienen.

2 Kommentare:

  1. Moechte wohl sagen dass es mir als eine Unverschaentheit ist, dass Israel seit 1948 nichts als Krieg gefuehrt hat statt es zu versuchen, die beiden Voelker des Landes Israel/Palestine zu integrieren und einen Staat aehnlich die Schweitz in Realitaet zu bringen....

    AntwortenLöschen
  2. Einem Zyniker könnte dazu einfallen:

    "Die USA befinden sich noch länger im Kriegszustand. Israel eifert doch bloß seinem großen Vorbild nach. Vielleicht eifert nicht Israel den USA doch nicht nach, sondern macht im eigenen Land damit weiter, was vorher ausgiebig im Retortenstaat geübt wurde?"

    Wie gesagt: Ein Zyniker...

    AntwortenLöschen

Bedingt durch die DSGVO müssen Kommentare zu Beiträgen der Tapirherde manuell freigeschaltet werden, um um der Veröffentlichung von Spam-, Hass- oder sonstiger unerwünschten Kommentaren vorbeugen zu können. Die Veröffentlichung eines Kommentars kann deshalb ein wenig dauern. Sorry dafür.
Wenn Sie Beiträge auf Tapireherde kommentieren, werden die von Ihnen eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. die IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Weitere Infos dazu finden Sie in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.