Mit dem Argument, er habe die Jugendlichen "sinnvoll in das Dorfleben integrieren" wollen, wurde Herr Harwig in seiner Funktion als Bürgermeister Mitglied in der beim Verfassungsschutz schon lange bekannten und inzwischen aufgelösten Organisation "Heimatbund Ostelbien" (HBO). Diese Vereinigung hat eine ziemlich weit rechts anzusiedelnde Vergangenheit. Die ehemaligen Mitglieder sind auch heute wohl - um es mal ganz vorsichtig zu formulieren - nicht unproblematisch in ihrer politischen Ausrichtung und Denkweise. Nach Angaben des Herrn Harwig trat er in den Club ein, "um eine Kulturkommission zu bilden". Damit Dorffeste gemeinsam organisiert werden könnten und so.
Als Clubmitglied nimmt man ja auch schon mal an Clubfeten teil. Gehört ja dazu. Während der letzten Sonnenwendfeier "mit Sonnenfeuer" hielten es die Clubmitglieder für eine "Gute Idee", doch auch mal Bücher zu verbrennen. Und Herr Harwig war mit dabei. Als das Tagebuch der Anne Frank und eine amerikanische Flagge verbrannt wurden, sah sich Herr Harwig weder genötigt einzugreifen, noch sich zu distanzieren. Im Gegenteil. Rund 80 bis 100 weitere Besuchern des "Festes" sahen tatenlos zu.
Das Ganze hat jetzt ein Nachspiel. "Gottseidank" möchte man sagen. Aber nicht so schnell, denn die Details sind es, die aufhorchen lassen. Im Landtag von Sachsen-Anhalt wurde Herr Harwig und sein Verhalten bereits deutlich kritisiert und das ist gut so. Als Folge der Kritik trat er nach eindringlicher Aufforderung durch seine Partei aus dieser (PDS) aus. Er selber begründet diesen Schritt jedoch etwas anders als die Partei, die auch seinen Rücktritt als Bürgermeister fordert: Er (Harwig) wäre vom Umgang der Genossen mit ihm enttäuscht. Huh? Umgang mit ihm? Was hat er denn erwartet? Orden? Lobeshymnen? An seinem Amt als Bürgermeister hält er aber fest - und das insbesondere, weil ihn die Einwohner seines Dorfes darin bestätigten.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutierten rund 150 der nicht ganz 1.000 Einwohner des Dorfes mit dem Bürgermeister und den beteiligten Jugendlichen das Geschehen. Im Nachhinein sehen die Einwohner von Pretzien zum Handeln des Bürgermeisters Harwig keine Alternative und sie hätten auch keine "rechten Umtriebe" des Heimatbundes Ostelbien bemerkt. Herr Harwig wollte ja die Jugendlichen durch die Intergration ins Dorfleben dem rechten Spektrum zu entziehen, so die die Pretziener. Die Jugendlichen hätten ja auch Dorffeste organisiert und beim Hochwasser geholfen. Und beim Dorf haben sie sich ja auch entschuldigt - wenn auch nicht für die Tat als solche.
Der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann, SPD sagte dazu:
"Rechtsextreme Gruppierungen lassen sich nicht durch eine Einbindung ins dörfliche Kulturleben bändigen."Der Fraktionschef der PDS im Magdeburger Landtag, Wulf Gallert:
"Das Problem von Pretzien war nur, dass hier die Integration genau andersrum gelaufen ist. Die neue Taktik der Rechten, sich gesellschaftlich zu etablieren über ganz normale Mitarbeit im Dorf und dann rechtsextreme Ideologie weiter zu transportieren, ist völlig aufgegangen."Und damit das ganze Dorf dann auch schön als "wir sind die Lieben" dasteht, werden artig vor den Kameras der Medien Kerzchen in sinniger Analogie zum gerade beseitigten Scheiterhaufen aufgestellt und man tut schön betroffen. Ist ja ein prima Anlaß für das nächste gesellige Becherschwenken. Worum ging es noch gleich? Wer die nächste Runde bezahlt? Anne wer? Rechts? Ja, rechts runter gehts zur Elbe, da kann man inzwischen schon wieder angeln. Was wollen eigentlich die Medien hier? Und nein, wir haben kein Problem mit Ausländern...
Übertrieben? Ansichtssache. Ein Sprecher der Polizeidirektion Magdeburg sagt: "In Pretzien sind die Schotten dicht", die Ermittlungen kommen nur sehr stockend voran. Wenig verwunderlich, denn natürlich haben wir in Ostdeutschland kein Problem mit rechtsextremer Ideologie.
Friedrich Harwig zu dem Vorfall:
"So etwas passiert, weil wir in unserem Land die Vergangenheit nicht bewältigt haben und weil wir mit unserer Gegenwart nicht fertig werden"Wie sehr er damit Recht hat, wird er selber wohl nie verstehen.
(Quelle: mdr, Tagesspiegel, Mitteldeutsche Zeitung)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Bedingt durch die DSGVO müssen Kommentare zu Beiträgen der Tapirherde manuell freigeschaltet werden, um um der Veröffentlichung von Spam-, Hass- oder sonstiger unerwünschten Kommentaren vorbeugen zu können. Die Veröffentlichung eines Kommentars kann deshalb ein wenig dauern. Sorry dafür.
Wenn Sie Beiträge auf Tapireherde kommentieren, werden die von Ihnen eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. die IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Weitere Infos dazu finden Sie in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.