Freitag, 5. Februar 2010

Qualitätsjournalismus

Die Süddeutsche Zeitung begann heute in ihrer online Ausgabe eine Serie über den Journalismus von heute. Die vielversprechende Überschrift "Wozu noch Journalismus?" machte mich neugierig und ich hoffte auf Einsichten und Ansichten, die sich mit den Problemen des Journalismus als solchem beschäftigen. Mit der Arbeit der Journalisten, den Schwierigkeiten, mit denen sie in der modernen, vernetzten, westlich geprägten Medienwelt konfrontiert sind. Ich hoffte auf eine selbstkritische Betrachtung der eigenen Arbeit. Vielleicht sogar auf Vergleiche des eigenen Schaffens mit Größen der Vergangenheit. Leider vergebens.

Stattdessen lässt sich die Serie darüber aus, wie sehr die Branche der Publizisten, der Verleger, der Medienoutlets, Zeitungen, Sender und so weiter leidet. Der gierige Konsument, der Leser, verlangt vom armen Journalisten ständig neue Formate, ständig Neuigkeiten und Neuerungen. Natürlich für lau. Böse, ganz böse. Dabei tut der fleißige Journalist doch alles, um die johlende Menge zu beglücken. Aber nie sind die Massen zufrieden und in immer geringerem Umfang sind sie bereit, für guten Journalismus zu bezahlen.

Ich nehme mir die Freiheit zu behaupten, dass das Publizieren sicherlich ein wichtiger Aspekt des Journalismus ist. Ohne Publikation ist die Arbeit des recherchierenden und schreibenden Journalisten sinnlos. Ich zweifle auch überhaupt nicht an, dass Journalismus und Publikation Geld kosten, sogar viel Geld. Ich bezweifle aber nachdrücklich, dass die Bereitschaft zurückgeht, für guten Journalismus auch Geld zu bezahlen.

Ich bezweifle sehr, dass die grundsätzliche Qualifikation der Journalisten, ihre Kompetenz, in den letzten Jahren so dermaßen nachgelassen hat, wie es das Gejammer vermuten lässt. Auch bezweifle ich, dass sich der Qualitätsanspruch der Konsumenten in derselben Zeit so drastisch vergrößert hat, dass die Journalisten vor der unlösbaren Aufgabe stehen, mit ihren geschrumpften Fähigkeiten den gewachsenen Ansprüchen zu genügen. Das Problem ist meiner Ansicht nach weniger das, was die Journalisten schreiben können und wollen. Dazu gibt es viel zu viele herausragende Beispiele hervorragender journalistischer Arbeit in allen Bereichen, überall auf der Welt. Nur eben nicht mehr ausschließlich bei den "klassischen" Wasserlöchern der Medienlandschaft.

Was den Leser stört, das sind ganz andere Dinge. Sicher, die Bereitschaft und Befähigung Texte lesen zu können und zu wollen hat in der modernen Gesellschaft unbestritten insgesamt nachgelassen. Jugendliche von heute haben oft - das wurde in etlichen Studien nachgewiesen - zum Teil erhebliche Defizite beim Lesen. Viele empfinden das Lesen von Texten als "nervig", "anstrengend", "unaufregend". Jeder kann in seinem eigenen Umfeld mit Leichtigkeit entsprechende Beispiele finden. Da sind Kollegen oder Bekannte, die sich schlichtweg weigern, mehr als drei Zeilen lange Emails zu lesen - angeblich, weil sie keine Zeit dazu haben - gleichzeitig aber problemlos stundenlang mit irgendwem telefonieren und über das Wetter, die Gesundheit der eigenen Frau oder andere Beliebigkeiten ausgiebig zu debattieren. Dazu haben sie offensichtlich Zeit. Da sind Schüler, die sich über gestellte Hausaufgaben beschweren, weil das Lösen voraussetzt, mehrere Seiten Text zu lesen und zu verstehen. Dieselben Schüler haben aber überhaupt keine Probleme damit, sich selbst komplizierteste Handhabungen irgendwelcher Geräte oder Spiele in akribischem Selbststudium bis zur Perfektion anzueignen. Das ist Fakt, keine Spekulation.

Wo die Gründe dieser Veränderungen liegen? Wirklich sicher weiß das wohl im Augenblick noch niemand. Die Schuld - wenn man denn von Schuld reden darf - liegt sicher nicht bei einer einzelnen Person oder einer einzelnen Gruppe. Sicher werden die Verbreitung moderner Medien (Fernsehen, Internet) eine Rolle spielen, die Defizite des Bildungssystems ebenso, aber genauso die Veränderung der Medienkompetenz der Erziehungsberechtigten, politische Entscheidungen, wirtschaftliche Entwicklungen und so weiter. Kurz: Die Ursache dürfte eher in der Gesellschaft insgesamt zu suchen sein und es wird mit Sicherheit nicht "die eine Ursache" geben, sondern einen ganzen Sack voll. Eine der Ursachen wird aber auch dort zu suchen sein, wo jetzt über grassierende Fehlentwicklungen im Konsumverhalten gejammert wird, nämlich bei den Medien selbst.

Tageszeitungen sind eine Einrichtung, die ich für meinen Teil seit inzwischen fast 30 Jahren täglich konsumiere und sehr schätze. Die hier am Ort erscheinende Lokalzeitung war in der Anfangszeit mein alltäglicher Begleiter und auch heute werfe ich noch gerne einen Blick dort hinein, allerdings aus völlig anderer Motivation als noch vor vielen Jahren. Damals war diese Zeitung für mich Quelle aktuellster Informationen. Es gab noch kein für die Masse verfügbares Internet und das Fernsehen kannte noch Sendeschluss und war begrenzt auf drei überregionale und einen, vielleicht zwei lokale Sendeanstalten, letztere mit zeitlich noch stärker begrenztem Sendebetrieb.

Vergleiche ich diese Tageszeitung heute mit Ausgaben von früher, dann fallen mir einige gravierende inhaltliche Unterschiede auf. Das beginnt schon bei der frappierenden Diskrepanz der Aktualität. Was im Internet heute heiß debattiert wird, was heute DIE Schlagzeile ist, braucht in der Regel drei Tage, bis es in "meiner" Lokalzeitung erscheint. Ok, brandheiße Themen, die Deutschland betreffen, stehen hin und wieder schon mal am selben Tage, meistens jedoch erst am Folgetag drin. Wo ist die Aktualität der Tageszeitung geblieben? Hat man dort keinen Zugang zum Internet?

Die Artikel von heute wirken lieblos dahin geklatscht. Rechtschreibung wird manchmal, nach einem scheinbar zufälligen Prinzip, mal beachtet, mal ignoriert. Besonders bei Worttrennungen und der Verwendung von Apostrophen und Bindestrichen legt (nicht nur) diese Zeitung zuweilen interessante Kreativität an den Tag (Wer hätte gedacht, dass das Wort "wenn" getrennt werden kann? Und wer hätte gewusst, dass die Trennung nach dem "e" erfolgt?)

Sicher, die Rechtschreibreformen haben der Sicherheit in der Benutzung der deutschen Sprache keinen Gefallen getan. Ich weiß das aus meiner eigenen Erfahrung nur zu genau. Aber heute gibt es große und mächtige Rechtschreibkorrektursysteme. Nicht nur solche, die bei den Textverarbeitungen mitgeliefert werden, sondern noch viel komplexere, die unabhängig von der verwendeten Textverarbeitung eingerichtet und angepasst werden können. Mit anderen Worten: Waren früher Rechtschreibfehler in der Zeitung die seltene Ausnahme, sind sie heute schon fast normal. Meine Deutschlehrer von damals rieten uns, anhand von Artikeln aus dieser Zeitung unsere eigene Rechtschreibung zu üben. Heute warnen sie davor.

Ist die Rechtschreibung ein unwesentliches Detail? Grundsätzlich ja. Das Beachten der geltenden Rechtschreibung hat überwiegend wenig Einfluss auf den Inhalt des Textes. Aber es gibt Grenzen. Ein falsch gesetztes Komma kann die Aussage eines ganzen Textes umdrehen. Abgesehen davon gibt es aber noch einen eher subtilen Effekt beim Konsumenten: Wenn sich die Schreiber schon bei der Rechtschreibung keine Mühe geben, geben sie sich denn bei der Recherche Mühe? Jeder kann bei sich selber beobachten, wie sich seine eigene Wahrnehmung in Bezug auf die Wichtigkeit, Glaubwürdigkeit und Richtigkeit eines Textes im Zusammenhang mit Wortwahl und Rechtschreibung verändert.

Die Sprache in den Medien hat sich ebenfalls stark gewandelt. Neben der Beachtung der korrekten Schreibweise hat sich auch der Gebrauch der Sprache insgesamt stark verändert. Besonders im Fernsehen lassen sich besonders leicht massive Veränderungen beobachten. Dazu muss nicht einmal mit der Lupe gesucht werden. Es reicht die "Nachrichten"sendungen privater Rundfunkanstalten mit der Tagesschau zu vergleichen oder die Sendungen der Tagesschau von heute mit denen aus dem Archiv. Der Unterschied im Sprachgebrauch ist frappierend. Auch das hat Auswirkung auf die Wahrnehmung. Anglizismen und Superlative mögen als Stichworte reichen.

Nicht nur die sprachliche Form des Vortrages hat sich verändert. Insgesamt hat sich verändert, was überhaupt vorgetragen wird. Egal welches Medium, egal ob Zeitung, Fernsehen, Radio oder Webseite, fast ausschließlich wird über Negatives, über Katastrophen, Verschlechterungen und Dramen berichtet. Der Eindruck entsteht, dass positive Meldungen einer Berichterstattung nicht wert sind. Sicher, auch früher wurden die negativen Nachrichten besonders in den Vordergrund gerückt, aber ich habe den Eindruck, dass inzwischen ausschließlich über das Schlechte berichtet wird und ich habe auch den Eindruck, dass das eine Art "Spezialität der Deutschen" ist. Besonders fällt mir das auf, wenn ich amerikanische mit deutschen Nachrichten vergleiche.

Abgesehen vom (wahrgenommenen) Fokus auf negative Themen und deren Präsentation fällt mir aber noch etwas sehr negativ auf. Informationen werden in einer Art verkürzt und überspitzt, die mit "Qualitätsjournalismus" nicht mehr viel zu tun haben kann. Besonders negativ fällt mir das immer wieder bei der Berichterstattung über Afghanistan, Irak, den Mittleren Osten und so weiter auf. Opferzahlen werden nahezu willkürlich zusammenspekuliert, Namen werden nach eigenem Gutdünken heute so, morgen ganz anders präsentiert. Abkürzungen werden schon fast "nach Art des Chefkochs" eingestreut, egal ob sie irgendwas mit dem Thema zu tun haben oder überhaupt irgendwem geläufig sind, Hauptsache Abkürzung. Wenn es eine aus dem englischen Sprachraum ist, um so besser. So wirkt es jedenfalls.

Auch das ist keinesfalls erfunden. Alleine die Vielfalt der in den Medien zu findenden Schreibweisen von "al-Qaida" ist ebenso verblüffend wie kreativ. Der sorglose Umgang mit Zahlen lässt sich auch leicht belegen. So berichtete ein privater Nachrichtensender über den (hinlänglich zu Tode diskutierten) Bombenangriff auf die Tanklaster in Afghanistan, dass auf Anforderung des deutschen Oberst "zwei 500 Pfund Bomben" abgeworfen wurden. Das deckte sich sowohl mit den offiziellen Angaben des Militärs als auch mit der Berichterstattung anderer Medien. Nicht ganz zwei Wochen später waren daraus an selber Stelle "tonnenschwere Bomben" geworden. Wer versucht herauszufinden, wie viele Opfer denn nun bei diesem Angriff ungefähr zu beklagen waren, wird schon nach kurzer Zeit frustriert aufgeben: Zu groß ist die Spanne der in den Medien kommunizierten Zahlen, Tendenz eher nach oben als nach unten.

Die Neigung das Drama zu übertreiben, sich irgendwie die größte Zahl aus den Fingern zu saugen, trägt nun wirklich nicht dazu bei, dass der Konsument der Berichterstattung mehr "glaubt". Besonders der offensichtliche Wettkampf um "wer hat die meisten Opfer gezählt?" ist da eher kontraproduktiv. Ein geflügeltes Wort meiner Generation, das dieses Mediengehabe sehr treffend umschreibt, lautet "Bild sprach zuerst mit dem Toten". Heute kann man allerdings getrost "Bild" als Synonym für nahezu jeden Sender oder Verlag einsetzen. Ob das der Wahrnehmung des Journalismus als "qualitativ hochwertige Arbeit" hilft? Ich habe da so meine Zweifel.

Selbst wenn auch über diesen Punkt hinweggesehen und dem Konsumenten abverlangt wird, dass er sich eben jene Medienkompetenz aneignen müsse, für sich selber glaubwürdige von unglaubwürdiger Berichterstattung zu trennen: Wären es Ausnahmen, einige wenige, die zu diesem Verhalten neigten, keiner beschwerte sich. Vielmehr ist es aber inzwischen mehr die Ausnahme, sich daran nicht zu beteiligen. Wie der Konsument da überhaupt eine Chance haben soll sich halbwegs verlässliche Fakten zu verschaffen, ist wohl nicht nur mir ein Rätsel.

Damit aber nicht genug. Immer wieder werden komplexeste und komplizierteste Zusammenhänge auf die Länge einer Randnotiz verkürzt. Wer nicht gerade über ein einigermaßen umfangreiches Hintergrundwissen verfügt, hat bei den allermeisten Berichterstattungen in den allermeisten Medien von heute nahezu keine Chance zu verstehen, was da eigentlich vermittelt werden soll und zieht meistens seine eigenen - nur leider ebenso meistens falschen - Schlüsse. Hintergrundinformationen sind in der Medienlandschaft von heute eher die Ausnahme als die Regel. Erfreulich ist aber, dass gerade in der Branche der Zeitungen genau jene rühmlichen Ausnahmen zu finden sind, die die Verwendung des Begriffs "Qualitätsjournalismus" überhaupt noch erlauben.

Eine Entwicklung, die dem Konsumenten im Laufe der Zeit immer stärker negativ auffällt, ist das Verhältnis Werbung zu Inhalt. Um wieder auf meine ortsansässige Tageszeitung zurückzukommen: Inzwischen wirkt es, als hätte die Quote von offensichtlicher Werbung zu redaktionellem Inhalt die magische Grenze von 50:50 schon lange hinter sich gelassen. An manchen Tagen sind die zusätzlich in das Blatt hineingezwängten Werbebeilagen fast voluminöser als die eigentliche Zeitung. Mich hat es von Anfang an mehr als nur am Rande genervt, dass ich für Werbung auch noch bezahlen soll. Klar, irgendwie muss sich auch diese Zeitung finanzieren. Aber Leute, mal ehrlich: Inhalt lässt nach, Qualität ist eher Glückssache und dafür nimmt der Anteil Werbung explosionsartig zu? Und das soll ich gut finden? Wohl kaum.

Damit nicht genug. Zunehmend sind in fast jeder Publikationsform, egal ob TV, Internet oder Print, Artikel zu finden, die plump getarnte Werbung sind. Egal ob Berichterstattung über Kameras, Toaster, Autos: Überall sind sie zu finden. Besonders auf den Webseiten der Printpresse sind Testberichte, Einkaufsberater und so weiter in Massen zu finden, die natürlich vollkommen neutral, immer nur an Fakten entlang und immer objektiv geschrieben sind. Selbstverständlich wird niemals ein bestimmter Hersteller bevorzugt. Wer hier vermutet, es gäbe etwa so etwas wie einen Markt dafür, wer unterstellt, dass Firmen etwa dafür bezahlen könnten, dass über sie und ihre Produkte positiv berichtet wird, der unterstellt den Medien bestimmt etwas völlig Unhaltbares.

Für wie doof halten die Medien den Konsumenten eigentlich? Erst mit Werbung zu müllen, dann auch noch Werbung als "sauber recherchierten Inhalt" verkaufen wollen. Als Selbstversuch mag sich der geneigte Leser nur mal den aktuellen "Vergleich" der Kompaktkameras bei SPON, Leica vs. Ricoh ("So gut fotografieren die Luxus-Zwerge"), besonders das Fazit, zu Gemüte führen. Anschließend dann die mit den Kameras gemachten Aufnahmen (Fotostrecke) - Stichwort ISO - mit dem Fazit des Autoren vergleichen und sich dann fragen, was das mit "Journalismus" zu tun hat.

Abgesehen von dieser rein auf den Konsumenten abgestellten Beobachtung gibt es aber noch eine, die vielen nicht bekannt ist. Und das ist der Umgang der Medien mit ihren Journalisten. Um wieder exemplarisch bei meiner lokalen Tageszeitung zu bleiben: Früher waren dort Redakteure und Reporter (Journalisten) fest angestellt. Es gab eigene Redakteure für jeden Bereich und jeder hatte eigene Journalisten, die für ihn arbeiteten. Heute? Die Anzahl der Redakteure wurde gut halbiert, eigene Journalisten beschäftigt das Blatt gar keine mehr. Die Zuständigkeiten wurden so erweitert, dass jeder "Redakteur" mehrere Bereiche abdeckt. Beiträge werden ausschließlich von "freien Mitarbeitern", sogenannten "Freelancern", geschrieben. Das Lektorat fiel komplett weg und eigene Bildredakteure hat man gar nicht mehr.

Generell das Thema "Redakteure". Über eine Zeitung in Dallas / USA wurde neulich bekannt, dass die redaktionelle Zuständigkeit ab sofort nicht etwa mehr bei denjenigen Mitarbeitern liegt, die zum Beispiel ein Studium in Journalismus absolviert hätten und über besondere fachliche Qualifikationen verfügen und deshalb Redakteure bzw. Chefredakteure waren. Weit gefehlt. Die so qualifizierten Mitarbeiter, die bis dato diese Posten besetzt hatten, waren entweder "degradiert" oder gefeuert worden. Stattdessen wurden Buchhalter, Marketingexperten und Finanzspezialisten auf diese Positionen gesetzt. In einer Stellungnahme zu dieser Maßnahme wurde ganz offen argumentiert, dass nur auf diese Weise sicherzustellen sei, dass die Berichterstattung der Zeitung zu den Interessen der Kunden passe.

Eine Ausnahme? Schön wär es ja. In einem Buch über Rupert Murdoch und seine Rolle beim Wallstreet Journal stand jüngst zu lesen, wie jener Medienmogul über die Rolle der Presse denkt. Sinngemäß wird er dort so zitiert: "Objektivität hat in den Medien von heute keinen Platz mehr." Objektivität ist nicht nur für mich ein maßgeblicher Bestandteil von "Qualitätsjournalismus". Wem das Wallstreet Journal zu weit weg ist: Einfach mal ein wenig zum Thema Bildzeitung und Objektivität eine Suchmaschine eigener Wahl befragen. Oder mal Nachrichtenbeiträge des privaten Fernsehens auf ihre Objektivität hin abklopfen. Eimer nicht vergessen.

Es kommt aber noch besser. Dass Fotografen und Bildredakteure von den Medien immer weniger gern für ihre Arbeit entlohnt werden und stattdessen immer häufiger gefragt oder ungefragt auf Arbeiten aus dem Internet zurückgegriffen wird, ist bekannt. Auch jene Aufrufe "schicken sie uns ihr tolles Foto und wir machen eine News daraus" hat wohl noch jeder einigermaßen präsent. An dieser Stelle endet die Kostenoptimierung aber nicht. Über die Times wurde kürzlich bekannt, dass sie ihren Freelancern einen ganz besonderen Service anbietet. Wer sein Geld haben will, der muss dafür in Abhängigkeit zum Zahlungsziel einen Prozentsatz des Gehalts an die Times zahlen. Die Spanne reicht bis zu vier Prozent für Zahlungen nach drei Tagen und geht danach runter auf 0,5% bei einem Zahlungsziel von 25 Tagen. Mit anderen Worten: Ich bezahle meinen Arbeitgeber dafür, dass der mich bezahlt. Man muss nicht besonders kreativ sein, um sich die Folgen dieses Gebarens auf den "Qualitätsjournalismus" vorzustellen.

Nun ist es ja nicht so, dass es keinen Journalismus mehr gäbe. Es ist auch nicht so, dass niemand mehr von seiner Arbeit in dieser Branche leben kann. Es ist aber wohl so, dass die Gewinnmargen der Finanziers irgendwie nicht mehr steigen. Stagnierende Gewinne sind aber chronisch unbeliebt bei Leuten, die ihr Geld arbeiten lassen. Es ist nicht verboten, sein Geld gewinnbringend zu investieren und ich will auch nicht darüber diskutieren, ob es moralisch richtig ist oder nicht oder ob Journalismus eine Sache der moralischen Überzeugung sein sollte. Sicherlich soll und darf man mit Journalismus Geld verdienen. Ich würde mit meiner Knipserei und Schreiberei auch gerne ein paar Cent verdienen. Es gibt wohl nur wenige, die das pauschal in Abrede stellen und den Wunsch nach Entlohnung für geleistete Arbeit als etwas Böses ansehen. In Bezug auf den Journalismus sind es aber besonders die von mir in diesem Artikel zusammengefassten Beobachtungen, die bei mir die Frage aufkommen lassen, wofür ich denn eigentlich bezahlen soll?

Ich bin gerne bereit für die FAZ, die Süddeutsche, die Rheinische Post, den Spiegel und eine Reihe Magazine Geld auszugeben - aber nur für die gedruckte Version. Die Artikel in diesen (und einigen nicht genannten Publikationen) ist auf dauerhaft hohem Niveau. Allerdings ist mir der qualitative Unterschied zwischen den Print- und Onlineausgaben viel zu groß als dass ich bereit wäre, für die Onlineangebote auch nur einen Cent auszugeben. Es ist inzwischen sogar so weit gekommen, dass ich Onlineangebote einiger Medienunternehmen nur noch dann für bare Münze nehme, wenn ich sie an anderer Stelle belegt finde. Besonders die sogenannte "Blogosphäre" bietet eine gewaltige Menge hervorragender journalistischer Arbeit, hinter der die Leistung der jetzt laut jammernden Unternehmen zuweilen meilenweit zurück bleibt.

Es ist also nicht so, dass es keinen echten, guten, fesselnden, in die Tiefe gehenden Journalismus mehr gäbe. Ich habe eher den Eindruck, dass das Herangehen der meisten Unternehmen falsch ist, indem sie den eigenen Gewinn als gottgegeben ansehen und davon ausgehen, dass durch Steigern des Werbeanteils und Einsparen beim Personal nicht nur ein gleichbleibendes Qualitätsniveau bewirken, sondern auch beim Kunden unbemerkt und Widerspruchslos hingenommen werden.

Kann natürlich auch sein, dass ich wiedermal alles falsch verstehe.

2 Kommentare:

  1. Das was Du da schreibst kann man übrigens fast 1:1 auf andere Branchen übertragen. Da gehts dann zwar um etwas anderes, aber die Problematik ist z.B. bei Bildungsträgern vergleichbar. Wer schon einmal in einer beruflichen Weiterbidung war, hat vielleicht eine Vorstellung davon.

    AntwortenLöschen
  2. Hm.
    Die Nachfrage bestimmt das Angebot, gäbe es genug Leute mit einer solchen Sichtweise würde es auch Haufenweise gute Printmedien geben. Welche allerdings die Zeitung mit der höchsten Auflage ist brauch ich dir wohl nicht sagen.

    AntwortenLöschen

Bedingt durch die DSGVO müssen Kommentare zu Beiträgen der Tapirherde manuell freigeschaltet werden, um um der Veröffentlichung von Spam-, Hass- oder sonstiger unerwünschten Kommentaren vorbeugen zu können. Die Veröffentlichung eines Kommentars kann deshalb ein wenig dauern. Sorry dafür.
Wenn Sie Beiträge auf Tapireherde kommentieren, werden die von Ihnen eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. die IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Weitere Infos dazu finden Sie in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.