Montag, 7. März 2011

Froh zu sein bedarf es wenig...

Es gab Zeiten, da hat die sich politische Führung dieser unserer Republik aus allen internationalen Konflikten und Problemen einfach herausgehalten. Statt sinn- und planlos irgendwo herumzustümpern griffen die Damen und Herren aus Bonn, später Berlin, dem Steuerzahler an den Geldsack und kauften sich von jeder Verantwortung frei. Das war nicht immer die dümmste Idee.

Seit uns aber erlaubt wurde, die blühenden Landschaften jenseits der Elbe aufzukaufen, erwarten irgendwelche Leute offenbar, dass Deutschland sich wirklich beteiligt. Seit Afghanistan weiß auch der Letzte hierzulande, dass die Welt nicht in der Nähe von Bielefeld endet und das "deutsche Beteiligung im Ausland" nicht bedeutet, dass eine Frau Katzenberger auf Malle eine Kneipe vor die Wand fährt.

Nun herrscht Aufruhr in Nordafrika. Überall Demonstrationen und Bürgerkrieg und Massaker. Herrscher werden verrückt, entpuppen sich plötzlich als Despoten und Diktatoren und das Entsetzen ist groß! Da muss man doch was tun! Da kann man doch nicht einfach so zusehen und die Leute verrecken lassen!

Unser Außenminister muss von diesen oder ähnlichen Äußerungen getrieben worden sein. Er versprach vergangene Woche am Rande des Visegrad-Treffens in Bratislava, dass Deutschland in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR "in den nächsten Tagen etwa 4000 Flüchtlinge mit deutscher Unterstützung nach Ägypten bringen" könnte. Das ist doch nicht verkehrt, oder?

Berlin hat die Fregatten "Brandenburg" und "Rheinland-Pfalz", sowie den Einsatzgruppenversorger "Berlin" entsandt, um von Gabes aus ägyptische Libyen-Flüchtlinge zu evakuieren. Drei Schiffe. Dazu befragt sagt Kapitänleutnant Marco Hüde: "Vorbereitet haben wir uns auf 450." "Und das ist auch die maximale Aufnahmekapazität unter Berücksichtigung, dass das natürlich Kriegsschiffe sind und wir bereits circa 700 Soldatinnen und Soldaten an Bord haben." Laut Einsatzführungskommando in Potsdamm wurden dann tatsächlich 412 Flüchtlinge an Bord genommen.

Also, zum Mitschreiben: Drei deutsche Schiffe und 750 deutsche Soldaten evakuieren insgesamt 412 Flüchtlinge. Angekündigt hatte Außenminister Westerwelle "etwa 4000" Flüchtlinge zu evakuieren. Nur so zur Info: Gabes liegt in Tunesien. Siehe hier (Googlemaps). Das ist westlich von Libyen. Ägypten liegt östlich von Lybien. Man wird die Flüchtlinge nicht irgendwo in der Pampa von Bord schubsen, sondern bringt sie nach Alexandria. Das liegt hier (Googlemaps). Zwischen den beiden Orten liegen über den Daumen 2000 Kilometer. Die Fahrt soll grob 67 Stunden dauern. Knapp drei Tage. Einfache Tour. Wieder zurück dementsprechend auch wieder knapp drei Tage. Für die versprochenen 4000 zu evakuierenden Flüchtlinge braucht Deutschland dann... eben rechnen... 4000 geteilt durch 412 sind ungefähr 10, mal 6 Tage... prima. In zwei Monaten haben wir die von Westerwelle versprochenen 4000 Menschen "gerettet".

Zeitgleich evakuierte das sich im Moment bestimmt nicht gerade in der besten Situation befindende Ägypten selber per Luftbrücke vollkommen unbürokratisch 60.000 Flüchtlinge (sechzigtausend!) und bringt parallel dazu noch eine unbekannte Menge Flüchtlinge auf dem Seeweg nach Hause. Die "Mubarak", die in der Nähe des deutschen Rettungsverbandes ankerte, nahm zum Vergleich alleine 800 Flüchtlinge auf, während die Deutschen den Flüchtlingen einen von "gefährdete Arten" und "gefährliche Gegenstände" erzählte. Der ägyptische Kapitän der "Mubarak" sagte zu der Rettung befragt: "Wir sind so glücklich, die Leute hier rauszuholen." "Wir sind einfach froh, ihnen zu helfen."

Worüber die Deutschen "froh" sind, kann ich nicht einmal erahnen.

4 Kommentare:

  1. vielleicht hätte das unter Involvierung der Deutschen Bahn besser geklappt... oder... äh... nein vielleicht auch nicht.

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  2. Mal ganz ehrlich: In einem Wahljahr wie diesem sind alle Entscheidungen falsch und richtig zugleich.


    Thema Geld: Die Kohle für Heer, Marine und Luftwaffe fließt ohnehin und es ist egal, ob die Jungs dann Zivilisten aus einem Staat retten oder ein Manöver im Atlantik durchführen. So gesehen ist es noch nicht einmal Geldverschwendung, ganz im Gegenteil. Unser neuer MdB de Maizière könnte also was das liebe Geld angeht locker noch mehr Schiffe da hinschicken.

    Thema Ressourcen: Dass das, was aktuell aufgeboten wird, nichts halbes und nichts ganzes ist steht außer Frage. Doch da gibt es einen Pferdefuß: Die Ressourcen, die wir zur Verfügung haben, um solcherlei Aktionen durchzuführen, sind nicht unbegrenzt und es brennt an mehreren Stellen gleichzeitig. Ich kenne die Gesamtsituation unserer Marine nicht, weiß also nicht, was da noch an "Reserve" verfügbar ist. Wenn ich da belastbare Zahlen hätte, würde ich viel eher eine Meinung dazu haben können.


    Thema Anzahl der Flüchtlinge auf den Schiffen und was das Verhalten der Kommandierenden der Schiffe angeht: In Sachen "bedrohte Arten" tätig zu werden ist in der Tat lächerlich. Aber wenn es um die Sicherheit auf dem Schiff geht und völlig fremde Leute zu Hunderten auf mein Schiff kommen sollen - ein Schiff, was immerhin in der Lage dazu ist, mit handfesten Waffen ordentlich Theater zu veranstalten - ich würde auch penibel darauf achten, dass diese Leute keine Sachen mitbringen, mit denen sie meine Untergebenen überwältigen und unter Umständen das Schiff in ihre Gewalt bringen können.

    Das ist einfach eine Risikoabwägung und es gehört etwas Fingerspitzengefühl dazu. Doch man muss hier eine Sache auch klar herausstellen: Die Leute flüchten, weil Sie keine Alternative mehr haben und um ihr Leben fürchten müssen. Der gesamte Hausrat kann dabei aber nunmal nicht mitgenommen werden. Papiere, soweit vorhanden Geld, ein paar Habseeligkeiten - das muss reichen.

    Und genau das Selbe werden auch die Ägypter getan haben. Doch wenn die mehr Flüchtlinge auf einem Schiff unterbringen: War es ein baugleicher Typ, oder vergleichen wir hier Äpfel und Birnen? Und was die Luftbrücke angeht - nun, der Bund hat mit Sicherheit ein Problem, Maschinen der Luftwaffe einfach so in Ägypten und Libyen landen zu lassen. Klar, kann man lösen. Und dann fehlt im Informationspuzzle noch das Stück mit der Antwort auf die Frage nach der Kapazität der Flughäfen und vorhandener Auffanglager.


    Sich hinstellen und sinngemäß sagen "Was wir da leisten ist lächerlich" ist mir zu einfach.

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  3. "Die Ressourcen, die wir zur Verfügung haben, um solcherlei Aktionen durchzuführen, sind nicht unbegrenzt und es brennt an mehreren Stellen gleichzeitig."

    Genau das ist der Knackpunkt. Wie kann sich ausgerechnte derjenige Bundesminister hinstellen, der Deutschland international vertritt und etwas ankündigen, was gar nicht einzuhalten ist? Er muss wissen, was machbar ist und was nicht. Ihm muss bekannt sein, welche Kapazitäten verfügbar sind. Er muss das wissen, bevor er konkrete Zahlen ausspricht. Welches Bild entsteht da im In- wie Ausland? "Einfach mal irgendwas machen" funktioniert schon nicht im kleinen, privaten Sektor, auf internationaler Ebene wird damit meistens erst richtig Schaden angerichtet.

    "Unsere" Beteiligung in Afghanistan war bereits halbherzig und nicht zuende durchdacht. Die Folgen sollten sich inzwischen überall herumgesprochen haben. Es war nicht falsch, sich an den Missionen in Afghanistan zu beteiligen, es war nur falsch das auf diese Art und Weise zu tun. Hier wird derselbe Fehler wiederholt. Das muss kritisiert werden, denn es geht nicht um Bierdeckel oder 20 Kilo Reis, sondern um Menschenleben und die Zukunft einer ganzen Region.

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  4. *DAS* ist in der Tat etwas, wo man getrost sagen kann, dass das was wir da leisten lächerlich ist. Diesen Punkt habe ich in meinen Gedanken nicht berücksichtigt und in diesem Kontext bekommt Dein Posting auch wesentlich mehr Gehalt.

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