Dienstag, 21. Februar 2006

Panem et Circensis

Es ist ja nicht so ganz einfach diejenigen zu packen zu bekommen, die sich auf der anderen Seite der demagogischen Trennlinie befinden und durch Handeln oder Unterlassen dazu beitragen, dass Botschaften angezündet werden. Die Zeit hat es geschafft den Betreiber von www.persianfootball.com zu interviewen. Der Betreiber war nicht dazu bereit seine Identität preiszugeben, sondern ließ nur im Schutze der scheinbaren Anonymität des Internet einige Fragen zu. Er nennt sich selbst "Mansoor" und bezeichnet sich als "Manager" der Webseite.

Worum geht es? Im Berliner Tagesspiegel wurde eine Karikatur des Zeichners Klaus Stuttmann veröffentlicht. Es geht um diese Karikatur:

Klaus Stuttmann - Iran und die Fussball WM"Warum bei der WM unbedingt... ...die Bundeswehr zum Einsatz kommen muss!!"

Die Nationalmannschaft des Iran wird als Selbstmordattentäter mit Bombengürtel dargestellt und dient so als ultimativer Grund für den Einsatz der Bundeswehr im Innern. Die meisten von uns werden diese Karikatur - wenn überhaupt - dann eher beiläufig wahrgenommen haben. Sie ist weder herausragend witzig noch ist sie sonderlich bissig. Haha, mal wieder ein Jokus auf Kosten der Bundeswehr. Was haben wir gelacht. Ha-Ha. Wirklich sehr witzig. Und damit dürfte für die meisten in der Welt der Meinungs- und Pressefreiheit das Thema auch schon durch gewesen sein.

"Nicht so schnell!" dachte man sich wohl im Hardcore-Islam und nutzte diese Karikatur als willkommenes Addon zum bereits schwelenden Konflikt um die Karikaturen und Dänemark. Ein Konflikt, der immer mehr und immer gezielter zu "Der Islam gegen die christliche Welt" aufgeblasen wird. Da sich auch und gerade im Forum der eingangs erwähnten Webseite zum Thema Fußball einige recht interessante Statements zu lesen, die von der Zeit konkret angesprochen wurden.

Nachdem die Betreiber die Karikatur auf ihrer Webseite veröffentlicht hatten, wurde im Forum der heilige Krieg gegen die Ungläubigen beschworen. So wurde der Karikaturist nicht nur wüst beschimpft und verunglimpft, es wurden auch sehr konkrete Morddrohungen geäußert.

Ein paar Highlights des Betreibers der Seite, kommentiert.
"Natürlich kann in einem demokratischen und liberalen Staat wie Deutschland die Pressefreiheit nicht einfach so beschränkt werden."
Aha, aber grundsätzlich kann man die Pressefreiheit natürlich schon einschränken, daran ist nichts Verwerfliches?
"Trotzdem kann man doch erwarten, dass eine Meinungsäußerung auf wahren Tatsachen beruht und international anerkannte Regeln des Anstandes und der Höflichkeit befolgt."
Wie ja auch gerade in der letzten Zeit besonders bei den Moslems zu beobachten ist. Merke: Höflich ist, wer anderer Länder Botschaften anzündet.
"Nun haben einige wenige, völlig verantwortungslose Iraner nicht nur ihren berechtigten Ärger ausgedrückt, sondern auch Todesdrohungen an den Zeichner ausgestoßen. Das sind unreife und infantile Reaktionen. Das ist genauso abzulehnen wie die verantwortungslose Aktion der deutschen Zeitung."
Aha. Todesdrohungen und das Zeichnen von Karikaturen sind absolut gleichwertig. Soso. Die Pressefreiheit wahrzunehmen ist also verantwortungslos. Ah-ja. Freiheit ist immer die Freiheit nach dem Diktat der Mullahs, hm? Überreaktion einiger Weniger ja? In einem Totalitären Staat wie Iran? Sicher das.

Auf die Frage, warum die Beiträge mit den Beleidigungen und Morddrohungen nicht gelöscht worden seien:
"Wir sind eine Website mit sehr eingeschränkten finanziellen Mitteln. Alle Mitarbeiter arbeiten freiwillig. Wir tun, was wir können, um unsere Online-Plattform verantwortungsvoll zu betreiben. Aber hin und wieder entgeht auch uns ein unpassendes Posting. Wir können den Moderator unserer Diskussionsforen nicht dazu zwingen, sie den ganzen Tag zu überwachen."
Mit anderen Worten: "Es ist unser gutes Recht selbst zu entscheiden, was wir veröffentlichen und was nicht. Wir nehmen unser Recht auf Pressefreiheit und unsere User das auf Meinungsfreiheit wahr." Für die einen gilt, was für die anderen nicht gilt. Wie war das noch mit der Gleichheit von Mann und Frau? Was war da noch mit der Gleichheit vor Gericht? Wie war das noch mit "gleiche Rechte für alle"?

Auf die Frage, was denjenigen Menschen in Deutschland zu sagen sein, die glauben, dass insbesondere Moslems ein echtes Problem mit der Meinungsfreiheit hätten:
"Der vorliegende Fall hat doch überhaupt nichts mit Religion oder Kultur zu tun!"
Ach? Womit denn dann?
"Lautstarke und gewaltsame Proteste ereignen sich überall auf der Welt (...) Gerade gab es Proteste in den Vorstädten von Paris."
Und die hatten natürlich nichts mit irgendwelchen kulturellen und/oder religiösen Konflikten zu tun, schon klar!
"(...) Irrationale und gewalttätige Demonstranten finden wir überall auf der Welt. Die dürfen aber nicht mit jenen Menschen in einen Topf geworfen werden, die sich über Dinge beschweren, die sie verletzend oder beleidigend werten."
Äh, Moment, wie bitte? Die Unruhen in den Pariser Vororten fußen auf Gründen, die weniger schwerwiegend sind, als eine Karikatur? Sozial ausgegrenzt zu werden, keine Schulbildung zu bekommen, keinen Job zu finden ist nicht so schlimm wie eine Karikatur in einer Zeitung? Was genau hat der Kerl für ein Problem?
"Wer sich verletzt fühlt, muss auch das Recht haben, seine Meinung friedlich zu artikulieren."
Es sei denn, er ist kein Moslem oder es geht gegen die Interessen der Mullahs, dann natürlich nicht, schon klar.

Es ist für mich erschreckend zu sehen, mit welcher Borniertheit das Recht auf freie Meinungsäußerung für sich selbst in Anspruch genommen, Andersdenkenden jedoch verwehrt wird. Es ist auf der anderen Seite aber gerade aus dem Kreise der radikalen Moslems nicht anders bekannt. Es ist auch nicht wirklich neu zu hören, dass die eigenen Interessen und die Art der eigenen Meinungsäußerung völlig angemessen und richtig sind während das Handeln der Andersdenkenden wie selbstverständlich völlig überzogen und verantwortungslos ist.

Wie der Interviewpartner wohl zum Thema "Die neue Fatwah und das überraschende Ok zu Atomwaffen im Iran" geantwortet hätte?

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