Die durch die Verfassung garantierten Freiheitsrechte in Deutschland werden mal wieder "reformiert". In Schönbom-County (Brandenburg) gilt seit gestern ein neues Polizeigesetz, dass eine ganze Menge weitreichender Eingriffsbefugnisse neu regelt. Die Polizei darf dort ab sofort Wohnungen "akustisch Überwachen" ohne dazu vorher einen Richter fragen zu müssen. Wenn mal keine "Gefahr im Verzug" vorliegt, reicht es einen Amtsrichter zu fragen - bislang mussten mehrere Landesrichter zustimmen. Auch wenn es um das Verfolgen von Handys geht braucht die Polizei keine richterliche Erlaubnis mehr.
Sofern es der "Gefahrenabwehr" dient - also wohl so ziemlich immer - darf die Polizei für die nächsten zwei Jahre mit einem "IMSI-Catcher" Handys "orten". Dieses Gerät bildet eine komplette Relaistation für das jeweilige Handy nach und ermöglicht dessen allumfassende Kontrolle. Außerdem darf die Polizei in Brandenburg jetzt ohne jeden Verdacht - also "weil sie es kann" - Telekommunikationsvorgänge verhindern und unterbrechen.
Damit aber nicht genug. Auch die bislang weitestgehend ohne Rechtsgrundlage in Brandenburg "erprobte" Videoüberwachung wird nicht nur gesetzlich verankert, sondern auch deutlich ausgeweitet. Zukünftig darf jeder "öffentlich zugängliche Ort" gefilmt werden, für den sich eine "besondere Gefährdung" konstruieren lässt - zum Beispiel, weil dort irgendwann mal ein Drogendealer langelaufen ist oder so. Die Aufzeichnungen dürfen 48 Stunden lang aufbewahrt werden.
Die automatische Erfassung, Kontrolle und Auswertung von Kfz-Kennzeichen wird jetzt auch erlaubt. Speziell Autobahnbrücken sollen dazu mit Spezialkameras ausgerüstet werden, mit denen dann alle Autos erfasst und kontrolliert werden. Diese Regelung ist vorläufig auf zwei Jahre befristet.
Trotz erheblicher Proteste im Vorfeld wurden die Überwachungsbefugnisse zu lasten der Bürger einseitig stark erweitert. Auch Landespolitiker kritisierten die neue Gesetzgebung. Die Kritik reicht von "unangemessen", "gegen die liberalen Grundsätze verstoßend" bis hin zu "verfassungswidrig". Sehr bedenklich ist bei dieser Gesetzgebung, dass jeder überwacht und kontrolliert werden darf (und wohl auch wird), egal, ob er sich etwas zu Schulden kommen ließ oder nicht. Zukünftig gilt in Brandenburg damit der Generalverdacht gegen alle und nicht der Staat muß die Schuld beweisen, sondern der einzelne Bürger seine Unschuld.
Interessant ist, dass nicht nur die Fraktion "Die Linke" gegen die Gesetzesvorlage stimmte, sondern auch die rechtsextreme DVU. Bedenklich ist bei der Gesetzesänderung auch, dass sich die Kriminalitätslage in den letzten 10 Jahren immer mehr verbessert hat und die Statistiken einen Rückgang der Straftaten um mehr als 30% attestieren.
Innenminister Schönbohm (CDU) meint dagegen, die Sicherheit der Bürger müsse gewährleistet werden - was sie ja bislang definitiv nicht war, sieht man ja an den hunderttausenden, die jedes Jahr in Brandenburg Opfer schwerster Straftaten werden. Das Gesetz ist seiner Meinung nach rechtsstaatlich einwandfrei - ach was? - und vor allen Maßnahmen gebe es hohe juristische Hürden. Sagt er. Welche denn? Ein "Besonders gefährdeter Ort" lässt sich ohne großen Aufwand leicht argumentativ begründen. Zumal die Überwachung nicht bekanntgegeben werden muss und auch nicht in jedem Fall im Nachhinein auf ihre Zulässigkeit durch Gerichte überprüft wird. Verstecken wir halt die Kamera! Wenn die keiner sieht, dann wird auch keiner fragen!
Wohnraumüberwachung ohne richterliche Genehmigung? Wie war das noch mit dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung? "Gefahr im Verzug" lässt sich auch nicht gerade schwer herbeiargumentieren: "wenn ohne das Eingreifen der Polizei Schaden für Staat, Rechtsordnung etc. entstehen könnte". Ich möchte den Polizisten sehen, der das nicht aus dem Stehgreif beliebig "nach Bedarf" herleiten kann. Auch toll ist der Wegfall der richterlichen Kontrolle bei der Überwachung von Handys.
Welche "hohen juristischen Hürden" meint Herr Schönbohm denn genau? Die Hürde Polizist zu werden oder die Hürde gegen diese Maßnahmen anzugehen bzw. sie durch Gerichte überprüfen zu lassen?
(Quelle: Heise)
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