Dienstag, 18. Dezember 2007

Ein Pilz - Ein Baum

Heizpilz Heizstrahler für draußenIch hab selten eine dämlichere Konsequenz einer Suchtbefürwortungskampagne gesehen als die, die momentan in Berlin losgetreten wird. Dort, wie überall anders auch, bekommen die Gastwirte langsam aber sicher vor dem 1.1.2008 Panik. Ab dann gilt das Nichtraucherschutzgesetz und dann ist Ende mit Rauchen. Und da Raucher ja - man weiß das ja aus jahrelanger Erfahrung - nur zum Rauchen weggehen, bleiben die dann ja alle zu Hause. Damit es denen recht kuschelig wird, muss man als arg geschundener Gastronom eben anbauen (und die Preise erhöhen) oder eben nach draußen ausweichen und es da irgendwie warm und gemütlich machen (und deshalb die Preise erhöhen).

Das Mittel der Wahl sind vielerorts sogenannte "Heizpilze". Das sind so sonnenschirmgroße Gasbrenner oder Elektrostrahler, die den Gehweg beheizen. Im Winter immer eine tolle Idee, war auch ich doch schon lange ein Fan öffentlicher Zentralheizungen im Freien. Allerdings wurzelt dieser Wunsch meinerseits in der unbedarften Zeit vor dem Klimaschock und dem damit verbundenen Weltuntergang. Bei den Gastronomen allerdings geht die Rechnung anders: Preiserhöhung + Heizstrahler = Raucher = Gewinn. Keine Raucher bedeutet kein Umsatz und damit der Ruin. Wir hatten diese haarsträubende Idiotie schon an anderer Stelle hinlänglich diskutiert.

Nun sieht es so aus, dass die Gastronomie pro grob geschätzt 10 Quadratmeter Außenfläche einen solchen Strahler einkauft und den fleißig lodern lässt. Das wiederum verursacht Abgase und verbraucht Energie und das nicht zu knapp. Das wiederum ist diversen Umweltschützern aufgefallen und die verbünden sich jetzt mehr oder weniger mit den Nichtrauchern. Im Resultat jedenfalls werden bundesweit alle möglichen Kampagnen, Diskussionen und Debatten geführt, wie Scheiße doch diese Heizstrahler sind, verursachen sie doch tonnenweise CO2. Auf Berlins Gastronomie hochgerechnet spricht man von 10.000 bis 20.000 Tonnen pro Jahr.

Nun haben die Gastronomen einerseits keinen Bock es sich mit den einzigen Gästen zu verscherzen, die Geld haben - gemeint sind die Raucher - andererseits haben sie aber noch weniger Bock, sioch als die Generalschuldigen am Klimawandel abstempeln zu lassen und darum blühen jetzt die ersten Fantasiekampagnen auf, mit denen die Lobby der Gastronomen (mal wieder die Dehoga, das sind diejenigen Lobbyisten der Gastronomie, die zB in Niedersachsen das Rauchverbot in Discotheken durchgesetzt haben) versucht, den ohne hin bescheidenen Ruf vor dem totalen Untergang im PR-Sumpf zu verhindern.

Dazwischen lavieren völlig hilflose Politiker herum, die sich nicht entblöden, den Kampf gegen den Klimakollaps über den Denkmalschutz zu führen und andere, die ganz offen zugeben, vor der Lobby der örtlichen Gastronomen bis zur Erdung der eigenen Stirn tief im Hinterteil eben jener eingeknickt zu sein und wieder andere hantieren hilflos mit irgendwelchen Floskeln und haben keine Schmerzen dabei zuzugeben, dass man eben nicht alles verbieten könne, was offensichtlich dumm, gefährlich und schädlich sei.

In der Zwischenzeit kam ein Händler solcher Heizstrahler aus Berlin auf den Trichter, ein "Öko-Label" zu erfinden. Wer sich einen solchen Strahler kauft, der kann ganze sagenhafte 2,50 Euro (zweifuffzich!) in einen Baumschößling investieren, der dann irgendwo in der Pampa in den Modder gestopft wird und mit Glück spätestens im nächsten Sommer wieder verreckt, weil wer kümmert sich schon darum, ob so ein grüner Pin am Arsch der Welt mal zum richtigen Baum wird? Wer dann nochmal einen Euro drauflegt, der bekommt sogar einen Sticker, dass sein Heizstrahler "klimaneutral" sei.

Merkbefreiungen gibt es gottseidank kostenlos. Und allen an dieser Debatte Beteiligten gehört eindeutig eine ausgestellt.

(Quelle: Spiegel)

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