Die Einleitung des Films lautet:
"Irgendwann im 23. Jahrhundert... die Überlebenden von Krieg, Überbevölkerung und Umweltverschmutzung leben in riesigen Kuppelstädten, abgeschlossen von der vergessenen Außenwelt.Was für die meisten eine sehr surreale und irgendwie reichlich durchgeknallte Idee sein mag, scheint für die auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Versicherungen zunehmend eine ernsthafte Überlegung zu werden.
Hier, in einer ökologisch ausbalancierten Welt lebt die Menschheit nur zum Vergnügen, befreit von der Last der Arbeit durch die Maschinen, die jede Arbeit für sie verrichten. Es gibt nur einen Haken. Das Leben muss am 30. Geburtstag enden, wenn man nicht im feurigen Ritual des Karussells wiedergeboren wird."
Die BZ vom Montag, dem 4. August 2003 meldet, dass Phillipp Mißfelder, Vorsitzender der Jungen Union in Deutschland, die Forderung erhoben hat, bei alten Menschen keine Hüftoperationen mehr durchzuführen. Früher seien die Leute auch an Krücken gegangen. Zwar hatte sich der sozialpolitische Sprecher der Hamburger CDU-Fraktion, Frank Schira, beeilt eine Absage an diese Forderung zu erteilen. Aber "Wann wird die Forderung nach Rationierung der Gesundheitsleistungen für Alte sich durchgesetzt haben?" fragt Reimer Gronemeyer in seinem Buch "Kampf der Generationen" (München 2004, S. 25). Und er schreibt weiter: "In Großbritannien ist das schon Alltag: Keine Herzoperationen ab 60, keine Dialysen, keine Hüftoperationen mehr. Auch die schwedische Krankenversicherung bezahlt keine Dialysen und keine Herzchirurgie bei Patienten über 65 Jahren".
Auch wenn sich Herr Gronemeyer auf das ach so ferne Ausland bezieht: Auch hierzulande ist die Wahl der Behandlungsmethoden schon längst eine faktische Frage von Versicherungsstatus und Alter geworden, wie das Zentrum für Demographischen Wandel festgestellt hat:
Offiziell stößt die sogenannte Altersrationierung zwar auf breite Ablehnung und ist zudem nach geltendem Recht verboten. Nachdenklich stimmt jedoch eine Studie des MPIDF (Max-Planck-Institut für demografische Forschung) aus dem Jahr 2002. Danach spielt im Krankenhaus das Alter bei der Wahl der Behandlungsmethoden schon heute eine entscheidende Rolle: "Bei gleicher Diagnose wird für sehr alte Menschen deutlich weniger ausgegeben als für junge“, sagt Autorin Hilke Brockmann, Juniorprofessorin für Sozialwissenschaft an der Universität Bremen. (...) "Will man die maximal mögliche Zahl von Jahren bei guter Lebensqualität retten, macht es durchaus Sinn, die begrenzten Ressourcen auf Patienten in jungen und mittleren Jahren zu konzentrieren“Spiegel Online berichtet von einer weiteren Idee britischer Mediziner, mit der zukünftig Kosten gespart werden könnten. Die Idee klingt, wie bei Herrn Mißfelder abgeschrieben. "Wie wäre es denn", scheinen sich Simon Conroy und seine Kollegen gedacht zu haben, "wenn man bei Bewohnern von Seniorenheimen zukünftig darauf verzichtet, sie nach einem Herzinfarkt wiederzubeleben?" Sie stützen diese Überlegung auf Zahlen: Maximal sechs Prozent der Bewohner von Altenheimen überleben eine Herz-Lungen-Wiederbelebung, während das in Krankenhäusern immerhin 14 Prozent sind. Von diesen statistischen Zahlen ausgehend, so argumentieren sie im British Medical Journal, müssen man ernsthaft überlegen, ob man das Geld für etwaige Wiederbelebungsversuche nicht sinnvoller (lies: gewinnbringender) woanders investieren könnte.
Im Klartext: Bestimmte Operationen sind sauteuer. Besonders Herzoperationen und Hüftoperationen (besonders künstliche Hüftgelenke) sind sehr kostenintensiv, da sie auch eine umfangreiche Betreuung nach der Operation erforderlich machen. Die Überlegung ist die, dass die Anzahl der älteren Patienten immer mehr zunimmt. Ältere Patienten werden auch nach erfolgreicher Operation und Genesung nicht mehr genug Gewinn abwerfen, als das sich die Versicherungen diese Operationen in der Menge betrachtet auf lange Sicht leisten können. In der Praxis bedeutet das bereits heute, dass Patienten frühzeitig zusätzliche Absicherungen treffen müssen, wenn sie im Alter von den explosionsartig steigenden Beiträgen zur Krankenversicherung nicht überrollt werden wollen. Dagegen kann theoretisch jeder für sich im gewissen Rahmen vorsorgen.
Aber die jetzt aus dem Inselkönigreich auf der anderen Seite des Kanals kommende Idee hat eine ganz andere Qualität. Hier wird dem Betreiber von Altenheimen nahe gelegt, das eigene Pflegepersonal zur Verweigerung lebensrettender Sofortmaßnahmen zu verpflichten. Oder ganz trocken: "Lass ihn verrecken, wenn er umkippt."
Wie war das noch mit diesem Gelöbnis? War da nicht was von "Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit meiner Patienten soll oberstes Gesetz meines Handelns sein"? Und wie war das mit "bei der Ausübung meiner ärztlichen Pflichten (werde ich) keinen Unterschied machen, weder nach Religion, Nationalität, Rasse oder Parteizugehörigkeit und sozialer Stellung"?
Denkt man die Idee der britischen "Spezialisten" zu Ende, steht dort in großen flammenden Worten die Frage geschrieben: "Wie viel ist ein Leben wert?" und zwar auf den berühmten Heller und Pfennig. Das hatten wir schon mal. "unwertes Leben". Damals. 33-45. Wir erinnern uns an das Schreckgespenst der Euthanasie? Ja? Prima. Vielleicht sollte mal jemand den "Spezialisten" dort drüben ein wenig Nachhilfe in moderner Gesellschaftslehre und Geschichte des 20. Jahrhunderts geben. Kann ja sein, dass so etwas im britischen Königreich nicht so sehr angesagt ist, aber ich denke schon, dass hier ein wenig Initiative und Diskussion in der Breite sehr angesagt ist, denn sonst ist eines Tages "Logan's Run" kein SciFi-Film mit gesellschaftskritischen Ansätzen mehr, sondern harte Realität.
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