Mittwoch, 24. Februar 2010

Lauscher an der Wand...

Gerne wird uns dummen Konsumenten vorgegaukelt, dass unsere "Sicherheit" immer und überall im Mittelpunkt des Interesses aller Firmen stehe. Datenschutz, Verbraucherschutz, Gesundheit, Kriminalität, Terrorismus sind die die prominenten Schlagworte, die jede Firma, die etwas auf sich hält, auf die eine oder andere Art zum Gegenstand ihrer "herausragenden Produkteigenschaften" oder zumindest ihrer Firmenphilosophie erklärt.

Manchmal geht das mit der Sicherheit aber auch zu weit, wie aktuell die Vorgänge rund um die "Diebstahlüberwachung" der an die Schüler ausgegebenen Laptops im Lower Merion School District (Pennsylvania, USA) zeigen. Jene Schule (Highschool) stellt ihren Schülern kostenlos Laptops der Firma Apple zur Verfügung. Um - wie die Schulbehörde sagt - gestohlene Laptops wiederzufinden, wurde auf den Geräten eine Software entwickelt, mit der sich über das Netz verschiedene Überwachungsfunktionen aktivieren lassen. So können z. B. das eingebaute Mikrofon und die Kamera angeschaltet und die aufgenommenen Dateien über das Netz abgerufen werden.

Das Besondere an diesem speziellen Fall ist, dass diese Software offenbar nicht nur zum Auffinden von gestohlener Hardware benutzt wurde, sondern in mindestens einem Fall, um einen Schüler zu Hause zu überwachen und ihm dann aufgrund seines angeblichen und umstrittenen Fehlverhaltens in der Schule abzumahnen (BoingBoing berichtet). Der Vorfall sorgt in den USA für großes Aufsehen, denn von dieser faktischen Möglichkeit der Überwachung seitens der Schule haben weder die betroffenen Schüler, noch deren Eltern etwas gewusst, noch haben sie dem zugestimmt. In der Sache ist inzwischen Klage eingereicht worden und auch das FBI ermittelt.

Wenn in Deutschland überwacht wird, denken wir auch sofort an Behörden. "Zensursula" und "Stoppschilder" sind die aktuellen Stichworte, bei denen jeder sofort ein bestimmtes Bild und eine eigene Meinung im Kopf hat. Die Diskussion in Deutschland dreht sich daher auch in erster Linie um Staat gegen den Bürger. Wenn es um den weiter gefassten Begriff "Datenschutz" geht, dann denken wir schon auch an Firmen, aber da dann doch in erster Linie an den Umgang der Firmen mit den von uns mehr oder weniger freiwillig herausgegebenen Daten. Facebook, Google und Payback sind zwei einigermaßen prominente Beispiele hierfür. Ein aktueller Fall in England zeigt, dass wir ein wenig weiträumiger denken sollten.

Im Inselkönigreich auf der anderen Seite des Kanals sorgt gerade auf höchster politischer Ebene das Vorgehen der Zeitung "News of the World" von Rupert Murdoch für erhebliches Aufsehen. (Guardian berichtet). Diese in England sehr populäre Zeitung hat offenbar seine Mitarbeiter im großen Stil Mobiltelefone "hacken" lassen, um so an Storys zu kommen. Ein Mitglied des Parlaments wird mit den Worten zitiert:
(the illegal actions of the newspaper) "went to the heart of the British establishment, in which police, military royals and government ministers were hacked on a near industrial scale"
Ein 167 Seiten umfassender Bericht liegt einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss vor, in dem offengelegt wird, in welchem Umfang die Zeitung ihre Reporter Mobiltelefone von Anghörigen des Militärs, der Regierung und des britischen Königshauses abhören ließ. Die Mitarbeiter der Zeitung wiederum, speziell die verantwortlichen Entscheidungsträger, scheinen urplötzlich unter kollektivem Gedächtnisverlust zu leiden und versuchen die Verantwortung einem einzelnen Mitarbeiter zuzuschieben. Das jedoch wird angesichts des Umfangs der illegalen Abhörmaßnahmen von jedem bezweifelt. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass gerade solche umfangreichen… nun, nennen wir es mal "Ermittlungen" nicht auf dem Mist eines Einzelnen gewachsen sein können. Die Zeitung wiederum sieht sich natürlich durch eine politische Hetzkampagne verleumdet und ist sich keiner Schuld bewusst.

Man sollte sich daran erinnern, dass Herr Murdoch nicht in dem Ruf steht, dass er sich nicht dafür interessiert, was in seinen Firmen los ist. Auch sollte man sich daran erinnern, dass das Verhalten des Medienmoguls schon mehrfach als "offensiv" und auf das Ausweiten seiner Macht, sowie mehr oder weniger direkte Einflussnahme auf die Politik nach seinen Vorstellungen und zu seinem Vorteil beschrieben wurde. Unvergessen das unwidersprochene Zitat, nachdem seiner Meinung nach Objektivität im Journalismus in der heutigen Zeit keinen Platz mehr hat.

Wie auch immer der Fall in England ausgehen mag: Wir sollten uns an die Vorstellung daran gewöhnen, dass die größte Gefahr der Überwachung eher nicht vom Staat ausgeht, denn der wird kontrolliert (Stichwort Gewaltenteilung und Rechtsgrundlagen etc.) - zumindest bei uns ist das so. Wer aber kontrolliert die Firmen? Kameras in Supermärkten und anderen Geschäften sind inzwischen nahezu omnipräsent und welcher Laden weist seine Kunden schon auf die Kameraüberwachung hin? Wenn die Medien, die gerne auch als "vierte Macht im Staat" bezeichnet werden, neben den umstrittenen Methoden der Datensammlung ganz offen zur Spionage greifen, dann frage ich mich, welchen Methoden und Mechanismen wir hier sonst noch so unterworfen sind. Das wiederum lässt mich fragen, welche gesellschaftlichen Konsequenzen für die Rolle der Medien daraus folgen und ob wir es uns angesichts solcher Entwicklungen wirklich leisten können, die Medien vollkommen unkontrolliert und ohne Überwachung agieren zu lassen, denn: Jedes Freiheitsrecht - und damit auch und ganz besonders das Recht auf Pressefreiheit - findet dort seine Grenzen, wo es die Freiheit eines anderen verletzt.

Ich bin gespannt, ob im Zuge dieser Geschichte und der übrigen angeblichen und tatsächlichen Skandale insgesamt eine Diskussion über die Rolle der Medien, ihre Funktionen und ihre Grenzen in Gang kommt, denn umgekehrt ist ja - das zeigen uns Hessen und die Vorgänge im ZDF - die unverhohlene und überaus fragwürdige Beeinflussung Instrumentalisierung der Medien durch Politiker als Betätigungsfeld für ihr eigenes Machtstreben auch nicht gerade "gering" und daher mehr als diskussionswürdig.

Beonders nachdenklich macht mich dabei, wie gering das Unrechtsbewustsein bei den Verantwortlichen ausgeprägt ist. Egal ob nun die CDU beim ZDF, Facebook bei den Daten oder News of the World bei den Telefonen. Irgendwie läuft da etwas aus dem Ruder, das mir erhebliche Sorgen bereitet.

[Update] Der Stern berichtet: "(d)as Privatleben von Berliner Spitzenpolitikern ist systematisch ausspioniert worden." und zwar durch das Magazin "Bunte" aus der Verlagsgruppe Burda, zu der wiederum 260 Magazine gehören. Die Chefredakteurin der Bunte, Patricia Riekel, räumte auf Anfrage des Stern ein, "entsprechende Recherchen zum Privatleben der Politiker" in Auftrag gegeben zu haben.

1 Kommentar:

  1. Ich habe gerade letztens auch diesen Bericht über die Laptops gelesen...Man stelle sich vor man ist eine Schülerin, die grade stolze Besitzerin eines solchen Gerätes geworden ist und eben jenen grundsätzlich unverschlossen in ihrem Zimmer stehen hat(einer der beschriebenen Fälle, bei dem sich eine Mutter zurecht extrem aufgeregt hat). Ich meine warum ausgerechnet ein Programm installieren mit dem man die Kamera aktivieren kann? Hätte nicht evtl auch etwas simpleres wie ein Peilsender oder was weiß ich ausgereicht? Ich finde das ist eine ziemliche Schweinerei!

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