Schule heute

Selten kommt es vor, doch hin und wieder bin ich mit anderen Menschen konfrontiert, die meine Welt mit ganz anderen Augen sehen. Oft bin ich dann verwirrt, weil ich meine Welt überhaupt nicht wiedererkenne. Gestern beim Sport ging es mir so.

Ein Hoffnungsträger der nachwachsenden Generation durchlebt gerade seine Abiturprüfungen. Der arme Kerl, Martin sein Name, ist gleichzeitig auch noch Sohn einer Lehrerin der gymnasialen Oberstufe und hat deshalb manchmal übel unter den Launen seiner Mutter zu leiden. Die wiederum ist wohl durchaus das, was man "der modernen Pädagogik verschrieben" nennt - was immer man darunter auch in Fachkreisen verstehen mag, tobt sich aber wohl trotz allem gerne zu Hause über ihre ... Schüler aus. Jedenfalls kommt es im Unterricht wohl eher selten zu bewaffneten Auseinandersetzungen, was an sich ja wohl bereits an ein Wunder grenzt. Es werden neue Medien verwendet, kritische Inhalte thematisiert und so weiter. Und es werden Besucher zum Unterricht zu bestimmten Veranstaltungen eingeladen.

So begab es sich, dass Martin und ein paar seiner "Kumpels" (Tim und Daniel) zur Vorführung des Films "Die Passion Cristi" eine eben jener Unterrichtsstunden, sorry, "Einheiten" besuchten und dort aktiv als "eingebettete Fremdschüler" an Einarbeitung, Vorführung und Diskussion von Thema und Film teilnahmen.

Es verblüffte mich schon, dass eine Lehrerin den alles Andere als unumstrittenen und unblutigen Film in Gänze im Unterricht vorführte, aber richtig verblüfft war ich zu hören, dass die Klasse zu weit mehr als der Hälfte aus Schülern und besonders Schülerinnen mit "Migrationshintergrund" besteht. Mit Martins Worten: "Mädchen ohne Kopftuch fielen deutlich auf." Die Diskussion des Films hätte mich zwar sehr interessiert, denn ich wüsste schon gerne, wie dieses Spektakulum ausgegangen ist, aber dazu kam es dann nicht mehr.

Stattdessen berichtete er mir von der Bearbeitung eines Textes, den die Schüler vorlesen sollten. Er erzählte mir von den recht erfolglosen Versuchen eines Schülers, einen einfachen Deutschen Text vorzulesen. Nach ca. 10 Minuten riß den Besuchern der Geduldsfaden und Daniel herrschte ihn unter Beifall von Tim und Martin an: "Ey, kannst Du kein Deutsch oder was? Sind wir hier in Theran?"

Ich wäre bestimmt entsetzt gewesen, wenn Tim, Martin und Daniel im herkömmlichen Sinne "Deutsche" wären. Tims Eltern stammen jedoch aus Angola und England, Daniels Eltern sind Kurden und Martin ist Afroamerikaner. So blieb mir nicht viel Anderes übrig als mich zu fragen, welcher Planet das hier eigentlich ist.