Mittwoch, 15. Februar 2006

Do Not Shoot!

9/11 hat gezeigt, dass zivile Verkehrsflugzeuge ein prima Weg sind, um erstens eine Menge Leute in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen und zweitens mit ein ganz klein wenig Übung eine Menge Schaden anzurichten.

Auch in Deutschland wurde deshalb überlegt, was denn zu tun sei, wenn jemand ein Flugzeug entführt und dann androht, selbiges in sagen wir mal ein Atomkraftwerk oder in eine Chemiefabrik stürzen zu lassen. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.

Es gibt dann ja nicht ganz so viele Optionen. Das Ziel kann man kaum wegbewegen, also muss das Flugzeug irgendwie "da weg". Nahe liegend wäre es, den Vogel abzuschießen. In Deutschland hätte diesen Job die Bundeswehr. Das war aber nicht ganz unumstritten. In einem entführten Flugzeug sitzen ja nun nicht alles Täter, sondern auch eine ganze Menge Leute, die eigentlich gar nicht vorhaben, sich in den Heldentod für ihr Vaterland oder irgendeine andere "Sache" (siehe auch "Clash of Cultures") zu stürzen. Darum hat sich das Bundesverfassungsgericht mit dieser Frage beschäftigt.

Dort wurde entschieden, dass auch im Notfall ein von Selbstmordattentätern entführtes Passagierflugzeug über deutschem Hoheitsgebiet nicht abgeschossen werden darf, nicht von der Bundeswehr und auch nicht von irgendjemand anderem. Die entsprechenden Regelungen über die "unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt" im Luftsicherheitsgesetz sind mithin verfassungswidrig und damit null und nichtig. Tjo. Und nu?

Ist ja schön und gut, dass das Verfassungsgericht festgestellt hat, dass es gegen die Menschenwürde verstößt, ein mit Unschuldigen besetztes Flugzeug abzuschießen, um eine Bedrohung zu beseitigen. Aber wie stellen sich die Damen und Herren denn bitte schön vor, dass man die Bevölkerung schützen soll? Hieß es nicht "das Wohl einiger Weniger zum Wohl aller opfern ist Ausdruck des Mehrheitsprinzips in Demokratien"? Soll jetzt der Staat einfach nur zugucken, wenn zum Beispiel ein Flieger der Lufthansa in den Produktionsstandort von BASF gesteuert wird und die zu erwartende Chemikalienwolke mehrer tausend Menschen gefährdet?

Auf der anderen Seite lässt sich natürlich auch argumentieren "dann müssen solche Risikoobjekte eben gegen entsprechende Gefahren gesichert werden." In der Theorie und am grünen Tisch klingt das toll. In der Praxis ist so etwas nicht nur unglaublich teuer (und macht damit den Wirtschaftsstandort Deutschland noch unattraktiver), es ist auch eine Illusion zu glauben, dass es so etwas wie einen "absoluten Schutz" oder "allumfassende Sicherheit" gäbe.

Wer ein Flugzeug entführen will, der schafft es auch irgendwie. Es ist eine Frage der Logistik, des Willens und so weiter. Ja, es ist (gottseidank!) nicht einfach, aber es ist auch nicht unmöglich. Wenn eine Boeing 737 oder ein Airbus 306 vollbesetzt in eine Fabrik stürzt, dann ist da nichts zu wollen. Dann gibt es Tote. Wenn der Flieger dann auch noch genug Sprit dabei hat und die richtige Stelle getroffen wird, dann geht es rund und die Rettungsdienste, der Katastrophenschutz und so weiter haben ihren Spaß.

Es waren ja schon einige andere Lösungen im Gespräch. Zum Beispiel Fernsteuerungen oder GPS-Tarngeräte. Das Problem ist aber, dass nicht nur kaum eine Fluggesellschaft von sich aus bereit wäre, so etwas einzubauen. Das Problem ist vielmehr, dass auf internationaler Ebene kein Aas interessiert, was sich das deutsche Luftfahrtbundesamt so alle ausdenkt. Auf dem Parket gibt eindeutig die amerikanische Luftaufsichtsbehörde den Ton an und sonst niemand. Und dann will Deutschland alle zwingen "mal eben" für ein paar Milliönchen alle Flieger umbauen zu lassen, die nach Deutschland fliegen? Ganz abgesehen von der Frage, ob auch nur eine einzige amerikanische Fluglinie jemals zulassen wird, dass Nichtamerikaner ihre Maschinen fernsteuern können.

Das Problem ist heikel, und die Lösungen sind nicht die Besten. Ob es aber eine im Sinne des Wortes "richtige" Entscheidung war, die nahe liegende und effiziente Lösung zu verbieten, stelle ich in Frage, denn eine andere Lösung scheint es nicht zu geben - wenn man nicht pauschal auf die zivile Luftfahrt verzichten will. Jedenfalls gibt es zurzeit keine Lösung, die praktikabel erscheint. In den USA übrigens hat man in derselben Frage das Recht des Staates auf Abschuss der Zivilmaschine als ultima Ratio bejaht. Interessant wäre deshalb gewesen, wenn die Richter nicht nur deutlich gemacht hätten, dass die Regierung solche Gesetze nicht erlassen darf, dass die Opfer zu Objekten degradiert würden und so weiter, sondern wie sich die hochbezahlten Richter bitteschön vorstellen, wie ihr eigenes Leben "im Falle das" geschützt werden soll.

Vielleicht hilft ja beten.

3 Kommentare:

  1. Genau! Flächendeckend Fangnetze über Deutschland aufspannen! Hilft auch gegen das Pest-verseuchte Geflügel.

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  2. Jetzt wollt ich grad losmeckern "aber es gibt doch gar keinen A306 !!!!11", da lerne ich, dass damit wohl n A300-600 gemeint ist. Glückstreffer oder Fachwissen? ;)

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  3. Genau! Schiesst die Flieger ab! Die Bundeswehr wirds schon richten, mit ihren hochwertig ausgebildeten Zivildienstverweigerern.

    Und wo wir doch grad dabei sind: Soll uns dies qualifizierte Fachpersonal doch bitte gleich auch gegen vermummte Muslime schützen (wie man die vermummt erkennt? Ganz einfach: Ein Gelber Halbmond auf den Kaftan genäht, das half schon immer). Und wenn sie anfangen, sich dabei zu langweilen, oder gar eine Symbolblindheit entwickeln (rote Sterne und gelbe Halbmonde kann man ja leicht mal verwechseln), lasst die gleich auch auf alles schiessen, was a) vermumt, oder b) mit Gehstöcken bewaffnet, oder c) braungebrannt, oder d) cigaretterauchend ist. Man weiss ja nie, und die Krankenkasse wird's schon danken.

    Worauf ich die Aufmerksamkeit lenken möchte: Aus gutem Grund ist im Grundgesetz verankert, daß die Bundeswehr nicht im Inland eingesetzt werden darf (ausser, der böse Feind steht eben schon im Inland - wie eben alle vermummten Muslime/ Rentenbescheidempfänger/ Langzeitarbeitslose).

    Solange wir unsere Polizeikräfte nicht mit SAMs ausstatten (oh, und wie wären die begeistert, ich bin sicher *g*), reden wir hier über einen Grundgesetzverstoß. Oder eben über das Ändern des Grundgesetzes, "weil es grade notwendig erscheint" (um das Wort "opportun" mal zu vermeiden). - Hey, hab ich das nicht erst neulich aus den Reihen des bekennden Antidemokraten Stoiber gehört?

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