Samstag, 11. Februar 2006

Warum ich die X-Box nicht mag

Es fällt zunehmend auf, dass die XBox360 wohl nicht so der Renner zu sein scheint, wie man das gerne hätte. Die Gründe mögen im globalen Kontext komplex und vielfältig sein, aber auf die Frage an mich selber "Würdest Du Dir eine XBox kaufen?" könnte ich mit gutem Gewissen und einiger Überzeugung sagen "Nö, im Moment auf gar keinen Fall!" Manche verstehen das instinktiv, andere überhaupt nicht. Manche meinen "Nuja, er wird seine Gründe haben."

Als ich vorhin auf Slashdot die Artikel über Microsofts Pläne für die Zukunft des PC-Gamings und der X-Box und über das neue OS "Vista" las, habe ich angefangen mir über genau diese Frage einige Gedanken zu machen. Schon vor recht langer Zeit war (nicht nur) auf Slashdot zu lesen, dass "die Industrie" einfach nicht möchte, dass "wir" (die Enduser) PCs haben und benutzen. PCs sind zu mächtig, zu flexibel und können zu viele andere Geräte ersetzen, als dass das für die Industrie im Ganzen auf lange Sicht "gut" oder zumindest erstrebenswert wäre. Ein weiteres Problem sind die Entwicklungskosten, die - nicht nur bedingt durch die nahezu unendliche Vielfalt der Hardwarekombinationen - besonders bei Spielen schnell in ungeahnte Höhen schnellen können.

Was hat das mit der X-Box zu tun? Die X-Box soll Gewinne erzeugen. Dem User soll bei allem was er tut über die Schulter geschaut werden. Wertvolle Marktinformationen sollen so gewonnen werden. Der User soll ständig Online sein. Er soll seine Spiele und alle Software online erwerben und er soll konsumieren, nicht produzieren. Wer produziert ist ein potentieller Konkurrent am Markt. Man will sich ja schließlich keine Konkurrenten heranzüchten, sondern Konsumenten. Consolen sind aus der Sicht der Industrie die beste Kombination aus Fernseher und Computer: Genau so viel Interaktionsmöglichkeit, dass der Konsument glaubt, er könne wirklich Einfluss nehmen und entscheiden, ohne dabei aber tatsächlich eine Wahl außerhalb der ihm durch die "Anbieter" gesetzten Grenzen zu haben.

Mit keiner Console kann man selbst etwas "erzeugen". Es gibt keine Grafikprogramme, keine Compiler, keine Editoren, keine Textverarbeitungen und auch keine Tabellenkalkulationen für die Console. Aber dafür soll es schon sehr bald Webbrowser geben und damit die ultimative Konsumschnittstelle zwischen Console und Internet, allerdings ohne das Risiko, dass der Konsument etwa selber entscheiden könne, was er sich ansieht. Plugins wie z. B. Adblock wird es für diese Webbrowser mit einiger Sicherheit nicht geben. Jeder kann sich mit ein wenig Kreativität ausmalen, wie in etwa man sich die so genannte "Internet Experience" unter der vollständigen Kontrolle des Herstellers der benutzten Hard- und Software und gleichzeitig auch Portalbetreibers und seiner "strategischen Kooperationspartner" vorzustellen hat.

Genau das ist die Position, die Microsoft versucht einzunehmen. Mit MSN und allen damit verbundenen Produktplattformen (Die Industrie bevorzugt den Terminus "Dienste") hat sich Microsoft das Portal aufgebaut, über das der Internetzugang laufen soll. Mit den im eigenen Hause produzierten Betriebssystemen und den damit verbundenen Programmen zur Medienwiedergabe hat man weitestgehend die Kontrolle darüber, welche Medien überhaupt konsumiert werden können. Man denke nur an den Horror "DRM" (Digital Restriction Management), der uns mit Gewalt aufgezwungen wird. Angeblich zu unserem eigenen Schutz, tatsächlich aber wohl wahrscheinlich doch eher zur Ausweitung der Kontrolle der Industrie darüber, was wir mit den Produkten tun und lassen können.

Insgesamt hat sich Microsoft zu sehr zu einem Moloch entwickelt, dem ich instinktiv nicht mehr vertraue als unumgänglich. Bekundungen wie 'Software sollte nur zu mieten sein' und 'wir verkaufen keine Lizenzen, wir verleihen sie nur vorübergehend gegen Geld' haben nicht dazu beigetragen, dass mein Vertrauen wachsen würde.

Erschwerend kommt hinzu, dass Spiele für die X-Box unverschämt teuer sind. Laufen "frische" Toptitel für PCs im Laden für rund 45-50 Euro, sind für dieselben Titel für die Box in aller Deutlichkeit 55 bis 60 Euro angestrebt. Ich soll 10 Euro mehr ausgeben für im Endeffekt weniger? Ich soll mehr Kohle rausrücken, bloß weil Microsoft die Console für deutlich unter den tatsächlichen Kosten der Hardware in den Markt prügeln will, um sich dann hinterher an den Verkaufspreisen der Software gesundzustoßen? Und dann soll ich auch noch im Detail darüber Auskunft geben, welche Produkte ich wann, wie lange und wie erfolgreich genutzt habe? Ich soll ausgerechnet diese Firma in meine Privatsphäre hineinlassen, quasi mit Kamera, Mikrofon, Logfiles und so weiter, in meine Freizeit, den intimsten Bereich der wertvollsten Zeit meines Tages? Nö. Das sehe ich einfach mal so ganz pauschal überhaupt nicht ein.

Ganz abgesehen davon: Das Produkt überzeugt mich einfach nicht. Die X-Box ist nicht das, was ich will. Die X-Box mag vollgepfropft sein mit Hightech der allerneuesten Generation und superhyperendkrass durchgestylt sein - irc'en kann ich mit der Schleuder trotzdem nicht und von "mal eben beim Frickeln ne Runde daddeln" braucht man bei Consolen eh nicht zu reden. Die Dinger sind wie das gute alte Brettspiel von Oma: Man kann damit genau das machen, wofür sie gebaut wurden, und das ist konsumieren. Produktiv oder gar kreativ sein, das ist mit den Dingern einfach nicht drin, und ich glaube das ist am Ende auch der Grund, warum ich Consolen generell, die X-Box aber ganz besonders und mit Inbrunst ablehne.

Vermutlich geht es noch einigen Menschen mehr so. Der Unterschied zwischen PC und Console ist zu groß, der Mehrwert beim PC zu überwältigend, als dass man zur Zeit eine Console ernsthaft einem PC auch nur annähernd als "ebenbürtig" bezeichnen könnte. Ja, PCs sind teuer. 1500 Euro sind eine faire Hausnummer bei der kompletten Neubeschaffung eines "ordentlichen" Systems zum daddeln mit Bildschirm und allem drum und dran. Consolen der dritten Generation (die 360 ist eine solche) kosten im Vergleich scheinbar "nur" 300-400 Euro, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Zusätzlich braucht es dann noch ein Display, das der HD-Norm der X-Box entspricht, um überhaupt in den Genuss aller visuellen Vorteile dieses Systems kommen zu können. Eine Console am PC-Monitor macht nicht nur keinen Sinn, das macht auch keinen Spaß. Also braucht es einen entsprechenden Fernseher mit Stereoanlage. Fernseher, HD-fähig: 1000 Euro. Sound-System für die entsprechende Raumgröße mit entsprechender Audio-Norm: 300-500 Euro. Hupsi. Und das nur für die Einsteigerklasse.

Also bei aller Liebe zum Daddeln: *DAS* ist mir dann doch etwas sehr viel zu teuer. Und da kann man mir tausendmal einen vorsülzen wie super doch das Spiel XY auf der Console ist, am Ende und unterm Strich ist der Spaß a) einfach zu teuer b) nicht das was ich will und c) bietet das ganze viel zu wenig an Gegenleistung für das, was ich an Rechten und an Privatsphäre aufgeben soll und d) wie war das noch mit Strategiespielen auf Console?

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