Freitag, 26. März 2010

Durch blühende Landschaften...

Tjaja, Deutschland und seine Bauvorhaben. Wir erinnern uns? Damals, Anno 2004, da wurde bei Dresden eine blühende Landschaft im Osten der Republik zum Weltkulturerbe erklärt. Blöd nur, dass bei Vergabe des Titels nicht daran gedacht wurde, die Regierenden der Stadt nach den Plänen für eben jene blühenden Landschaften zu befragen. So gab es denn schon 2006 ersten Stress, denn es wurde bekannt, dass genau jene nicht befragten Regierenden vor einem drastischen Problem standen: Die bestehenden Verkehrsanbindungen der Stadt über genau diese jetzt weltkulturerblich gesegneten Landschaften waren nicht nur marode, sondern den Anforderungen der Gegenwart überhaupt nicht gewachsen. In den Schubladen lag deshalb schon lange der Plan für eine ganz neue, tolle, preiswerte Verbindung zwischen den beiden Hälften der Stadt.

Es geht natürlich um Dresden und das Debakel rund um die "Kulturlandschaft Dresdner Elbtal". Machen wir uns nichts vor: Dresden braucht eine neue Anbindung zwischen den beidseitig der Elbe gelegenen Teilen der Stadt. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Allerdings ging bei der Planung dieser neuen Anbindung einiges schief. Die Debatte gipfelte in einem Eklat, in dessen Folge alle Beteiligten auf stur schalteten: Die regierenden Politiker der Stadt Dresden bestanden auf eine Brücke und die UNESCO strich das Elbtal als erstes zweites (danke Gonzo) Weltnaturerbe wieder von der Liste. Kritiker merkten schon damals an, dass ein Tunnel eine vielleicht gar nicht so schlechte Idee sei.

Diese Alternative wurde jedoch abgeschmettert; die Einen sagen aus Kostengründen, die Anderen sagen, weil der Befreundete Bauunternehmer, der den Zuschlag für die Brücke erhalten hatte, einen solchen Tunnel gar nicht bauen könnte, selbst wenn er wollte. Offiziell weil der Bau des Tunnels in ein durch europäisches Naturschutzrecht geschütztes Biotop eingegriffen hätte und deshalb an der Brücke kein Weg vorbei führt. Außerdem dauert es viel zu lange einen Tunnel zu bauen. Und er ist viel zu teuer.

Langer Rede kurzer Sinn: Die Brücke musste her, auf das Kulturerbe verzichtete man gerne, denn man hat ja noch andere Tourismusattraktionen im Schrank. Als Entschädigung bekam Deutschland das Wattenmeer auf die Liste gesetzt und Dresden den Zuschlag für Deutschlands Militärhistorisches Museum der Bundeswehr (Neueröffnung 2011), dem dann wohl größten Museum für Militärisches auf deutschem Boden. Alle waren zufrieden. Na gut, fast alle. Das Thema hätte todgeschwiegen werden können und in 10 Jahren hätte kein Hahn mehr danach gekräht. So oder ähnlich jedenfalls war wohl der Plan.

Dumm nur, dass wegen einiger unvorhersehbarer Entwicklungen die ungeliebte Brücke jetzt unwesentlich teurer wird. Mit ihren ursprünglich veranschlagten 156 Millionen Euro war die Brücke bereits vorher die mit Abstand teuerste Stadtbrücke der Republik. Diesen Vorsprung sichert sich Dresden jetzt durch einen lächerlichen Aufschlag von nur noch 20 bis 25 Millionen Euro. Die Stadt Dresden rechtfertigt diesen geringfügigen Preisanstieg des Projektes mit "Verzögerungen, die Erhöhung der Mehrwertsteuer, Preiserhöhungen bei Baumaterial, aber auch Nachträge der beauftragten Bauunternehmen." Inzwischen wird auch der letzte Winter noch als Mitverantwortlicher genannt. Schuld sind in Deutschland ja immer die Anderen.

All das wäre ja nun irgendwie zu verkraften, wenn denn ein Ende des Debakels (und damit der Kostenexplosion) absehbar wäre. Genau das ist es aber eben nicht. Der Bau ruht nämlich und das wohl noch für einige Zeit. Grund dafür ist nicht etwa der Winter oder irgendwelche neuen oder zusätzlichen bautechnischen Maßnahmen oder so. Nein, der Grund ist ein anderer. Einer, den die Verantwortlichen eigentlich hätten voraussehen müssen.

Bereits im Mai 2009 entschied das Verwaltungsgericht Dresden, dass der Bau des Tunnels(!) gegen ein paar unwesentliche Gesetze verstößt, insbesondere gegen das europäische Naturschutzrecht. Diese Verstöße, die interessanterweise vom Gericht als "gegeben" angesehen wurden, noch bevor der erste Gutachter sich das Ganze angesehen hatte, sorgen jetzt dafür, dass die Landesdirektion Dresden den Bau der Brücke bis auf Weiteres gestoppt hat, denn der verstößt gegen dieselben Gesetze.

Wir erinnern uns? Mit dem Argument "Verstoß gegen europäisches Naturschutzrecht" wurde der Bau des Tunnels abgeschmettert und stattdessen die Brücke erzwungen. Die für den Bau Verantwortlichen müssen also um die bestehende Rechtslage gewusst haben. Oder sie haben es ignoriert. Wie auch immer, eigentlich hätte die Brücke in diesem Monat fertig sein sollen. Hätte. Wenn man nicht vergessen hätte, die benötigten Flächen für die Fertigstellung der Brücke im Planfeststellungsverfahren mit aufzuführen. Genau das geschah aber nicht. Und weil das nicht geschehen ist, muss das jetzt nachgeholt werden. Formvollendet, natürlich, mit typisch deutscher Gründlichkeit und Bürokratie: Antrag, Genehmigungsverfahren, Widerspruchsverfahren, Gerichtsweg. Wir kennen das. Man denke nur an Gorleben.

Fassen wir zusammen: Zu teuer, dauert zu lange, Probleme mit den europäischen Naturschutzgesetzen. Ja, alle drei Argumente haben wir schon gehört. Nämlich zulasten des Tunnelbaus. Alle drei Argumente gelten jetzt aber auch für die Brücke. Mit dem Unterschied, dass bei Bau der Brücke die Landschaft auf der Liste des Weltkulturerbes erhalten geblieben wäre, was sich ja jetzt erledigt hat.

Wer jetzt abwinkt und sagt "auf die 25 Milo kommt es jetzt auch nicht mehr an", der vergisst dabei, dass durch den Wegfall des Titels "Weltkulturerbe" der Stadt Dresden ein zweistelliger Millionenbetrag aus Fördermitteln des Bundes für die deutschen Welterbestätten durch die Lappen geht. Gleichzeitig wird die Verkehrssituation in Dresden nicht besser und der Anblick einer ewig nicht fertig werdenden Baustelle macht die Stadt auch nicht gerade attraktiver. Mit anderen Worten: Kohle weg und der Tourismus findet es auch nicht so geil. Insider schätzen, dass schon jetzt - also noch vor dem bevorstehenden Genehmigungsverfahren - bei zurückhaltender und vorsichtiger Berechnung die Kosten für die Brücke nicht um 20-25 Millionen Euro gestiegen sind, sondern eher um 35-50 Millionen. Der Kaufpreis der Brücke läge damit schon jetzt bei uneinholbaren 200 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der Bau der vierten Röhre des Elbtunnels in Hamburg, einer hochmodernen, über drei Kilometer langen Elbquerung in 30 Meter tiefem Wasser, hat gerade mal 500 Millionen Euro gekostet. Die Gesamtlänge der Brücke (mit allen Anfahrten, Zufahrten, Über- und Unterquerungen und so weiter) in Dresden soll 636 m betragen.

Die Mit dem Bau versprochenen Vorteile für die einheimischen Unternehmen sind auch mehr als umstritten, mußten doch beauftragte Kleinunternehmen der Region wegen Überforderung Hilfe ausländischer Partner in Anspruch nehmen. Die Gelder bleiben damit eher nicht in Deutschland. Einige dieser Aufträge sind bis heute nicht vollständig abgewickelt und lassen weitere - teure - Verzögerungen erwarten. Meine ganz eigene Vermutung ist, dass die Brücke bei Fertigstellung ungefähr um das Jahr 2020 herum ca. 250 Millionen Euro gekostet haben wird.

Ach ja. Es steht bereits jetzt fest, dass auf der Brücke - so sie denn irgendwann mal fertiggestellt und freigegeben wird - in beide Fahrtrichtungen Tempo 30 gilt.

4 Kommentare:

  1. Informativer und - solange man nicht in Dreseden wohnt - amüsanter Artikel mit effektvollen Schlusssatz.
    Entgegen meiner Gewohnheit dir sonst alles abzukaufen, weil es mir zu mühselig ist, deine leider nicht angegeben Quellen zu hinterfragen, musste ich da mal den Grund für das Tempolimit nachgoogeln.
    Meiner Meinung nach hättest du schon unterbringen sollen, dass selbiges nur des Nachts (und nur im Sommer) gilt. Übrigens zum Schutz einer Fledermausart, die Autos mit über 60km/h nicht ausweichen kann.
    Das Problem wäre also vermutlich auch im Tunnel aufgetreten.
    Sorry, aber da bleibt bei mir ein fader Beigeschmack: Wenn der Schlussatz schon etwas voreingenommen geschrieben ist, ist dann der restliche Artikel auch etwas befangen? Und wie steht es um die anderen Artikel?
    Bleib doch bitte etwas objektiver, ich lese deine Einträge gerne und freue mich, dass du wieder blogst.

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  2. 'Tschuldigung, aber bei der Sache mit der Brücke über die Elbe kann ich nicht vollkommen objektiv bleiben. Dermaßen gehäufter politischer Unfug, wie da verzapft wurde und wird, gehört nicht nur bestraft, sondern auch veralbert - sonst wird er unerträglich. Wenn das Gehabe dort nicht kritisiert wird, macht es Schule und das gilt es zu verhindern. Übrigens frage ich mich, wieso das eine Fledermausart betreffende Tempolimit in einem Tunnel gelten soll? Oder handelt es sich um eine tauchende und sich durch Mauerwerk grabende Unterart? ;-)

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  3. Nein, natürlich nicht. Ich kenne ja auch die örtlichen Gegegebenheiten nicht, aber aus Kostengünden werden die Tunneleingänge nicht weit weg vom Brückenkopf sein (wo die anscheinend rumfliegen) und bekanntlich verirren sich dann auch gerne mal so Fledermäuse in Tunneln oder nisten sich gar dort ein (wobei ich nicht weiß ob man letzteres durch spezielle Bauweise verhindern kann).
    Deswegen meine Vermutung, dass die Naturschützer das Tempolimit wohl auch in einem Tunnel durchsetzen hätten können.

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  4. Grad im Vorbeilesen noch einen faktischen Fehler in deinem Artikel gefunden:
    "(...) die UNESCO strich das Elbtal als erstes Weltnaturerbe überhaupt wieder von der Liste."
    Das erste aberkannte Weltkulturerbe ist ein Wildschutzgebiet im Oman, das Dresdner Elbtal ist das zweite.

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