Samstag, 11. Februar 2006

Religion und so...

Es ist nicht so, dass nur im fernen Ägypten bestimmte Meinungsäußerungen von staatlicher Seite negativ santioniert werden. Auch hier in unserer Nachbarschaft passiert soetwas durchaus. In Berlusconiland sorry, Italien hat die Kirche durchaus die Macht dazu, bestimmte kritische Entwicklungen und Vorgänge zu beeinflussen.

Da wir ja jetzt gerade Papst sind wissen wir natürlich, dass die katholische Kirche (oder kurz "DIE Kirche") im Petersdom zu Hause ist. Der steht zwar grob gepeilt in Rom, aber tatsächlich im Vatikanstaat in der Vatikanstadt, und das wiederum ist ein autonomer Staat, komplett mit eigener Flagge, eigener Post, eigener Eisenbahn (Gesamtlänge des Schienennetzes 2001 geschätzt 0,86 km), eigenem Radiosender (und der ist nicht wirklich "klein", siehe unter "Technik"), eigener Bank (IOR, Istituto per le Opere di Religione, Institut für die Werke der Religion) mit den wahrscheinlich weltweit einzigen Geldautomaten mit GUI in lateinischer Sprache, und was man sonst alles so braucht, um einen Staat zu basteln. Sogar eine eigene Armee leistet man sich dort. Wer detailiertere Werbung darüber lesen möchte, kann sich ja mal schlau lesen bei unser aller Pontifex unter:
http://www.vatican.va/
. So genug dazu.

Vor einiger Zeit liegen sich zwei ehemalige Schulkameraden in den Haaren. Das ist soweit nichts ungewöhnliches, doch erstens sind die beiden Streithähne deutlich über 70 und zweitens ist einer der beiden Priester und der andere überzeugter Atheist. Erinnert irgendwie an Don Camillo und Peppone.

Brisant wird diese Geschichte dadurch, dass zwischen den beiden ein Streit andauert, in dem es letztenendes um die Existenz Jesu geht. Der Priester hatte dem Atheisten irgendwann einmal öffentlich vorgeworfen, die Existenz Jesu in Frage gestellt zu haben. Das ließ sich der Atheist nicht gefallen und verklagte den Priester wegen Irreführung und Identitätstäuschung. Unter anderem warf er dem Priester vor, mit Hilfe der christlichen Lehre die Leichtgläubigkeit der Menschen ausgenutzt zu haben. Im Klartext bedeutete dies, dass es um den Beweis der Existenz des historischen Jesus von Nazareth in Verbindung mit dem Nachweis ging - und jetzt kommts - das dieser tatsächlich der Sohn Gottes war (oder ist, je nach dem.) Der Richter der ersten Instanz sah sich von diesem Rechtsstreit ein wenig überfordert und übergab die ganze Geschichte an die nächst höhere weiter. Dort wurde dann Anfang Januar 2006 entschieden, dass der Priester in der kommenden Anhörung die Existenz Jesu beweisen müsste.

Ahäm. Also noch mal langsam. Irgendwo auf dem italienischen Land nahe Rom haben sich zwei Sturköppe in den Klatten und landen vor Gericht. Statt damit die Sache zu begraben und den zu erwartenden Schlußpunkt zu setzen steht urplötzlich die Glaubensgrundlage der christlichen Kirche auf dem weltlich-juristischem Prüfstand.

Das geht natürlich mal so rein gar nicht und schon erst recht nicht in Italien, also wurde jetzt entschieden, dass es zu ebendieser Anhörung nicht kommen werde und die Klage des Atheisten abgewiesen wird. Es ist nicht völlig abwegig, dass hier DIE Kirche ein wenig interveniert hat und über diverse Kanäle und Kontakte bei bestimmten Leuten mal bescheidgegeben hat, was "man" denn wohl davon halten würde, wenn "man" sich plötzlich vor weltlichen Gerichten über Fragen des unantastbaren Glaubens äußern müsste, noch dazu gerade in dieser kritischen Zeit der sich anbahnenden und ausufernden Glaubenskonflikte undsoweiter und man müsse ja auch mal an die vielen millionen zahlungskräftigen Anhänger dieser überaus finanzkräftigen und global aggierenden Organisation Mitglieder der Glaubensgemeinschaft denken und was für ein Bild das auf Italien, ja sogar auf ganz Europa, wenn nicht gar das ganze "christliche" Abendland werfen würde.

Vollkommen überraschend droht dem Atheisten jetzt im Gegenzug eine Klage wegen Verunglimpfung, wobei offen ist, von wem die denn wohl eingereicht werden würde. Unser streitsamer Atheist hat aber bereits angekündigt, die Sache vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen.

Bin mal gespannt, was daraus wird.

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