Es gibt Zahlen darüber, was eine schulische Ausbildung kostet. Im so genannten "Zuschussbedarf für Schulen in kommunaler Trägerschaft pro Schüler" für allgemeinbildende Schulen sind alle Kosten zusammengefasst, die dem Staat durch einen Schüler entstehen: Lehrpersonal, Gebäude, Lehrmaterialien etc. etc. Dieser Betrag schwankt von Kommune zu Kommune. 2002 / 2003 schwankte dieser Betrag zwischen rund 300 und rund 1500 Euro. Im Mittel ist ein Betrag von 850 Euro ein guter und niedrig angesetzter Näherungswert.
850 Euro für jeweils 12 Monate über 9 Schuljahre hinweg summieren sich auf 92.000 Euro. Die Abgänger / Abbrecher aus Realschulen und Gymnasien müssten gesondert berechnet werden, da sie 10 bis 13 Jahre finanziert wurden, aber das macht das Modell nur unnötig kompliziert. 90.000 Euro ist eine Hausnummer mit der sich gut rechnen und leben lässt.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (IHK) geht davon aus, dass jedes Jahr rund 90.000 Schulabgänger die allgemein bildenden Schulen ohne jeglichen Abschluss verlassen. Dazu rechnet die IHK diejenigen Schüler hinzu, die mit einem besonders schlechten Abschluss abgehen. Alles zusammen 200.000 Jugendliche, die als "nicht oder nur bedingt ausbildungsfähig" gelten.
Jedes Jahr werden nach diesem Modell 200.000 x 90.000 Euro Bildungsinvestition "in den Sand gesetzt". Das sind mal eben 18.000.000.000 Euro. Als unterer Annahmewert.
Achtzehn Milliarden Euro. Jedes Jahr.
"In den Sand gesetzt" deshalb, weil die Investition in die Bildung nicht zurückgezahlt wird. Ein Schüler mit Schulabschluss, der "normal" seinen Weg macht, bezahlt früher oder später die Investition des Staates in seine Ausbildung durch die von ihm gezahlten Steuern mehr oder weniger "mit Gewinn" zurück. Diejenigen, die keinen Job finden nicht. Wenn es nicht gelingt auch diese Jugendlichen in den Wertschöpfungsprozess zu integrieren, dann ist das in sie investierte Kapital für den Staat verloren.
Deshalb entstehen Folgekosten durch das Sozialsystem, das diese Jugendlichen versucht aufzufangen. Frank-Jürgen Weise, Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (den meisten noch eher als "Arbeitsamt" ein Begriff), gab gegenüber dem Tagesspiegel an:
"Es geht nicht, dass das Bildungssystem uns Jugendliche übergibt, die nicht ausbildungs- und beschäftigungsfähig sind. Wer kein Deutsch kann, der ist eigentlich kaum in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft integrierbar."Und er meint damit nicht nur die Kinder fremdsprachiger Einwanderer. Die meint er auch, aber die "Problemkandidaten" sind unabhängig von ihrer Herkunft der deutschen Sprache in Wort und Schrift kaum mächtig, von elementaren mathematischen Fähigkeiten und Grundzügen einer Allgemeinbildung ganz zu schweigen. Pisa lässt grüßen.
Das Arbeitsamt, Entschuldigung, "die BA" versucht diese Bildungsdefizite irgendwie aufzufangen und irgendwie auszugleichen. Das kostet Geld:
"Die Beitrags- und Steuerzahler kostet diese Intensivbetreuung mehr als sechs Milliarden Euro - jedes Jahr"Alleine die Tatsache, dass wir ein Bildungssystem haben, das vor Problemen und Schwächen nur so strotzt, kostet uns - den Steuerzahler, den Staat - Jahr für Jahr mindestens vierundzwanzig Milliarden Euro. Die tatsächliche Summe dürfte um einiges höher liegen. Das ist im Vergleich sehr viel mehr als zum Beispiel der gesamte Verteidigungshaushalt der Bundesrepublik.
So gesehen kostet uns die seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten, um die Schulen und das Bildungssystem ganz allgemein geführte Debatte mehr Geld, als wir uns leisten können. Ja, das Integrationsproblem der Einwanderer spielt da auch mit rein, aber das ist nicht die ganze Geschichte. Da aber der Prozentsatz derer zunimmt, die mit ausländischer Abstammung nach Durchlaufen des Schulsystems in diesem "Bodensatz" wiederzufinden sind, ist die Überlegung der Politiker wie folgt:
Die Kosten für eine Verbesserung der Integration lassen sich zumindest zum Teil auf die Einwanderer abwälzen und insgesamt sind diese Kosten deutlich niedriger als die Kosten für die Reform des Schulsystems. Die muss nämlich der gesamte Staat tragen und die Auswirkungen sind so gewaltig, dass kein Politiker Bock darauf hat, dieses Thema auch nur ansatzweise ernsthaft anzufassen. Ausbildung der Lehrer, Änderung des Lehrstoffs, umbauten in den Schulen, Personalgestaltung und so weiter sind nur ein paar der Stichworte um die es geht.
Durch ein paar publicitywirksame Veränderungen an der Integration der Ausländer kann man nicht nur wunderbar auf Stimmenfang gehen, man kann auch gleichzeitig das marode Schulsystem noch ein Stückchen weiter in Richtung seiner eigenen politischen Nachfolger schubsen. "Sollen sich die anderen doch drum kümmern." Bis der Kahn endgültig absäuft kann man ja immer hier und da mal ein wenig dran herumflicken.
Dadurch wird's nur leider nicht besser. Reformen am Bildungssystem, die wir heute nicht durchführen, werden sich in zukünftigen Generationen böse rächen. Irgendwann sind nämlich die moderneren und leistungsfähigeren Schulsysteme anderer Staaten unserem System so weit voraus, dass unser Bildungsnachwuchs im internationalen Vergleich auf den zunehmend immer enger globalisierten Märkten keine wirkliche Chance mehr hat. Dann sind wir (bzw. unsere Kinder) plötzlich die Zuwanderer aus dem Entwicklungsland. Und dann?
So gesehen sollte man den Politikern vielleicht langsam mal die Frage stellen, ob es nicht sinnvoller wäre ein paar Milliarden in die langfristige Zukunft Deutschlands zu investieren, statt jedes Jahr 24 Milliarden auf nimmer Wiedersehen in den Kamin zu schieben.
Aber ich sehe das wahrscheinlich zu verbissen.
Nein, ich glaube, Du siehst das nicht zu verbissen. Die, die sich Politiker nennen, sehen Problematiken allerdings nur im Rahmen von Parteiprogrammen, in einem maximalem Zeitraum von 4 Jahren. Wäre das anders, würde es uns heute allen besser gehen.
AntwortenLöschenmfg Boje