Die Überlegung ist wohl folgende: Ablehnung entsteht durch Unkenntnis. Was die Leute nicht kennen, das verursacht bei ihnen ein tiefes Unbehagen. Ergo: Macht man die Leute mit der Sache bekannt, dann akzeptieren sie diese auch, egal wie stark ihre Rechte dadurch beschnitten werden.
Auf dieser Grundlage entstand Shoreditch TV. Im Londoner East End überwachen die Anwohner mit mehr als 400 in der Umgebung verteilten Kameras ihre Mitmenschen. Die Firma argumentiert:
"put each resident in the front line against crime"Denn der Bürger kann das ja besser als die Polizei. Interessant ist auch der Werbeslogan, mit dem für dieses Projekt geworben wird:
"Fight crime from your sofa."Kameras verhindern und bekämpfen Kriminalität? Diesen Schwachpunkt hat auch Shoreditch TV erkannt und hat deshalb ein besonderes "Feature" eingebaut: Einerseits wird alle 30 Sekunden zu einer anderen Kamera weitergeschaltet. Damit soll Voyeurismus verhindert werden. Wenn die Zusachauer aber etwas Verdächtiges sehen sollten, dann haben sie Zugriff auf eine Gallerie, in der die Namen und Fotos von allen zugreifbar sind, die wegen anti-sozialem Verhalten oder kleinerer Verbrechen unter Beobachtung stehen. Der Zuschauer kann dann eine anonyme Email direkt an die Polizei geschickt werden. Nach Aussagen eines der Chefs dieser Firma ist die Polizei von diesem Projekt "begeistert".
Weniger begeistert sind dagegen Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Bürgerechtler, aber auch verschiedene Londoner Politiker sehen eine gewisse Gefahr in dieser Entwicklung. Die Firma verteidigt ihre für den Bürger gebührenpflichtige durch die Regierung und die EU finanzierte Geschäftsidee mit dem Hinweis, dass der Zuschauer die Kameras nicht bewegen kann und dass die Bilder verschlüsselt sind und deshalb nicht aufgezeichnet werden können. 20.000 Abonementen hat diese "Dienstleistung", die für rund 5 Euro im Monat (plus Rabatte auf Telefon und Internet) ins Haus kommt.
Wen wundert da noch die Nachricht, dass die Regierung des Inselkönigreichs auf der anderen Seite des Kanals eine radikale Reform der Menschenrechtsgesetze plant. Ziel dieser "Reform" ist es, die "Interessen" von Opfern von Verbrechen über die von Kriminellen zu stellen. Anders formuliert: Wer eine bestimmte Straftat begeht, verzichtet auf bestimmte Rechte. Die Gleichbehandlung vor Gericht, das Recht auf einen Anwalt, die Unschuldsvermutung und die umgekehrte Beweislast, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und so weiter sind Grundrechte, die ja schon häufiger zum Leidwesen der Regierenden Prozesse gegen "Straftäter" erschwert haben.
Justizminister Charles Falconer sagte dazu am Samstag der BBC:
"Die Regierung von Premierminister Tony Blair denke über neue Gesetze nach, die der öffentlichen Sicherheit Vorrang vor der Menschenrechtsgesetzgebung einräumen"Seiner Ansicht nach gibt es "echte Sorge" darüber, ob der 1998 verabschiedete Human Rights Act in dieser Form noch funktioniere.
Ich frage mich, ob bei den Leuten da drüben auf der Insel ganz andere Sachen noch richtig funktionieren.
(Quelle: AFP)
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