Samstag, 22. September 2007

Schuldfrage (2)

Pastor mit Junge FensterDie Kirche in Deutschland hat zur Zeit mehrere Probleme. Eins davon ist ein Kardinal, der sich bei der Bewertung von Kunst und Kultur im Wortschatz des Nationalsozialismus bedient, ein anderes ist eine Lokal-Kirche, die sich durch einen TV-Event internationalen Ranges an einem Sonntag fürchterlich auf den Schlips getreten fühlt und ein drittes, beinahe vergessenes, Problem.

In Regensburg ist ein Seelsorger im Dienst, der einschlägig vorbestraft ist und zur Zeit im Verdacht des Kindesmißbrauchs steht. Das ist für sich gesehen bereits eine Sache, bei der sich zumindest mir schon ein paar Fragen aufdrängen. Interessant wird das Ganze aber dadurch, dass dessen Chef, der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, nicht nur davon weiß, sondern jede Mitverantwortung ablehnt. Man könnte dem ja noch irgendwie zustimmen, wenn nicht ausgerechnet er derjenige gewesen wäre, der den Priester wieder als Seelsorger eingesetzt hätte. In einer Pressekonferenz sagte er:
"Die Verantwortung für eine Straftat trägt der Täter. Ich bin nicht verantwortlich für alles, was unsere Geistlichen und Mitarbeiter tun."
Bereits diese Ansicht offenbart ein eigenartiges Verantwortungsgefühl, aber seine Rechtfertigung ist an Coolness kaum zu überbieten: Seiner Ansicht nach sei sein Handeln schon alleine deshalb vollkommen legitim, weil ja auch auch Jesus Jünger ernannt habe, die ihn später verrieten. Und wie kann sein Handeln schließlich schlechter sein, als das "schlechte" Beispiel des obersten Chefs?

Der umstrittene Pfarrer hat bereits vor acht Jahren eine ähnliche Straftat in einer anderen Gemeinde verübt. Weil aber ein gerichtlicher Gutachter damals festgestellt hat, dass der Pfarrer nicht pädophil fixiert sei, hätten keine Bedenken gegen dessen erneuten Einsatz bestanden. Darum hätte der Bischof nach einer Therapie und Ablauf der Bewährungszeit den "sehr beliebten" Pfarrer 2004 wieder als Seelsorger eingesetzt. Der Herr Bischof sieht die Richtlinien der deutschen Bischofskonferenz gwahrt, nach denen verurteilte pädophile Priester nie wieder in der Jugendseelsorge eingesetzt werden sollen.

Ich finde es eigenartig, wie in der Katholischen Kirche mit diesem Problem insgesamt umgegangen wird. Ein Bischof, der ja nun nicht "irgendwer" in der Kirchenhierarchie ist, darf sich hinstellen und jede Verantwortung für das Tun seiner Mitarbeiter ablehnen, ohne dass irgendeine Reaktion "von oben" folgte. Nein, die Gläubigen dieser Religion müssen sich selber auf die Hinterbeine stellen (und tun das auch, nämlich über Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche") und dem Vatikan in den verlängerten Hintern treten, damit da mal jemand in Schwung kommt. Der Sprecher dieser Initiative, Christian Weisner:
"Das Nicht-Handeln des Bischofs, das jetzt immer offenkundiger wird, ist ein himmelschreiender Skandal. Das Vertuschen des Problems des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche muss jetzt endlich ein Ende haben."
Papst Benedikt XVI. soll nach dem Willen von "Wir sind Kirche" dem Regensburger Bischof einen sogenannten Koadjutor zur Unterstützung für die Verwaltung des Bistums zur Seite stellen. Nach ihrer Vorstellung ist jetzt der Vatikan gefordert, die Glaubwürdigkeit der römisch-katholischen Kirche wieder herzustellen.

Ich stelle mir - nicht nur wegen dieses Falles - die Frage, ob das überhaupt noch möglich ist.

(Quelle: n-tv)

2 Kommentare:

  1. also wenn ich mit den glaubenslehren der katholichen kirche einverstanden wäre, würde ich trozdem aus angst um meine kinder nicht eintrette.

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  2. Um die wiebittewas der katholischen Kirche wieder herzustellen? Glaubwürdigkeit? Das meinen die doch nicht ernsthaft, oder?

    Mal ehrlich: Es gibt bei den Kath-Priestern genau so wie den Ev-Luth-Pastoren einige, die echt noch etwas auf dem Kasten haben, deren Predigt wirklich noch etwas greifbares hat und eine Botschaft übermittelt, mit der man sogar heute noch etwas anfangen kann. Doch ohne jeden einzelnen zu kennen und gehört zu haben kann ich sagen, dass die Abkehr von der Kirche doch nicht grundlos geschieht. Denn die große Mehrzahl der Predigten ist einfach "stinklangweilig" - es ist die immer gleiche Litanei, die festgefressenen Riten und die seit nunmehr zwei Jahrtausenden unveränderte Botschaft: "Gott liebt Dich - Aber wehe Du verstößt gegen die Spielregeln, dann kommst Du in die Hölle".

    Bezug zur Welt da draußen begegnet einem selten in einer Predigt. Das ist mehr etwas für den Kaffeekranz danach (wenn der nicht mangels Beteiligung sowieso nicht stattfindet).


    Zu der eigentlichen Sache, dass ein Priester wieder eingesetzt wird und dessen Vorgesetzter jede Verantwortung an den Taten ablehnt: Niemand wird auf die Idee kommen, einen Firmenchef zur Verantwortung zu ziehen, wenn er einen Straftäter einstellt und möglicherweise an der gleichen Stelle wie vorher arbeiten lässt.

    Ich sehe das mal unter dem Aspekt, dass der jenige, der straffällig geworden ist, hier eine Chance bekommen soll, sich zu beweisen, dass es eine mehr oder weniger einmalige Angelegenheit war. Ist auch im Sinne der christlichen Lehre von der Nächstenliebe durchaus nachvollziehbar.

    Man darf nicht vergessen: Der Straftäter ist nicht der Bischof. Und der Priester wiederum hat seine "irdische Bestrafung" bereits erhalten und hat, wie das nunmal bei uns seit Inkrafttreten des Grundgesetzes (samt Anhängsel) so ist, das Recht auf soziale Rehabilitation. Niemand sagt, dass es da pauschal verboten bleiben muss, als Priester in der Jugendseelsorge zu arbeiten, wenn man vorher Kinder missbraucht hat.

    Ich bin da ebenso skeptisch, dass das gut geht. Aber gerade weil die betroffene Gemeinde entsprechend sensibilisiert wurde, dürfte eine Rückfälligkeit sofort auffallen, was recht schnell die entsprechenden Konsequenzen zeitigen wird.

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