Montag, 22. März 2010

Eine Theorie zur Zukunft Deutschlands

Die FAZ veröffentlichte heute einen Artikel von Professor Dr. Dr. Gunnar Heinsohn, in dem der eine Prognose über die Entwicklung Deutschlands formuliert und daraus eine Handlungsanweisung ableitet. Der Herr Professor ist Soziologe und Ökonom und sein Spezialgebiet ist die Demographie. Seine Theorie für Deutschland lautet wie folgt:

Von 100 Kindern, die geboren werden müssten, um ein weiteres Schrumpfen der Bevölkerung Deutschlands zu verhindern, werden 35 nicht geboren. Von diesen 65 Kindern, die geboren werden, sind am Ende ihrer Schulzeit 15 nicht auf dem Wissens- und Fähigkeitsstand, dass sie erfolgreich eine Ausbildung absolvieren könnten. Von den 50 Kindern, die zu einer Ausbildung befähigt und geeignet wären, verlassen 10 das Land. Den benötigten 100 Nachwuchskräften stehen am Ende 40 verfügbare und befähigte gegenüber.

Dies ist eine optimistische Prognose, denn jene 40 Kinder werden immer mehr ermutigt, Deutschland zu verlassen: Die Belastungen durch den Sozialstaat werden zunehmen. 2060 wird es nur noch 65 Millionen Menschen in Deutschland geben, die jedoch werden ein Durchschnittsalter von 54 Jahren haben. Heute sind es 81 Millionen Menschen mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren. 2060 werden 30 Millionen Menschen im Alter zwischen 24 und 65 Jahren 22 Millionen Alte und zusätzlich 13 Millionen Junge versorgen. Selbst bei einer Vollbeschäftigung aller Bürger im erwerbsfähigen Alter müssten dann 100 Verdiener knapp 120 Nichtverdiener versorgen.

Diese Zahlen sind nicht neu und können jedem bekannt sein. Professor Heinsohn langt jedoch mit dem jetzt folgenden Part derbe zu. Was diese Zahlen bis hier verschweigen, ist eine andere, versteckte Entwicklung, die der Prognose eine noch sehr viel bedrohlichere Krone aufsetzt.

Im Februar 2010 erhalten 6,53 Millionen Bürger Sozialleistungen ("Hartz IV"). Von diesen 6,53 Mio. sind 1,7 Millionen Kinder unter 15 Jahren, das sind 26 Prozent. In dem zum Bruttosozialprodukt ihren Beitrag leistenden Teil der Bevölkerung von 58 Millionen Bürgern unter 65 gibt es hingegen nur 9,5 Millionen Kinder, entsprechend 16 Prozent. Eine Zunahme der Anzahl derjenigen Kinder, die Hartz IV empfangenden, ist quasi eine Gewissheit, denn bereits heute empfangen sehr viel mehr jüngere als ältere Kinder Hartz IV. In Bremerhaven waren von allen Kindern, die Hartz IV empfingen, 33 Prozent zwischen 7 und 15 Jahre alt. Dem gegenüber waren aber 45 Prozent 0 bis 3 Jahre alt.

Professor Heinsohn befürchtet angesichts dieser Zahlen, dass in einigen Jahrzehnten weit mehr als ein Viertel der Menschen in eine Hightech-Gesellschaft mit ihren hohen Qualifikationsanforderungen nicht passen wird.

Ein Königsweg, um dieser Entwicklung auf Dauer entgegen zu wirken, wäre die Einwanderung nach Deutschland zu fördern. Besonders die sogenannten "qualifizierten Einwanderer" wären für die Lösung des Problems ideal, denn sie verfügen zum Beispiel über einen vergleichsweise hohen Bildungsstand und eignen sich deshalb als Fachkräfte. Seit 1987 sind über 12 Millionen Menschen nach Deutschland eingewandert. Manche Kinder dieser Einwanderer schaffen bessere Abiturnoten als der Nachwuchs des deutschen Bildungsbürgertums. In Kanada gelten fast 100 Prozent der Einwanderer als "qualifizierte Einwanderer" im Sinne der politischen Ökonomie. In Australien sind es knapp 90 Prozent. Kanada wird zur ersten Nation, die bei den (oft chinesischen) Kindern von Zuwanderern einen höheren Intelligenzquotienten (IQ) misst als bei den Alteingesessenen.

Im Vergleich dazu liegt Deutschland mit seinen Einwanderern am exakt gegenüber liegenden Ende der Skala. Von allen Einwanderern nach Deutschland gelten gerade mal 5 Prozent als "qualifizierte Einwanderer". Nirgendwo sonst auf der Welt ist der Abstand zwischen Kindern von Einwanderern und Alteingesessenen bis auf vereinzelte Ausnahmen größer. Die OECD konnte nachweisen, dass die Kinder von Einwanderern in Deutschland als Fünfzehnjährige zwei Lernjahre im Rückstand sind. 20 Prozent unserer Bevölkerung sind Migranten (rund 16,2 Millionen), doch von denen bleiben 44 Prozent ohne Berufsausbildung. Ein Wandel ist nicht abzusehen, denn Deutschland rekrutiert seine Einwanderer nicht unter den Eliten der Auswanderungsländer, sondern unter den sogenannten "Niedrigleistern".

Professor Heinsohn vergleicht diese Ausgangssituation mit der in den USA. Dort wurde zwischen 1964 und 1984 die Sozialhilfe sehr stark erhöht, mit dem Ziel, insbesondere den so besser versorgten Müttern den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Statt des erwarteten Rückgangs stieg die Zahl der "Sozialhilfemütter" und ihrer Kinder in dieser Zeit von 4 auf 14 Millionen. Der Politologe und Ökonom Charles Murray folgerte daraus in seiner Studie "Losing Ground", dass die Bezahlung der Mutterschaft für arme Frauen zu immer mehr solchen Müttern führt.

In Deutschland ist zu beobachten, dass die Leistungsstandards an den Schulen immer weiter abgesenkt werden, um möglichst viele Kinder mit einem Schulabschluss aus dem Bildungssystem in die Arbeitswelt zu schleusen. Das jedoch führt zu einem weiteren Nachlassen der Leistungsbereitschaft bei den Kindern, denn warum sich anstrengen, wenn einem der Abschluss mehr oder weniger hinterhergeworfen wird? Auch das beobachtete Murray in den USA.

Eine dritte, sehr weitreichende Beobachtung von Murray bezieht sich auf ein zunehmend in den Medien präsentes und ebenso zunehmend als bedrohlich empfundenes Thema, nämlich die Jugendkriminalität. 10 Prozent der Jugendlichen, die von Sozialhilfe abhängig sind, begehen 50 Prozent der Delikte. Diese Entwicklung als "Versagen der Gesellschaft" darzustellen, treibt die Deliktzahl weiter nach oben. Die vierte und wahrscheinlich für uns unbequemste Erkenntnis von Murray war, dass die Abschaffung der Sozialhilfe für die Betroffenen hilfreicher wirkt als ihre "Belohnung" mit einer lebenslang garantierten Versorgung für immer mehr bildungsferne Kinder.

Zum 1. Januar 1997 schaffte Linksliberale Präsident Clinton das Recht auf lebenslange Sozialleistungen in den USA ab. Stattdessen wurde ein auf fünf Jahre begrenztes Recht auf Unterstützung mit tatkräftiger Hilfe nicht zu irgendeiner abstrakten Integration, sondern zum Übergang in echte Arbeitsverhältnisse. Vor der Reform bezogen 12,2 Millionen US-Bürger Sozialhilfe, 2005 waren nur noch 4,5 Millionen. Die Frauen der Unterschicht betrieben jetzt aktive Geburtenkontrolle. Die Zahl der "welfare mothers" sank drastisch und in der Folge ebenso die Kriminalität der Kinder dieses Milieus.

Bezogen auf Deutschland erleben wir eine andere Entwicklung. 1965 lebten 130.000 Kinder unter 15 Jahren in Westdeutschland ausschließlich von Sozialhilfe. 1991 waren es bereits 630.000 im wiedervereinten Deutschland. Im Februar 2010 sind es 1,7 Millionen, Tendenz steigend. Hinzu kommt, dass in Deutschland nicht nur 10 Prozent aller Babys wie damals in Amerika durch Steuergelder finanziert werden, sondern bereits 20 Prozent. Frauen, die in Deutschland nicht von Hartz IV leben, haben in der Regel ein Kind. Die Quote bei Migrantinnen in vergleichbaren Lebensbedingungen nähert sich dem stark an. Dagegen steigt die Geburtenrate bei denjenigen Frauen an, die von Hartz IV leben. Am Beispiel Bremerhaven zeigen sich die damit verbundenen Probleme. Dort sind rund 40 Prozent der Jugendlichen von Sozialleistungen abhängig und für rund 90 Prozent der Gewaltkriminalität verantwortlich.

Aus diesen Beobachtungen leitet Professor Heinsohn seine Forderung ab:
"Solange die Regierung das Recht auf Kinder als Recht auf beliebig viel öffentlich zu finanzierenden Nachwuchs auslegt, werden Frauen der Unterschicht ihre Schwangerschaften als Kapital ansehen. Allein eine Reform hin zu einer Sozialnotversicherung mit einer Begrenzung der Auszahlungen auf fünf Jahre statt lebenslanger Alimentierung würde wirken - nicht anders als in Amerika. Eine solche Umwandlung des Sozialstaats würde auch die Einwanderung in die Transfersysteme beenden. Deutschland könnte dann im Wettbewerb um ausländische Talente mitspielen, um seinen demographischen Niedergang zu bremsen."
Instinktiv möchte ich dem widersprechen und mir fallen Schlagworte ein wie "Recht auf Fortpflanzung kann nicht vom sozialen Stand abhängig gemacht werden" und "Soziale Verantwortung" und so weiter. Aber je länger ich diese und andere Argumente den nüchternen Zahlen gegenüberstelle, desto mehr frage ich mich, ob meine Argumente tatsächlich stichhaltig sind. Oder andersherum: Was bringt mir ein hoher moralischer Standard, das hohe Gut von Generationsvertrag und gegenseitiger sozialer Absicherung, wenn das System zusammenbricht und niemand mehr da ist, um diese Ideale mit einem finanziellen Fundament zu versehen? Ist es wirklich so schlimm, wenn der Staat die Sozialleistungen auf einen überschaubaren Zeitraum begrenzt, diesen Zeitraum aber gleichzeitig dafür nutzt, dem Leistungsempfänger echte und nachhaltige Hilfe anzubieten und nicht solche - Entschuldigung - albernen Projekte wie ABM, Lehrgänge zum Schreiben von Bewerbungen etc. und so dem Empfänger wirklich hilft, anstatt ihn nur zu verwalten?

Angesichts der Zahlen frage ich mich wirklich, ob wir uns unser System - so toll es theoretisch auch sein mag - wirklich noch leisten können, ob wir nicht vielleicht doch ein klein wenig zu blauäugig sind gegenüber den Fakten und den Erfahrungen anderer Länder in ähnlichen Situationen? Oder übertreibt Professor Heinsohn? Angesichts der Tatsache, dass ich aus dem Stand kein einziges Land in einer vergleichbaren Situation kenne, das sich ein solch luxuriöses Sozialsystem leistet wie Deutschland und damit Erfolg hat, habe ich da doch so meine Zweifel.

5 Kommentare:

  1. Was macht der US Bürger, wenn er 5 Jahre von Sozialhilfe abhängig war, keine lust oder einfach keine chance hatte wieder ein finanzielles standbein aufzubauen, und diese gestrichten bekommt?

    Die Zahl der Gefängnisinsassen steigt.
    http://www.123recht.net/article.asp?a=23725&ccheck=1

    Die Frage ist ob da ein Kausaler zusammenhang gesehen werden kann. leider hab ich grad keine Statistik gefunden was die Kriminalitätsrate angeht.

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  2. Dev, es ist richtig, dass die Kriminalität in den letzten Jahren bei speziellen Delikten in den USA ansteigt. Jedoch sinkt die Kriminalitätsrate insgesamt und wo sie ansteigt, ist der Anstieg im Vergleich zur Vergangenheit moderat. Ein paar Zahlen.

    "Schwerverbrechen" (Vergewaltigung, Mord, Raub, Schwere Körperverletzung)

    1984 - 3,682,500
    1997 - 3,038,200
    2007 - 1,613,100

    "serious violent crimes committed by juveniles"
    (Jahr - Alter 12-17 - Alter 18+ - Alter unbekannt)

    1984 - 739,000 - 2,671,000 - 329,000
    1997 - 705,000 - 2,027,000 - 262,000
    2007 - 277,000 - 1,027,000 - 294,000

    Eigentumsdelikte ("Adjusted property victimization rates
    Number of victimization per 1,000 households"):

    1984 - 399.2
    1997 - 248.3
    2007 - 146.5

    Schwerverbrechen nach Hautfarbe ("Serious crime", "Adjusted rate per 1,000 persons age 12+", Angaben in Prozent):
    Jahr - Farbige - Weiße

    1984 - 17.1 - 32.7
    1997 - 12.9 - 20.7
    2007 - 5.7 - 10.3

    (Quelle: Bureau of Justice Statistics, http://bjs.ojp.usdoj.gov/)

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  3. In den USA gibt es aus dre Gründen mehr Gefängnisinsassen: Erstens werden mehr Straftaten mit Gefängnis bedroht, zweitens werden Haftstrafen ausgesprochen und drittens werden seltener Verurteilte auf Bewährung entlassen. In den USA wird geltendes Recht entschlossener durchgesetzt als noch vor einigen Jahren.

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  4. In anbetracht meiner eigenen "Hartz4 Amtsbesuch Abenteuerurlaub" Erlebnisse bin ich durchaus geneigt, dem ganzen zuzunicken...

    Die Zahl der damals mit mir wartenden Mütter samt (in div. Sprachen) schreienden Blagen war schon erschreckend... und das ist jetzt ein paar Jahre her.
    Das kombiniert mit anderen Erfahrungen in Richtung "Sozialschmarotzer" (kurzes Beispiel - Weiterbildung im fünfstelligen Eurobereich. Der neben mir einmal die Woche da, Fahne vom Herrn, fällt durch alle Prüfungen - und bekommt trotzdem immer wieder das Training weil "alkoholkrank" == "behindert" == "erhöhtes Anrecht auf Bildungsgutschein") hat inzwischen bei mir zu einer Einstellung in Richtung "to hell with them" geführt.
    Wäre vielleicht eine Idee da nen Riegel vorzuschieben in Richtung Dauer der Leistung und/oder Einschränkungen für "alle 9 Monate nen neuen Braten in die Röhre"...

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  5. Man muss angesichts der anhaltenden 'Bevölkerungsexplosion' einfach warten. Nichts anderes tun alle, auch die politisch Handelnden, in Wahrheit. Denn kein Teileingriff kann den Naturvorgang im Prinzip steuern, der hier stattfindet. Der Eindruck, dass das Wachstum der Biomasse des Homo sapiens einfach solange weiter gehen wird wie 'zugefüttert' wird, bis alles 'leergefressen' - inclusive Erze, chemische Substanzen etc. - ist, um dann entlang der Verfügubarkeit von Energie - denn darauf läuft alles hinaus - zu schrumpfen, ist kaum von der Hand zu weisen. Alles in Allem ist ein großer, wenn nicht der größte Teil der augenblicklich lebenden 'Menschheit' kaum etwas anders als fossile und andere Energie auf dem Wege in die Entropie, meist Kohlendioxid, ein Übergangszustand von Energieträgern.

    Historisch richtet sich die Biomasse des Homo sapiens einfach nach der verfügbaren Energie. Der so genannte Mensch ist ja einer der Parasiten des Lebens, Sekundärverwerter, vor allem auch ein Parasit der von ihm gehaltenen Fleisch bzw. Einweiß- und Fettlieferanten. Und das Industriesystem amplifiziert diese Proliferation, indem es alles umgräbt.

    Was die vielen Milliarden Gattungsexemplare jeden Morgen tun, wenn sie aufstehen, um das Haus zu verlassen, ist ja im Grunde recht einfach zu bezeichnen. Sie machen was die bekannte Raupe Nimmersatt tut, nachdem sie aus dem Ei gekrochen ist: Sie machte sich auf um Futter zu suchen. Der Rest ist Ausgestaltung dieser Beschäftigung. Much ado about nothing.

    Es sind die Leistungen der Moderne, die alles dies heraufbeschworen haben, indem sie Kindersterblichkeit, Krieg, Hungersnöte, Pest und Cholera wenigstens vorerst neutralisiert haben. Nun schlägt alles dies um und man wird darauf warten müssen, wie es weitergeht. Die Politik wird dabei jedenfalls überschätzt. Sie ist nur ein Faktor, der dazu beträgt, auf welchen Umschlagpunkt alles zutreibt. Insgesamt ist das ein Naturvorgang, und die Politik ist ein Teil davon, nicht ihr Steuermann und Gestalter.

    Den Hintergund, auf dem sich das Ganze abspielt bildet das Schweigen der Gesetze der Thermodynamik.

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