Das Wall Street Journal berichtete gestern von einem Feldversuch, den US-Behörden diesen Sommer am Flughafen Knoxville, Tennesee durchgeführt haben. Zusammen mit einer israelischen Firma wurde hier ein automatisiertes System zur Erkennung potentiell gefährlicher Fluggäste mit "feindlichen Absichten" installiert und im echten Betrieb getestet.
Das System besteht aus einer halboffenen, ovalen Kammer. Darin befindet sich auf der einen Seite ein Sitz, gegenüber ein Touchscreen und ein Scanner für Ausweisdokumente. Ein weiteres Gerät, in das der Proband seine Hand stecken muss, misst physiologische Reaktionen, wie zum Beispiel Blutdruck, Puls, Körperfeuchtigkeit, während der Proband Fragen auf dem Touchscreen beantwortet. Eine Software wertet die Ergebnisse aus. Dieses Gerät soll die nicht immer ganz zuverlässigen Beamten ersetzen, die bislang am Flughafen die Reisenden befragen.
Weder die U.S. Transportation Security Administration noch die israelische Firma Suspect Detection Systems, Ltd. (SDS) will diesen Feldversuch kommentieren. Selbst zu den gestellten Fragen wollte man nicht Stellung nehmen, obwohl das System wohl in erster Linie auf Signalfragen wie "Schmuggeln Sie Drogen?" oder "Wollen Sie illegal einreisen?" geeicht werden dürfte. Allerdings gab Shabtai Shoval, selber ehemals aktiver Mitarbeiter der Israelischen Geheimdienste und jetzt Chef von SDS, an, dass das System nicht einzelne Lügen erkennen, sondern nach einem bestimmten Muster suchen soll, das allen Terroristen gemeinsam ist: Die Angst davor, entdeckt zu werden.
Der Test an sich zeigt aber auch, in welche Richtung die Sicherheitskontrollen in Zukunft gehen. Die Behörden scheinen davon überzeugt zu sein, dass die richtige Antwort auf die scheinbar ins Unermessliche gestiegene Bedrohungslage eine Verschärfung der Kontrollen aller Reisenden ist. Da aber mehr Kontrollen mehr Kontrolleure erfordern, lautet die Devise: "Automatisierung".
Das System stützt sich auf Daten, die in Israel gesammelt wurden. Die Vermutung ist also nicht abwegig, dass irgendwie der Israelische Geheimdienst da seine Finger mit im Spiel hat. Unklar, aber nicht all zu abwegig ist, ob die Daten international gesammelt und abgeglichen und auch für andere Zwecke verwendet werden. Bei einem Kontrollversuch in Israel konnte das System immerhin 85% der gespielten Terroristen entdecken. Das bedeutet allerdings auch, dass immerhin 15% durchgekommen sind. Dazu kam eine Fehlerkennungsrate von 8% sogenannter "falscher Positivergebnisse" - behauptet jedenfalls das Marketingmaterial der Firma. Die will deshalb eine Erfolgsquote von mindestens 90% erreichen - bei einer Fehlertoleranz von 4%.
Es geht hier aber auch um sehr sehr viel Geld. Jedes einzelne dieser Systeme kostet rund 160.000 Euro und für einen größeren internationalen Flughafen werden weit mehr als nur drei oder vier solcher Geräte benötigt. Jede einzelne Befragung dauert immerhin gut fünf Minuten, was im Zweifelsfall die Dauer des Boardings erheblich verlängern wird.
Interessant werden dürfte auch, welche zusätzlichen technischen Lösungen noch eingeführt werden. Automatisierbar wäre ja auch zum Beispiel die Durchleuchtung der Fluggäste. Da ja eh kaum noch Handgepäck mit an Bord darf, kann man hier wahrscheinlich auch bald vollkommen auf Automaten umsteigen. Boarding und Ausweiskontrolle sind ja schon weitestgehen automatisiert. Das Personal ist bei diesen Tätigkeiten mehr oder weniger Staffage.
Der einzige Störfaktor ist da nur noch der Fluggast, der bestimmte Ansprüche stellt. Wie zum Beispiel Service und Freundlichkeit. Wer Buisness Class oder Erster Klasse fliegt, der hat einfach keinen Bock mit Automaten zu Quatschen. Der hat auch keine Lust mit Automaten zu debattieren, dafür hat er einfach zu viel Geld auf den Tisch geblättert. Hier dürften wahrscheinlich irgendwo die Interessen der Fluggäste und die ökonomischen Interessen der Luftverkehrsgesellschaften die Grenzen diktieren.
Was bringt die tollste Sicherheit, wenn es niemanden mehr zu kontrollieren gibt? Was wenn man zwar auch die Terroristen abschreckt, aber eben auch alle anderen Fluggäste? Zwar heißt es "die Fluggäste hätten Verständnis" für die verschärften Sicherheitsmaßnahmen, aber ob sich zum Beispiel die Wirtschaftselite auf Dauer gefallen lassen wird, auf ihre Standesutensilien wie Laptop und Handy im Flugzeug zu verzichten? Und auch die Frage, ob man mit den sehr drastischen Verschärfungen nicht gerade die Angst schürt, dürfte nicht völlig von der Hand zu weisen sein, denn nicht wenigen wird gerade dadurch erst scheinbar bewusst, in welcher unvorstellbaren Gefahr sie sich befinden. Auch wird so für die Behörden eine Illusion erzeugt, die insgesamt noch sehr viel gefährlicher ist, nämlich die Illusion der absoluten Kontrolle und der absoluten Sicherheit. Beides kann es nicht geben, wie Fachleute immer wieder betonen.
Ob das insgesamt der richtige Weg ist? Ich habe da einige Zweifel.
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