Freitag, 18. August 2006

Schleier und Wasser

TuerkeiSchleier und Wasser haben zwar auf den ersten Blick nichts gemeinsam, aber in der Türkei ist das anders. Da sind beides Ecksteine im Bild über sehr fundamentale Vorstellungen in diesem nicht ganz unumstritteten Land auf zwei Kontinenten, das sehr energisch die Vollmitgliedschaft in der EU fordert. Die EU ist da ja grundsätzlich nicht abgeneigt, aber die Türkei sollte langsam bestimmte Standards erfüllen, zum Beispiel was die Menschenrechte und die Gleichbehandlung von Männern und Frauen angeht. Die türkische Regierung ist immer wieder sehr versessen darauf zu unterreichen, wie fortschrittlich man doch in der Türkei inzwischen sei und was Frauen so alles dürfen und so weiter.

Dumm nur, dass es die Medien gibt. Die berichten nämlich ganz anderes. Türkische Zeitungen berichten heute zum Beispiel darüber, dass die türkische Autorin Ipek Calislar bis zu vier jahre ins Gefängnis gesperrt werden soll, weil sie den Staatsgründer Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk beleidigt habe. In einem Buch schilderte sie wie Atatürk einem Attentat entkommen konnte, indem er auf Anraten seiner Frau Latife Hanim mit einem Schleier als Frau verkleidet aus dem Palast flüchte. Männer mit Schleier! Eine unfaßbare Beleidigung!

Aber es geht noch besser. Die Türkei hat sich - auch im Rahmen der Verbesserung der Gleichstellung von Mann und Frau - durchgerungen, Beratungsstellen für Frauen einzurichten. Hier sollen sich zum Beispiel Opfer häuslicher Gewalt praktischen Rat holen. Die in der Türkei vom staatlichen Religionsamt betriebenen Beratungsstellen empfehlen den Hilfesuchenden vor allem eins: Häufige Gebete. Zusätzlich soll es helfen, gesegnetes Wasser zu trinken. Auch eine Pilgerfahrt nach Mekka, zusammen mit dem gewalttätigen Ehemann, soll helfen. Auf keinen Fall sehen diese Beratungsstellen aber das Einschalten von Polizei oder Staatsanwaltschaft als "hilfreiche Maßnahme" an, um die Gewalt in den Griff zu bekommen.

Immerhin: Inzwischen berichten die eigenen Medien der Türkei über solche Zustände und Vorfälle und es müssen nicht erst - wie früher - ausländische Medien auf solche Skandale hinweisen. Trotzdem: Die Türkei ist noch weit davon entfernt in irgendeiner Form irgendetwas von der EU verlangen oder fordern zu können, solange solche Zustände herrschen.

Andererseits... Die EU hat auch schon ganz anderen Staaten die Mitgliedschaft hinterhergeworfen...

(Quelle: AFP, Netzeitung)

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