Freitag, 26. März 2010

Politische Neuausrichtung der Taliban?

In der letzten Zeit wurde eine Menge Aufwand betrieben, um die Erfolge im Kampf gegen die Taliban und al-Qaida aufzuzeigen. Alle Beteiligten sind bemüht zu beweisen, dass sie den Strategiewechsel ernst meinen. Der Fokus wird zunehmend weg vom bewaffneten Kampf hin zu politischen Verhandlungen gelegt. Allerdings bedeutet das nicht, dass die militärischen Auseinandersetzungen mit den Aufständischen und gegen die al-Qaida an Intensität nachgelassen hätten. Vielmehr wird nur weniger darüber berichtet.

Nach den besonders Medienwirksamen Erfolgen der Festnahmen hochrangiger Figuren muss sich unter den Aufständischen eine gewisse Unruhe ausgebreitet haben. Zwar hat insbesondere die al-Qaida unter Beweis gestellt, wie gut sie die Macht und die Zusammenarbeit mit den Medien versteht, jedoch lässt die Präsenz ihrer Positionen in den Medien mehr und mehr nach. Es entsteht der Eindruck, die al-Qaida wäre "beinahe besiegt" und der Kampf gegen die militanten Aufständischen wäre im Prinzip gewonnen. In den letzten Tagen bemühten sich Taliban und al-Qaida darum, dieses Bild zu ändern.

Zunächst meldete sich Osama bin Laden zu Wort. In einer Tonaufzeichnung warnte er insbesondere die USA dringend davor, festgenommene hinzurichten. Er drohte damit, dass in dem Fall, dass einer oder mehrere Festgenommene der al-Qaida hingerichtet würden, alle Soldaten, derer die al-Qaida habhaft werden könnten, ebenfalls getötet würden. Abgesehen vom martialischen Inhalt der Drohung fällt doch auf, dass bei al-Qaida irgendwo etwas klemmt, denn gerade Khalid Sheikh Mohammed, der zugegeben hat, die Anschläge vom 11. September 2001 geplant zu haben, hat gestanden und darum gebeten als Märtyrer hingerichtet zu werden. Das mag zwar als ein kleines Detail erscheinen, weist aber entweder auf Kommunikationsschwierigkeiten oder einen spontanen Strategiewechsel hin.

Gleichzeitig treten in der letzten Zeit vermehrt Vertreter der Taliban und der al-Qaida an die Presse heran, um ihre Sicht der Dinge mitzuteilen. In manchen Fällen ist es nicht ganz einfach nachzuvollziehen, welche Stellung die jeweiligen Sprecher in Bezug auf die Organisationen haben, für die sie zu sprechen behaupten. Jedoch ist davon auszugehen, dass diese Sprecher kaum ohne Auftrag mit westlichen Medien sprechen. In diesem Kontext ist auf das Interview der Asian Times zu sehen, in dem ein anonymes Mitglied der früheren Talibanregierung Afghanistans interviewt wurde.
"I assure you, 300%, neither Moulvi Abdul Kabir nor Syed Tayyab Agha has been arrested. It was false reporting. Mullah Abdul Salam and Mullah Mir Muhammad were arrested at least a month before Mullah Baradar, but their arrest was shown after Mullah Baradar's. I have not been in direct contact with Mullah Mustasim Jan Agha so I cannot claim with surety about his status, but I was told by his friends that he was not arrested."
Nun wäre es nicht das erste Mal, dass Pakistan falsche Erfolgsmeldungen verbreitet. Allerdings wäre es doch erstaunlich, wenn die USA sich auf solche Erfolge berufen würde und behauptet, an diesen Erfolgen unmittelbar mit beteiligt gewesen zu sein. Die Tatsache, dass Reihenfolge und Zeitpunkte der Festnahmen in den Veröffentlichungen abweichen, ist aus geheimdienstlichen Überlegungen heraus erklärbar. Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass die CIA eine Vielzahl Festnahmen verkündet, die gar nicht stattgefunden haben. Solange das Gegenteil nicht bewiesen ist, kann deshalb wohl davon ausgegangen werden, dass die infrage stehenden Führungsmitglieder der Taliban in Haft sind.

Bemerkenswert ist, dass in dem Interview die Nähe zwischen bestimmten Gruppen der Taliban und Pakistan unterstrichen wird. Besonders bemerkenswert ist der Hinweis, dass manche Widerstandskämpfer Pakistan meiden, wenn sie der al-Qaida zu nahe stehen. Auch scheint die Zusammenarbeit für beide Seiten zunehmend kompliziert zu werden. Ein Hinweis darauf ist, dass der Interviewpartner andeutete, dass der Druck auf Pakistan täglich größer wird und Pakistan dadurch zu verschiedenen Handlungen gezwungen wird, die die dortige Führung möglicherweise gar nicht möchte. Bemerkenswert ist insbesondere, dass nachdrücklich abgestritten wird, Mullah Ghani Baradar hätte im Auftrag von Mullah Omar mit den USA und der Regierung Karzai Kontakt aufgenommen. Das lässt vermuten, dass mögliche Verhandlungen innerhalb der Organisation zurzeit nicht mehrheitsfähig sind und die Führung verhindern möchte, verhandlungsbereit zu erscheinen. Dazu passt auch die Distanzierung von verschiedenen Figuren im politischen Schachspiel.

Besonders interessant ist das Interview wegen der Verbindungen der Taliban zum Iran, was allerdings gut ins Bild passen würde und andere Berichte der jüngeren Vergangenheit bestätigt. So wurden z. B. kürzlich größere Waffenlager im Süden Afghanistans entdeckt, deren Inhalt Rückschlüsse darauf zulässt, dass die Waffen aus dem Iran stammen.

In Bezug auf Pakistan scheinen sich die Taliban neu zu orientieren. Die Aussage, dass die Angriffe auf die Regierung in Karachi durch die Tehrik-e-Taliban Pakistan ohne Sanktionierung seitens der übrigen Taliban stattfanden, zeigt deutlich, dass sich die Taliban in die Nähe des pakistanischen Militärs bewegen. Verschiedene Aussagen im Interview machen deutlich, dass es offenbar eine zunehmende Distanz zwischen den Taliban und der al-Qaida gibt. Die Bemerkungen über die Aufständischen Punjabi weisen auf andere Schwierigkeiten in der Organisation des Widerstandskampfes hin, in dem offenbar zunehmend einander widersprechende Zielsetzungen aufeinander prallen. Das wiederum scheint dazu zu führen, dass sich die einzelnen Gruppierungen mit zunehmendem Misstrauen beobachten.

Im größeren Zusammenhang scheint sich damit zu bestätigen, dass sich einige Taliban näher zum pakistanischen Militär, den ISI und den Iran zu stellen. Gleichzeitig rücken diese Taliban weiter von al-Qaida weg. Ob es in dieser Situation überhaupt möglich ist, mit allen Taliban an den Verhandlungstisch zu kommen, ist schwierig einzuschätzen. Selbst wenn dies gelänge, ist es zumindest im Augenblick unwahrscheinlich, dass aus diesen Verhandlungen jemand Anderes als die militanten Taliban als Sieger hervorginge.

1 Kommentar:

  1. Sie könnte sich auch einmal, um nicht nur bloss zu 'alternativ' zu wiederholen, was auch sonst schon überall an Oberflächlickeiten über Gott und die Welt produziert wird, von irgendwelchen Zimmerchen in einem Winkel der Welt aus, in diesem Fall unter dem Stichwort 'Durantline' um die wirklichen Gründe für die Eigenart des Konflikts kümmern, der die Folgen der imperialen Poiltik von gestern mit denen, die die imperiale Politik von heute dazu addiert, um sie zu potenzieten, und es wäre vielleicht auch einmal eine Abwechslung, wenn man den Propagandatitel 'Taliban' durch ein wenig mehr mit ethnologischer und kulturgeschichtlicher Knntnnis zu untermauern und ihn in dieser Kenntis aufzulösen.

    Sonst lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass die vermeintlich 'alternativen Medien' im Internet doch eher der Hätschelung eines ganz und gar durchschnittlichen Narzissmus und dem ihn begleitenden Größenphantasien 'dient'. Dann kann man aber, zumal angesichts der thematischen Vollsynchronisation der 'allgemeinen Nachrichtenherstellung' und der 'alternativen' das Ganze sich selbst überlassen, denn in der Tat ist alles einem umd demselben allgemeinen Bewußtseinszustand zuzurechnen, nur etwas fraktioniert, indem die Alternativen einfach immer 'anderer Ansicht' sind, was auf kaum mehr als eine Variante hinausläuft, bei insgesamt identischer Bewußtseinsverfassung und im Übrigen auch den 'Gründen' die für diese Beschäftigung gelten. Überall suchen potentielle (Meinungs-) Führer nach Gefolgschaften und nach dem Hit. Es ist der Mechanismus, der auch die Helden der Popmusik stimuliert und sie sogar erzeugt. Sonst geht es um nichts mehr.

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