Sonntag, 26. Februar 2006

Visa und Wissenschaft

Vor ein paar Tagen wollte der hochdekorierte 62jährige Professor Goverdhan Mehta zu einer wissenschaftlichen Fachtagung der American Chemical Society nach Florida reisen. Außer ihm wollten auch noch Herr Professor P. Rodrigues, ehemaliger Chef des Indira Gandhi Atom Forschungsinstituts und der führende Agrarwissenschaftler Professor P. C. Kesavan vom M. S. Swaminathan Forschungsinstitut in Chennai dorthin. Florida, das wissen wir alle, ist die sturmgeplagte Millionärs- und Rentnerhochburg in einem der paranoidesten Ländern dieser Erde, den USA. Soweit also nichts Besonderes - sollte man meinen.

Seit dem 11. September muss man extra Visa beantragen, um in die USA einreisen zu dürfen. Das heisst, man muss nicht nur begründen, warum man in die USA reisen möchte, sondern man muss den Behörden sozusagen den Auftrag geben, alles über die eigene Person herauszufinden, inklusive ehemaliger Sexualpartner, Schuhgröße, Schulfreunde und eventuell besuchter Partys seit Erfindung des Buchdrucks. Viele sehen deshalb inzwischen auch mit einem unverhohlenen Augenrollen von einer Einreise in die USA ab - es gibt schließlich noch andere tolle Gegenden in der Welt. Oft sind diese Gegenden sogar nicht mal so gefährlich wie die USA (sagt ja selbst Henry Rollins.)

In manchen Fällen, wie eben bei den drei eingangs genannten Herren, hat das ganze aber nichts mit Freizeit zu tun, sondern mit Arbeit und ist deswegen nicht wirklich freiwillig, sondern berufliche Notwendigkeit. Nun haben gerade so hochrangige Wissenschaftler wie eben diese drei Herren bestimmt noch anderes zu tun, als den lieben langen Tag in der Weltgeschichte herumzugondeln. Gerade deshalb haben sie garantiert auch anderes zu tun, als sich über die Fragen auf dem Einreiseformular größer Gedanken zu machen.

Dort werden eine ganze Reihe brisanter Fragen gestellt. Zum Beispiel "Haben sie vor in den USA eine Straftat zu begehen?" oder auch "Haben sie vor gegen die USA Krieg zu führen?" - Wer dieses Formular kennt, hat sich bestimmt schon mehr als einmal gefragt, wer um alles in der Welt da mit "Ja!" antwortet? Ich meine.. äh.. Wenn man aus beruflichen Gründen einreist, dann werden noch eine ganze Menge anderer Fragen gestellt. Und wehe die Antworten passen nicht 125% in das Konzept der US Einwanderungsbehörde! Dann gnade Dir Gott!

Herr Professor Metha, der unter anderem Professor der organischen Chemie ist, erlebte genau dieses Problem. Er sollte nachweisen, dass seine Forschungsergebnisse nicht zum Bau chemischen Waffen genutzt werden können... Etwas schwierig, wenn man sich eine 40jährige Wissenschaftlerkarriere vorstellt, die sich mit Atomenergie und organischer Chemie und ähnlichen Themen befasst. Entsprechend wurde ihm das Visum verwehrt - Terrorgefahr. Ähnlich ging es seinen beiden Kollegen.

Ende der Debatte?

Nein, Gottseidank nicht. Aufgrund dieser Vorfälle ist es zu einigen erheblichen diplomatischen Verstimmungen zwischen Indien und den USA gekommen und die wissenschaftler weltweit laufen Sturm gegen die paranoiden Wunsch Wahnvorstellungen der USA. Herr G. W. Bush wird das besonders toll finden, denn er möchte ja demnächst nach Iniden reisen.

Ob man ihm dort mit dem Hinweis auf seine fragwürdigen militärischen Handlungen, u.a. im Irak, das Einreisevisum verweigert?

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