Freitag, 19. Oktober 2007

Mal so gefragt

DenkmalIn den letzten Tagen beschäftigt mich eine Frage, bei der ich nicht weiter weiß. Ich bin ehrlich ratlos, weil ich die Gründe nicht verstehe. Mein persönliches Rätsel beginnt mit der Gegenüberstellung zweier sehr ähnlicher Vorgänge. Beide sind überaus unerfreulich, denn sie drehen sich um Gewalt und Tod, um Krieg und Widerstand und letztendlich um Militär, Politik, den Staat und seine Gesellschaft.

Land A und Land B beteiligen sich trotz erheblicher Kontroverse im eigenen Land an einer Militäraktion in Land X. Außer Land A und B sind noch viele andere Länder dabei, zum Beispiel Land D, E, und F und auch Land G soll nicht vergessen sein. In allen Ländern wird die Frage diskutiert, ob der militärische Einsatz in Land X richtig ist. Eigenartigerweise meistens ausgerechnet von denen besonders intensiv, die weder jemals irgendetwas mit dem Militär zu tun hatten, noch wirklich wissen, was in Land X eigentlich los ist oder sonstwie in ihrem Leben von politischer Sachkenntnis berührt wurden.

Land A und Land B zählen zu den führenden Ländern dieser Welt. In vielen Belangen sind sie ganz weit vorne dabei. Zwar haben beide Länder so ihre Problemchen und manche Problemchen sind tatsächlich ausgewachsene Probleme mit handfesten Konsequenzen, aber im Großen und Ganzen sind beide Länder sich sehr ähnlich: Beide sehen sich als Demokratien an, beide sehen sich als wohlhabende Staaten, beide bezeichnen sich als modern, sicher, fortschrittlich und lebenswert. Trotzdem gibt es einen eklatanten Unterschied.

In Land X geht es übel zur Sache. Mit aller zur Gebote stehenden Härte wird dort militärisch gehandelt. Das Land soll nach einer nahezu unüberschaubar langen Zeit des Bürgerkrieges und anderer insgesamt nicht so erfreulichen Lage aus der Hand von örtlich rivalisierenden Clans und Warlords befreit werden. Die finanzieren sich nämlich in erster Linie durch den internationalen Drogenhandel und fallen auch sonst in der Welt eher sehr negativ und machen allen das Leben sehr schwer. Alle anderen Länder haben sich deshalb zusammengesetzt und beschlossen, dass die internationale Staatengemeinschaft eingreifen muss, damit Land X sich wieder zu lebenswerten Land entwickeln kann, denn von alleine klappt das offenbar nicht.

Soweit die Ausgangssituation. Land A und Land B schicken nun Soldaten in das Land. Beide Länder sind Demokratien. Die Bevölkerungen beider Länder wollen im Prinzip, dass es Land X wieder gut geht. Die Soldaten der beiden Länder machen in Land X keinen Urlaub, sondern ihren sehr gefährlichen Job und deshalb kommt es, trotz aller technischen und militärischen Überlegenheit vor, dass nicht nur feindliche Kämpfer, sondern auch mal eigene Soldaten sterben.

Jetzt sind wir beim Problem. In Land A solidarisieren sich nahezu alle (von ein paar bestenfalls als "verschroben" zu bezeichnenden Hardcorefanatikern) mit den gefallenen und ihren Familien. Die Toten werde mit Ehre und Respekt behandelt. Ihr Tod wird als das gewürdigt, was er der Sache nach tatsächlich ist, nämlich das höchste Opfer, das ein einzelner Mensch für sein Land bringen kann, dass ihn auf der Grundlage eines demokratischen Entscheidungsprozesses letztendlich in den Tod geschickt hat. Den Toten wird von der ganzen Nation Respekt gezollt.

In Land B sieht das ganz anders aus. Die Toten werden verleugnet, ihre Taten geheimgehalten und es wird sogar von der Regierung des Staates so getan, als wären die Männer und Frauen ja gar nicht im Auftrage des Staates als Soldaten "da unten" gewesen, sondern quasi eher als zufällige Urlauber irgendwie ums Leben gekommen und letztendlich selber Schuld gewesen. Die Bevölkerung solidarisiert sich nicht nur nicht mit den Soldaten, sondern ignoriert auch noch die Hinterbliebenen. Jedes kleine Zeichen von Ehrerbietung gegenüber den Toten wird sofort zu einer Verherrlichung des Krieges insgesamt hochdiskutiert. Es wird verleugnet, dass die Soldaten Menschen aus dem eigenen Volk sind.

Während man in Land A ganz klar unterscheidet zwischen der Frage "war der Einsatz insgesamt richtig?" und der Frage "hat der Tote den Dienst für sein Land getan?" ist in Land B das Eine gleich dem Anderen, der Tote hat seinen Tod mehr oder weniger "verdient" und seine Angehörigen gehören eigentlich öffentlich geächtet. In Land A werden die Toten und ihre Hinterbliebenen mit allen zu Gebote stehenden Ehren gewürdigt, inklusive Staatsbegräbnis, posthumen Ehrungen und so weiter und so fort. In Land B wehrt sich die Regierung wegen des öffentlichen Drucks sogar dagegen, den hinterbliebenen auch nur eine minimale Rente zu zahlen, von öffentlicher Anerkennung der Verdienste mal ganz zu schweigen.

Warum sind wir Land B?

16 Kommentare:

  1. warum nennst du das kind nicht beim namen?^^

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  2. Ich würde mal sagen, das hat noch ein bisschen damit zu tun, dass in Land B früher sehr viele Menschen im Krieg für ihr Vaterland gestorben sind. Nachher hat man dann aber gesehen, was für ein Vaterland das war...
    Land A hat dagegen eine eher glorreiche Vergangenheit, man hat sogar im großen Krieg Land B befreit.

    Militärische Aktionen haben hier immernoch einen faden Beigeschmack, am liebsten wird die ganze Sache totgeschwiegen.
    Die Bundeswehr ist ja eigetlich als eine Verteidigungsarmee gedacht gewesen.
    Und weil das Bild als Kriegseinheit nicht zur Bundeswehr "passt" (nach der Meinung der Leute hier), wird diese Tatsache mal einfach unter den Teppich gekehrt.

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  3. Aha, und deswegen entscheidet sich man sich demokratisch dafür, die eigenen Leute in lebensgefährliche Situationen zu schicken und wenn sie dabei ums Leben kommen, dann wird demokratisch entschieden, dass man ja damit gar nichts zu tun hat und die daran beteiligten ja eigentlich gar nicht zur Gesellschaft dazu gehören, Außenseiter, wenn nicht sogar Aussätzige sind? Das ist das "richtige" Verhalten, ja?

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  4. Nee nee, adger. Bei Deiner schönen Metapher habe ich bei Land B zuerst an ein ganz anderes gedacht, nämlich das, das sofort Gewehr bei Fuss stand, als Dabbelju die Unterstützung zur Ehrenpflicht jedes Verteidigers der westlichen Weltordnung erklärte. Wir waren damals glücklicherweise klug genug, uns nicht gleich in der ersten Reihe aufzustellen.

    Wenn jetzt bei den Aufräumarbeiten noch der eine oder andere Soldat zu beklagen ist, der in Erfüllung seiner Dienstpflicht ihr vorzeitiges Ende hinnehmen muss, ist das sicherlich bedauerlich. Mehr aber auch nicht, und keinenfalls ein Grund, hier die Abwesenheit unnötigen Heldenpathos nach dem Muster von Land A zu beklagen.

    Was ist denn mit all den anderen, die bei der Arbeit zu Tode kommen? Polizisten, Feuerwehrleute, Sprengmeister, und sicher noch einige andere Berufsgruppen gehen ebenfalls ein unkalkulierbares Berufsrisiko ein. Die tun das aber wenigstens, damit hier alles im Lot bleibt und nicht bloss, damit der politische Wille erfüllt wird, bei der Durchsetzung eines relativ abstrakten strategischen Interesses einer befreundeten Drittmacht Hilfestellung zu leisten.

    Kein einziger unserer Soldaten kann wirklich behaupten, dazu gezwungen worden zu sein. Dazu hat er sich freiwillig verpflichtet, und wenn sich diese Entscheidung im Nachhinein geändert haben sollte, gibt es genug Möglichkeiten, sie zu revidieren, viele davon ohne dauerhafte Nachwirkungen.

    Wenn gar nichts geht und man wirklich nicht will, muss man halt eine unehrenhafte Entlassung provozieren.

    Was demokratisch gewollt angeht: Glaubst Du wirklich, die Regierung (bzw. die der regierenden Koalition angehörenden Parteien) eines Staates könnte(n) sich internationalen Interessen ihrer "Freunde" dauerhaft verweigern, ohne selbst im Abseits zu landen? Ich gebe gern zu, eine Partei zu wählen, die ihre pazifistischen Wurzeln leider auch schon lange hinter sich gelassen hat. Für die aktuelle Misere bin ich allerdings nicht mehr verantwortlich.

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  5. Es geht nicht um das Richtig oder Falsch eines beliebigen Einsatzes. Der Einsatz spielt gar keine Rolle. Es ist völlig egal, ob derjenige im Irak, an der Mosel, in der Antarktis, in Bonn, in Oslo, Moskau oder einem Kaff in den Anden stirbt. Es geht darum, dass wir alle hier für diejenigen Regierungen verantwortlich sind, die letztendlich den Einsatz beschlossen haben, der zum Tode des Menschen führte. Wenn man gegen diesen Einsatz ist und sich mit dieser Meinung nicht durchsetzen kann, dann ist man erstrecht mit verantwortlich, denn man war nicht dazu in der Lage, diesen Einsatz zu verhindern. Mit anderen Worten: Man hat zu wenig getan und hat das Leben dieses Menschen nicht schützen können.

    So oder so, die Verantwortung bleibt und ist nicht wegzudiskutieren. Zu dieser Verantwortung sollte man aber auch stehen, denn es ist ja nichts Schlimmes daran, was aber viele zu glauben scheinen. Diese Verantwortung und das Eingeständnis, dass man diese Verantwortung teilt, ist die Grundlage für denjenigen Respekt, der diesen Menschen gegenüber geschuldet ist.

    Es geht deshalb auch um Respekt dafür, dass es Menschen gibt, die für ihre Mitmenschen mehr tun, als denen die Luft wegzuatmen. Niemand ist gezwungen Polizist, Soldat oder Feuerwehrmann zu sein. Es ist aber genauso wenig jemand gezwungen Arzt zu sein, oder Toilettenfrau, Student oder Maurer oder Mitglied einer Partei. Irgendwann trifft jemand diese Entscheidung und diese Entscheidung sollte man respektieren. Auch um diesen Respekt geht es und nicht um eine Bewertung der Entscheidung des Anderen.

    Es ist für viele, besonders aus dem Kreise der "Partei (...), die ihre pazifistischen Wurzeln leider auch schon lange hinter sich gelassen hat" und beliebig weit links davon anzusiedelnden Ideologen völlig unverständlich, dass es Menschen gibt, die Verantwortung ernst nehmen. Es ist ihnen völlig unbegreiflich, dass jemand allen Ernstes den Auftrag seine Mitmenschen zu schützen wörtlich nimmt und sein Leben dafür einsetzt. Dagegen an zu argumentieren ist sinnfrei, denn es fehlt an jeglicher Fähigkeit, das überhaupt anerkennen zu können. Wie sagte ein Herr Fischer neulich sinngemäß? Er ist die Weltfremdheit seiner Parteigenossen leid. Ich kann ihn gut verstehen.

    Es geht auch nicht um die Glorifizierung des Krieges. Es geht nicht um irgend eine Heldenvergötterung. Es geht auch nicht um das, was "Pathos" der Bedeutung nach ist, eine starke Gefühlsbewegung, Leid oder Leidenschaft. Es geht nur um den gebotenen Respekt gegenüber demjenigen, der Verantwortung übernommen hat, der sich dem auf demokratischen Weg zustande gekommenen Auftrag seiner Mitmenschen gestellt hat und dafür sein Leben gegeben hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Genau dieser Respekt geht den allermeisten völlig ab und genau das zeigt gerade der vorherige anonyme Beitrag sehr gut.

    - MT

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  6. Du hast Recht, es ist völlig egal, wo jemand stirbt. Und genau deshalb erschließt sich mir auch nicht, warum man einen größeren Aufriß davon machen sollte, wenn jemand bei der Arbeit stirbt, nur weil das im Ausland und in Uniform passiert ist.

    Mit mangelndem Respekt hat das nichts zu tun. Ich respektiere durchaus die Entscheidung, durch die Ausübung eines gefährlichen Berufs Verantwortung zu übernehmen, ob militärisch oder zivil. Ich sehe nur nicht, warum man die eine über die andere stellen sollte.

    (Und weil es sich am nächsten Tag so liest, als könnte ich rechten und linken Nachbarn des Iran nicht auseinanderhalten - mir ist natürlich klar, dass wir uns nur im einen davon aufhalten, schließlich existiert auch nur dafür ein UN-Mandat. Für die befreundete Drittmacht sind das jedoch nur zwei Teilschauplätze einer Operation.)

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  7. Für solche wie Dich ist es nichts Besonderes, wenn jemand sich der Aufgabe stellt und Verantwortung dafür übernimmt, dass wir und andere in Sicherheit leben können. Für Dich ist das die Aufgabe der Anderen. Du selber hast da ja keinen Bock drauf. Dir ist diese Aufgabe zuwider. Darum fehlt Dir das Verständnis dafür "warum man die eine über die andere stellen sollte".

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  8. wenn ich dich richtig verstehe, ist es also heldenhafter, sein leben im ausland zu opfern, als hier. diesen geist glaubte ich seit fast 100, naja zumindest 70 jahren, hierzulande ausgestorben.

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  11. two in one united: vertippt, 60 jahre nicht 70. verklickt, anonymität ruiniert, nicht wichtig. hallo adger ;)

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  12. Zumindest mir ist egal wo jemand mit Auftrag der Gesellschaft ums Leben kommt. Für mich spielt nur eine Rolle, dass er/sie in "unserem" Auftrag draufging.

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  13. re ;) um auch noch die "fast 100" zu relativieren: gemeint war damit natürlich 1918.

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