Die Onlinedurchsuchung ist ein Reizwort, bei dem zur Zeit die Gemüter in unterschiedliche Richtungen hochkochen. Die einen, die Ermittlungsbehörden, bestehen auf dem "heimlichen" Belauschen / Ausspionieren / Aushorchen des Rechners, ohne das der Bestand des christlichen Abendlandes nicht zu gewährleisten wäre. Die anderen, vornehmlich die technophilen PC-Besitzer, malen Schauermärchen an die Wand, reden - erstaunlicherweise erst jetzt - von einem totalen Kontrollstaat.
Um was geht es eigentlich? Die Ermittlungsbehörden, dazu gehört auch die Polizei, aber eben nur "auch", haben vom Staat den Auftrag, die Einhaltung der Gesetze zu überwachen und zu gewährleisten. Im Rahmen der Computertechnik ist ist das allerdings historisch gewohnt eher nicht so deren Hochburg. Man ist es gewohnt, den Cop auf der Straße zu sehen, aber der Cop im eigenen Rechner?
Warum reagieren so viele so empfindlich? Natürlich weil auch der Gedanke eine Rolle spielt, dass "private" Dokumente mitgelesen werden, dass jemand im digitalen Tagebuch schnüffelt. Aber tatsächlich dürfte doch eher die Angst umgehen, dass irgendjemand von offizieller Seite mitbekommt, was da auf den beiden 400 Gigabyte großen Platten vor sich hin lungert. Nicht umsonst wird in jetzt laufenden Diskussionen zuerst auf die Aspekte der Urheberrechtsdiskussion abgestellt und erst dann, wenn überhaupt, die Möglichkeit eingeräumt, dass es auch echte "böse Menschen" im Internet geben könnte, die tatsächlich handfest Scheiße bauen.
Die Ermittlungsbehörden stehen vor dem Problem, dass heutzutage starke und mächtige Mechanismen zur Verschlüsselung von Daten theoretisch auch für den Dümmsten benutzbar und verfügbar sind. Programme wie PGP, GnuPG, TrueCrypt und so weiter stellen eine nicht völlig triviale Hürde dar, wenn es um das Lesen der Daten geht.
An dieser Stelle setzen die Interessen der Strafverfolgung ein. Die Ermittlungsbehörden müssen Straftaten aufklären, müssen ermitteln, Nachforschungen anstellen. Das ist ihr Auftrag, der in der Verfassung so festgelegt wurde. Aber vor diesen Mechanismen müssen sie kapitulieren - aus technischen Gründen. Mit der "geheimen Online Durchsuchung" könnte nun genau dieses Manko ausgehebelt werden. Die Daten, die sonst sicher verschlüsselt sind, wären dann ja unter Umständen offen zugänglich, denn der Anwender greift ja darauf zu. Diesen Zugriff hofft man mitlesen zu können.
Es ist gut und richtig, dass endlich eine breite Diskussion in Gang kommt darüber, wie weit der Staat etwas darf, wie weit er in die Rechte seiner Bürger eingreifen darf und wo die Grenzen gezogen sind. Es ist gut, dass die Ermittlungsbehörden aus ihrer Heimlichkeit herausgezwungen werden und Farbe bekennen müssen. Es ist aber schlecht, dass die Sichtweise beider Seiten so engstirnig und kurz ist, wie zur Zeit vorgeführt.
Sicher, der Chef des BKA mag darauf beharren, dass ja "nur" 0,1% der Bevölkerung betroffen wären (was immerhin rund 85.000 Menschen sind), dem wird aber nicht unberechtigt ein aus Erfahrungenen gewachsenes "zur Zeit" entgegen gehalten. Die Anzahl der Telefonüberwachungen steigt schließlich auch inflationär, ohne dass dieser Grundrechtseingriff irgendwie juristisch herabgestuft worden wäre zu einem "Alltagseingriff". Nicht etwa, weil dieser Grundrechtseingriff immer mehr "notwendig" wäre, sondern weil er einfach ist: Man schaltet einen Rechner ein und drückt ein paar Tasten und das wars. Wer garantiert denn dem Bürger, dass diese Inflation nicht in noch sehr viel schlimmerem Umfang bei den jetzt geforderten Durchsuchungen ins Haus steht? Wer kontrolliert das und erzwingt die Einhaltung des Rahmens? Wer überwacht die Überwacher?
Auf der anderen Seite frage ich mich aber auch, wieviele derjenigen, die sich zur Zeit mehr oder weniger eloquent darüber aufregen, in was für einem Kontrollstaat wir zunehmend zu leben drohen und wie weit unsere Grundrechte beschnitten werden und so weiter, wieviele von denen tatsächlich angst um ihre anderthalb oder zwei Megabyte "priater" Textfiles haben und in Wirklichkeit nicht die Grundrechte, sondern ihre zusammengeklaute Software, die Filme und Musikarchive vor Entdeckung schützen wollen.
Wer sein Grundrecht einfordert, um sein begangenes Unrecht zu schützen, ist nicht einen Jota besser als der, der das Grundrecht beschneidet, denn beide treten das Grundrecht mit Füßen.
Dienstag, 6. Februar 2007
2 Kommentare:
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Ich gebe zu bedenken, dass wir in Deutschland im Prozess- und Ermittlungsrecht so etwas wie Gebote der Verhältnismäßigkeit haben.
AntwortenLöschenUnd spätestens hier krankt dein Schulterschluss zwischen technischer Totalüberwachung und privaten Urheberrechtsverstößen ganz gehörig.
Das ist wohl richtig und im Prinzip auch einer derjenigen Kontrollmechanismen, die tief genug verankert sind, dass sie nicht so ohne Weiteres ausgehebelt werden können.
AntwortenLöschenDennoch: Auch für die Telefonüberwachung gelten "hohe juristische Anforderungen", die in der Praxis eher belächelt werden, als zu intensiver Prüfung der Rechtslage führen. Der kontinuierliche Zuwachs alleine in diesem Segment der Grundrechtseingriffe wird von den Datenschutzbeauftragten seit Jahren zunehmend bemängelt.
Der Zugriff auf die Kontodaten zur Ermittlung der potentiellen Kunden einer Webseite mit Kinderpornogrphie war - das wurde im Nachhinnein(!) festgestellt, weil Anwälte aus dem Zivilleben geklagt hatten - auch überhaupt nicht Verhältnismäßig, was aber niemanden daran gehindert hat, diese Kontodaten pauschal abzufragen.
Es lassen sich im Alltag der Exekutiv- und Ermittlungsorgane noch weitere Fälle von Eingriffen in die Grundrechte finden, die dem Argument der "Verhältnismäßigkeit" den Boden entziehen. In der Rechts- und Verfahrenspraxis der Gerichte mag bei der Urteilsfindung die Verhältnismäßigkeit noch eine größere Rolle spielen, bei den Grundrechtseingriffen des Staates zum Zwecke der Überwachung seiner Bürger tut sie es jedenfalls in zunehmend geringerem Maße.