Dienstag, 19. Februar 2008

Notwendiger Abschuss?

Standard Missile M3 Start - WikipediaDie USA wollen einen Satelliten abschießen. Einen eigenen, wohlbemerkt, der bereits kurz nach dem Start den Geist aufgegeben hatte. Bekannt ist, dass er ein Spionagesatellit ist und dass sich in seinem Tank noch Treibstoff befindet. Die US-Regierung will diesen Satelliten auf jeden Fall abschießen (lassen, vom Militär), nur stellt sich irgendwie die Frage warum? Die USA behaupten, dass der Treibstoff gefährlich werden könnte und auch die Trümmer des Satelliten würde für Menschen im Absturzgebiet unter Umständen ein Risiko bedeuten.

Die USA lassen deshalb gerade mit Hochdruck drei eigens umgebaute Raketen vom Typ "Standard Missile 3" an verschiedene Schiffe liefern, mit denen der Satellit von nahe Hawaii aus im erdnahen Orbit abgeschossen werden soll. Allerdings muss man sich diesen Abschuss nicht so vorstellen, wie den eines Flugzeugs, denn der Satellit kommt so oder so runter, egal ob nun mit oder ohne Rakete. Der Raketentreffer wird - im günstigsten Fall - den Satelliten in viele kleine Trümmer zerlegen, die dann im Idealfall in der Atmosphäre verglühen. Das ist allerdings nicht besonders wahrscheinlich.

Der Satellit wiegt rund 2,2 Tonnen, der sogenannte "Interceptor" knapp 10 Kilogramm. Der Satellit hat die Größe eines kleinen Busses. Es ist anzunehmen, dass der Interceptor dem Satelliten nicht viel anhaben wird, vielleicht ein Loch hineinsprengen, mit ganz viel Glück den Satelliten in mehrere Teile zerlegen kann. Allerdings wird sich der "Rest" - egal in welchem Zustand - danach noch immer auf derselben Umlaufbahn bewegen wie vorher.

Gehen wir mal davon aus, dass der Satellit in einige Teile zerplatzt. Kleinere Teile werden in der Atmosphäre verglühen, größere Fragmente werden aber sehr wahrscheinlich trotzdem "unten" ankommen. Viel problematischer sind aber die Trümmer, die in die andere Richtung gesprengt werden. Bei den Geschwindigkeiten im Orbit sind selbst Farbsplitter ein gravierendes Problem: Energie ist Masse multipliziert mit Beschleunigung. Bei 23.000 km/h, mit denen der Satellit da oben rumschrotet, werden die abgesprengten Trümmer kaum langsamer sein und eher zum Problem als zu einer Lösung. Trümmer in den erdnahen Umlaufbahnen sind zunehmend ein massives Problem für die Raumfahrt und es ist keine gute Idee, den Platz da oben auch noch zusätzlich vollzumüllen.

Der Treibstoff (Hydrazin, eine Verbindung aus Wasserstoff und Stickstoff, die auch zur Herstellung von Plastik verwendet wird, weltweit werden einige hunderttausend Tonnen jedes Jahr produziert) ist zwar tatsächlich giftig, aber es ist so wenig in den Tanks, dass davon eine ernstere Gefahr ausginge. Selbst wenn man die Menge des Treibstoffes in einer Großstadt verteilte, würden wahrscheinlich nur ein paar Leute kurzfristig über Unwohlsein klagen. Selbst bei Abstürzen anderer Flugkörper, in denen zum Teil noch einige hundert Kilogramm dieses Treibstoffes in den Tanks waren, haben die USA keine Regung gezeigt und das Risiko einfach so in Kauf genommen. Als dieser Satellit außer Kontrolle geriet wurde das Risiko von Militär und Weltraumbehörden als "minimal" eingestuft.

Nun haben China und Russland gerade erst der UN vorgeschlagen, ein Verbot für Weltraumwaffen zu verabschieden. Die USA allerdings hatten vor einiger Zeit in der "neuen" Verteidigungsdoktrin klar gemacht, dass für sie auch der Weltraum zu den Kriegsschauplätzen der Zukunft gehören wird. Dort ist man von einem entsprechenden Verbot wahrscheinlich wenig angetan. China wiederum bewies "neulich" erst, dass man dort über die Technologie verfügt, um Satelliten auch vom Boden aus zu bekämpfen und düpierte so alle anderen Hightech-Staaten. Die USA brauchen schon deshalb wahrscheinlich "unbedingt" das symbolträchtige "Gleichziehen", um das aus dem Kalten Krieg bekannte "Gleichgewicht des Schreckens" aufrecht erhalten zu können.

Was also ist der Grund, weshalb die USA jetzt unbedingt diesen ohnehin abstürzenden Trümmerhaufen beschießen wollen? Der Raketenabwehrschirm? Interkontinentalraketen bewegen sich erheblich schneller und sind sehr viel unberechenbarer als Satelliten. Denkbar wäre, dass der Satellit irgendetwas enthält, was niemand in die Finger bekommen soll. Dazu müsste der Satellit aber über Land abstürzen (70% der Erde sind von Meeren bedeckt) und es müsste irgendetwas übrig bleiben, was hinterher auswertbar wäre - unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.

Meine Vermutung ist, dass die USA einerseits den Vorschlag der Russen und Chinesen torpedieren und ein Zeichen setzen wollen: "Seht her, wir können das auch und wir brauchen dazu gar keine speziellen Waffen. Wir machen das mit unserer üblichen Bewaffnung." Andererseits steht der Regierungswechsel bevor und eins ist klar: Das Militär wird unter der Onkel George folgenden Regierung mit einiger Sicherheit nicht mehr so viel Geld bekommen wie bisher. Der Raketenabwehrschirm braucht auch deshalb dringend irgendwelche Erfolge, um auch in Zukunft Argumente für weiteres Geld in der Hand zu haben.

Der Abschuss dürfte damit in erster Linie militärische Gründe haben und könnte ein weiterer Schritt zum beginnenden Wettrüsten im All sein - die Entdeckung, dass Titan eine Menge Benzin und so bereit hält, mag nur ein Hinweis auf die Motivation für das scheinbar "plötzlich" losbrechende Interesse am Weltraum sein...

1 Kommentar:

  1. Der Satellit hat vielleicht die Antwort auf die Frage nach "dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest" gefunden.

    Und den Verantwortlichen gefällt die Antwort halt nicht - weshalb also nicht alles daran setzen, die Antwort zu "vernichten"?

    Aber wird schon eher so sein, dass man einfach noch zeigen will, wo der Hammer hängt.

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