Samstag, 24. Juni 2006

Es geht rund in Baghdad

Jeep Feuer IrakAssociated Press berichtet davon, dass es im Irak mal wieder ziemlich heftig zur Sache geht. In der Hauptstadt Baghdad waren am Freitag nahe der schwer befestigten "Grünen Zone" so heftige Kämpfe zwischen regulären Truppen und militanten Aufständischen ausgebrochen, dass die Regierung den unbefristeten Notstand ausrief und vorrübergehend eine Ausgangssperre verhängte.

Was auf den ersten Blick noch beinahe "gewöhnlich" klingt, ist bei näherer Betrachtung wohl eher ein Hinweis auf eine deutliche Veränderung der Lage im Irak. Zu wessen Vorteil muss sich allerdings noch zeigen. Die Gefechte fanden nicht "irgendwo im nirgendwo" statt oder in einer der "üblichen Rebellenhochburgen", sondern entlang einer Hauptverkehrsstraße in der Hauptstadt des Irak. Die Gefechte gingen in den frühen Morgenstunden los und dauerten bis zum frühen Abend. Medienberichte sprechen von "schwer bewaffneten Angreifern", die sich mit den regulären Truppen des Irak und der USA lange und heftige Feuergefechte entlang der Haifa Straße, nahe der Grünen Zone, geliefert hätten. Parallel dazu explodierten mehrere Bomben in Baghdad, eine davon in einer Moschee.

Ein offizieller Vertreter des Verteidigungsministeriums, Generalmajor Abdul-Aziz Mohamed Jassim teilte mit, dass es während des Ausnahmezustandes allen Zivilisten verboten sei, Waffen zu tragen. Die Armee dürfe alle "bestrafen", die dennoch Waffen tragen und auf sie schießen, wenn sie sich bedroht fühlen - was im Klartext ein Freibrief dafür ist, schießen zu dürfen ohne überhaupt Fragen stellen zu wollen. Haditha lässt grüßen.

Verschiedene Quellen berichten, dass die Gefechte begannen, nachdem die Aufständischen eine Straßensperre errichtet hatten. In der Hauptstadt. Am hellichten Tage. Auf einer Hauptverkehrsstraße. Unmittelbar in der Nähe der sicheren Enklave in Baghdad, der "Grünen Zone". Ob das zu Onkel Georges Beschreibung der "Fortschritte" passt, die USA und irakische Regierung machen? Für mich klingt das eher nach dem genauen Gegenteil. Ausgangssperren und Ausnahmezustand sind nach meinem Verständnis eher Zeichen dafür, dass man die Lage nicht mehr so im Griff hat, wie man eigentlich sollte.

Insgesamt scheint die USA im Irak momentan auf der Stelle zu treten. Zwar konnte man noch triumphierend verkünden, dass der Top-Terrorist im Irak, Abu Musab al-Sarkawi, ausgeschaltet wurde - schön medienwirksam mit Kameraaufnahme der Bombenexplosion und allem was dazu gehört. Aber ansonsten ists eher mau mit den Erfolgsmeldungen. Immer mehr "Verbündete" aus der "Koalition der Willigen" ziehen ihre Truppen komplett ab. Die US-Regierung musste zuletzt selbst eingestehen, dass es in einigen Bereichen noch immer massive Probleme gibt, auch was die eigenen Truppen angeht: Die Rekrutierungszahlen in den USA sind so niedrig wie nie zuvor. Inzwischen verweigern sogar Offiziere bewußt medienwirksam den Marschbefehl in den Irak. Das Drama um das Verhalten der eigenen Truppen gegenüber Zivilisten macht die Lage dabei nicht besser. Die irakische Regierung spricht mal mehr mal weniger offen von "Bürgerkrieg", je nach dem, ob Amerikaner dabei sind oder nicht.

Aber was wird passieren, wenn die USA ihre Truppen aus dem Irak abziehen? Was passiert, wenn die USA wirklich die Sachen packen und sagen: "Ok, ihr habt Recht, wir gehen"? Wird es dann besser?

Wohl niemand glaubt ernsthaft daran, dass die gegenwärtige Regierung des Irak fest genug im Sattel sitzt, um die Lage in den Griff zu bekommen. Es käme dann wohl auch deshalb eher noch schneller zu einer Eskalation der Gewalt zwischen den verschiedenen militanten Gruppierungen. Der Irak wäre sehr wahrscheinlich auf Jahre hinaus ein sehr instabiles Krisengebiet, was gerade in Anbetracht der Gesamtsituation in der Region niemand wirklich wollen kann. Man denke nur an das Thema Öl.

Es steht nicht fest, welche der Gruppierungen sich auf lange Sicht durchsetzen wird, aber kaum jemand räumt zur Zeit den "pro-westlich" eingestellten, gemäßigteren Gruppierungen ohne massive Intervention von außen ernsthafte Chancen ein. Vielmehr erwarten Beobachter im Falle des Abzugs der USA zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Entstehung einer ähnlich dem Iran aufgestellten, stark fundamentalistisch orientierten Religionsführung, die eine "genehme" Regierung kontrollieren wird. Aber ob das tatsächlich so kommt kann zur Zeit keiner mit Sicherheit vorhersagen. Für die Bewohner des Irak würde es jedenfalls so oder so nicht wirklich besser werden in naher Zukunft.

Sicher, die USA machen eine ganze Menge Fehler im Irak und es wird nachfolgenden Generationen sicher nicht leicht fallen, das gegenwärtige Handeln der USA im Irak positiv zu bewerten. Trotz allem ist die Situation so, wie sie ist. Die USA zur Zeit im Irak zu lassen ist - so wenig angenehm diese Vorstellung auch ist - zur Zeit das geringste Übel.

Oder soll die Bundeswehr...?

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