Sonntag, 20. August 2006

Die Folgen der Panikmache

Explodierter ZugInternational versäumt es zur Zeit kaum ein Innenminister oder Geheimdienstsprecher in den schillerndsten Farben auszumalen, in welcher akuten und konkreten Lebensgefahr wir doch alle schweben. Das Leben ist besonders zur Zeit wahnsinnig gefährlich, denn die Bedrohung war noch nie so nah. Wer im Flugzeug fliegt, der ist ja quasi schon Terrorist. Wenn er vergessen hat sich zu rasieren, dann ist das schon fast ein Motiv. Wenn er dann noch "auswärts" spricht, dann wird aus dem Verdacht eine unumstößliche Gewissheit.

Die Medien stürzen sich dankbar ob des Sommerlochs auf die Thematik und pusten weit überwiegend schön artig mit in die Posaune der Panikmache. Kaum jemand traut sich im Dschungel der um das Überleben kämpfenden Printmedien auch nur im Ansatz zu hinterfragen, welche Folgen diese Berichterstattung auslöst.

Diese Folgen allerdings zeigen sich um so deutlicher im wahren Leben und werden sehr zögerlich und mit einem entschuldigenden Lächeln von denen Verbreitet, die sich gegenseitig darin überbieten, nahezu im Minutenabstand neue Terrorwarnungen zu veröffentlichen und aus der für den größten Teil der Bevölkerung herbeigeredeten Gefahr ohne Rücksicht auf Verluste Kapital zu schlagen.

Werden aus einer handvoll Verdächtigen, die geplant haben, irgendwann vielleicht Anschläge zu versuchen schnell mal eine unüberschaubar große Gruppe "Attentäter", wird aus der Hypothese nur zu gerne ein verbales "haben gemacht". Die Hysterie kennt kaum Grenzen und entlädt sich bei den völlig Verwirrten, die das Denken den Medien überlassen, inzwischen in handfesten Eklats.

Hier wird eine Alte Dame wegen Streichhölzern und Handcreme als Schwerverbrecherin verhaftet, da wird ein Flugzeug wegen eines Notizzettels von Militärflugzeugen auf einen weit abgelegenen Flughafen eskortiert und wieder woanders lassen die völlig durchgedrehten Gäste an Bord eines Fliegers zwei völlig unschuldige Fluggäste aus dem Flieger werfen, weil sie asiatisch aussehen.

Norkorea AtombombeKinners, wenn das so weitergeht, dann braucht keine Terrororganisation der Welt auch nur daran zu denken wirklich Anschlag zu verüben. Indem sie so tun als ob und irgendwelche Bauernopfer medienwirksam auffliegen lassen, richten sie bei weitem mehr Schaden an und erreichen weit mehr Publicity und gewinnen weit mehr Sympathisanten für ihre Sache, als sie mit jedem erfolgreichen Anschlag jemals erreichen könnten.

Und das Tolle ist: Wir glauben auch noch, dass wir in Sicherheit wären. Nur weil irgendwo eine Kamera hingehängt wird und jemand erzählt, dass die Welt jetzt sicherer sei, glauben wir an den Weihnachtsmann. Wir glauben allen ernstes, dass all die tausenden von Stunden Videomaterial tatsächlich schon während der Aufzeichnung ausgewertet würden und sofort Sicherheitskräfte da wären, wenn etwas passiert...

Na klar! Evolution ist eine Illusion. Die Kreationisten haben Recht! Es gibt die Absolute Sicherheit und Überwachung bedeutet Schutz. Wir haben es ja von Anfang an gewusst! Eigentlich ist die Erde eine Scheibe und die Sonne geht im Norden auf!

Ist eigentlich schon mal jemandem der Gedanke gekommen, wie die Reaktion der echten, der überzeugten, der Hardcore Terroristen aussehen wird? Hat schon mal jemand daran gedacht, dass wir es hier mit einer sich selbst verstärkenden und beschleunigenden Entwicklung zu tun haben? Oder glaubt wirklich irgendjemand, dass sich ein Überzeugungstäter durch eine Videoaufzeichnung seines Tuns von der Tat abhalten lässt?

Früher (jaja, die Omma und der Bollerwagen...), da konnte jeder Idiot einfach so losgehen und mal eben mit seinem Rucksack Terrorist spielen. In den meisten Fällen war er damit aber zumindest in Deutschland erfolglos. Wenn die wirklich klugen Köpfe anfangen mitzuspielen, dann wird es sehr sehr unlustig. Oder haben wir mal wieder nichts gelernt? Oder ist das alles viel zu lange her und deshalb ja gar nicht mehr wahr?

Ich mache mir ernsthaft Gedanken darum, wie wohl die nächste Generation Terroristen gestrickt sein und aggieren wird. Wohl ist mir bei dem Gedanken jedenfalls nicht - vor allem dann nicht vor dem Hintergrund, dass nahezu beliebig ausschweifende Eingriffe in die Grundrechte Unschuldiger mit der Entschuldigung durchgewunken werden, dass es sich ja möglicherweise um einen eventuell Terrorverdächtigen gehandelt haben könnte.

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