Montag, 22. März 2010

Learning by doing

Unser Bildungssystem ist nicht eben optimal. Diese Kritik ist nicht neu und kaum jemand mag dem ernsthaft widersprechen. Entscheidend für die Qualität dessen, was dieses System produziert, sind letztendlich die Lehrer. Schüler haben ihre eigene, meist negative, Meinung über Lehrer. Auch das ist nicht neu und hat in den meisten Fällen wenig mit der Kompetenz der Lehrkraft zu tun. Was aber, wenn ein Lehrer tatsächlich weit hinter dem zurückbleibt, was von ihm erwartet werden kann?

In jedem Unternehmen hat die geleistete Arbeit unmittelbare Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis. Wer sich als ungeeignet für einen Job erweist, wird entweder auf eine andere Stelle versetzt, die seiner Befähigung eher entspricht oder entlassen. Naheliegend zu erwarten, dass das auch für den Bildungsbetrieb gilt, denn gerade hier haben die Arbeitsleistungen der Mitarbeiter (lies: der Lehrer) weitreichende Folgen. Ein inkompetenter Lehrer verdirbt nicht nur ein paar Akten oder Blumentöpfe, sondern die Zukunft anderer Menschen.

Nicht wenige Lehrer in meinem Bekanntenkreis brüsten sich gerne damit, dass sie ihren Schülern gegenüber gerne mit einer entsprechenden Drohkulisse auftreten:
"Die Schüler mögen mir ein oder zwei Jahre das Leben schwer machen, aber ich kann denen das ganze Leben versauen."
In mindestens zwei Fällen weiß ich, dass dieser Satz nicht einfach nur so dahingesagt ist, sondern durchaus ernst zu nehmen ist. Andererseits verstehen Eltern Schule zunehmend als Dienstleister, der ihnen und ihrem Nachwuchs gegenüber in der Pflicht steht. Eltern zahlen Steuern und die werden für die Bildung investiert. Sie haben für eine Leistung bezahlt und erwarten zu Recht eine adäquate Gegenleistung. Wird die nicht erbracht, ziehen Eltern heute mehr als früher vor Gericht.

Diese Entwicklung kann eigenartige Ausmaße annehmen, wie bestimmte Schulbezirke zeigen. So wird zum Beispiel von einem Schulbezirk am Starnberger See berichtet, in dem mehr als 50% der Schüler auf das Gymnasium gehen - was natürlich nichts damit zu tun hat, dass in dieser Gegend viele reiche Bundesbürger leben. Auch die Proteste um das Schulsystem in Hamburg zeigen in aller Deutlichkeit, dass der Zugang zum Abitur von den Wohlhabenden als alleiniges Recht verstanden wird, das gerne und oft eingeklagt wird. Diese Entwicklung kann auf lange Sicht nicht gut gehen.

Es ist oft schwierig von außen zu unterscheiden, ob Eltern eine Schule wegen tatsächlicher Mängel oder eher wegen ihres Standesdenkens vor den Kadi ziehen. Wenn eine Schule aber einen Lehrer beschäftigt, über den sich alle beschweren, dann liegt die Vermutung nahe, dass hier etwas im Argen liegt. In einer Schule in Frankfurt wird ein Mathelehrer beschäftigt, der insbesondere dadurch auffällt, dass er seine Schülerinnen häufiger mit "anzüglichen Bemerkungen" bedenkt, er auffallend oft nicht da ist und wenn doch, sein Unterricht einige offensichtliche qualitative Mängel hat. Die Leistungen der von ihm unterrichteten Klassen bleiben deutlich hinter dem zu erwartenden Schnitt zurück. Klausuren müssen regelmäßig wiederholt werden und Schüler beschweren sich in großer Zahl über mangelhafte Vermittlung des Lehrstoffes. Selbst die Schulleitung räumt ein, dass es hier Defizite seitens des Lehrers gibt.

In mindestens einem Fall hatte das unmittelbare Auswirkungen auf die schulische Kariere einer Schülerin. Die Eltern zogen damit durch die Instanzen und versuchten die Situation für ihre Tochter und die anderen Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Erfolglos. Die Behörden sitzen die Sache aus, verschleppen Termine und behandeln das Thema trotz der erdrückenden Faktenlage sehr zurückhaltend. Aber nicht nur das. Die Lehrer erfahren maximalen Schutz des Systems.

Nach dem Grund befragt, warum das Schulamt nicht eingreife, sagte ein Sprecher:
"Es hilft niemandem, unfähige Lehrer in Bibliotheksdienste abzuschieben, man muss sie befähigen, guten Unterricht zu machen."
Mit anderen Worten: Wer einmal im Schuldienst angekommen ist, muss sich keine Sorgen mehr machen, denn das System bietet ihm maximalen Schutz. Egal wie schlecht seine pädagogischen und fachlichen Leistungen und Kompetenzen sind, egal welche Entgleisungen er sich leistet, er wird weiterhin auf den Nachwuchs losgelassen und darf mit dem Segen von ganz oben weiter vor sich hin wurschteln. "Learning by doing" auf Kosten des Nachwuchses, denn besser vielen Schülern die Zukunft versauen als einen Lehrer zu feuern.

Angesichts solcher Protektion, die selbst eklatante Inkompetenz nicht nur schützt, sondern systematisch fördert, ist es mehr als verständlich, dass sich Eltern und Schulen immer weiter voneinander weg bewegen. Aber nicht nur das. Gerade solche Fälle und der Umgang damit zeigen, wie schlimm es tatsächlich um unser Bildungssystem und damit um die Zukunft unseres Landes bestellt ist.

3 Kommentare:

  1. Unfährige "umverparken"?

    Komisch in der realen, privaten Wirtschaft heißt sowas normalerweise Rauswurf; in der Ehe Scheidung...aber hier befinden wir ja uns in einer anderen Dimension...aber was ich noch loswerden wollte: Das ist gemein, Unfähige in die Bibliotheken abzuschieben, weil auch da werden Fähige gebraucht. So wird impliziert, dass Lehrer prioritärer sind als Bibliothekare, dass Schulen wichtiger sind als Bibliotheken. Ganz schön diskriminierend, der Olm. Oder einfach unglücklich gewählt. Vielleicht meiner er ja eine Zuverwendung des Unbefähigten hin zu einem Ort, wo kein Schaden mehr angerichtet werden kann, wo er a) nicht (weiter) auffällt oder b)es auf dem bisserl Mist net mehr ankommt. Beispielsweise bestimmte Regierungen, EU Taskforces oder Mißbrauchsaufklärer in der Kirche.....

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  2. @Anonym: Bibliotheksdienst != Bibliothekare ;-)

    @Adger: Es amüsiert mich als Hamburger ungemein, dass ein Schulsystem einer immensen Kritik ausgesetzt ist und dass geschätzt rund 80% der Kritiker überhaupt nicht wissen, gegen was sie da eigentlich sind. Gehst Du heute mit zwei simplen Fragen auf die Leute los - der Frage 1 "Sind Sie für oder gegen die Einführung einer Primarschule?" und der Frage 2 "Warum?" - wirst Du feststellen, dass auf die Frage 2 so gut wie keiner aus dem Stand eine sinnvolle Antwort geben kann.

    Mir scheint, hier wird sich - ganz in der Tradition versunken - dem Festhalten an alten Methoden verschrieben. Und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese, wiewohl bewährt, überholt sind oder ob nicht. Bloß keine Veränderung.

    Klar, der Bachelor und Master an deutschen Unis war dem Vernehmen nach eher ein Griff ins Klo. Das muss allerdings nicht zwangsläufig auch für die Einführung einer Primarschule Gültigkeit haben. Dem geneigten Leser sei die Lektüre von http://de.wikipedia.org/wiki/Primarschule empfohlen, wo dieses System recht anschaulich erklärt wird. Der gravierendste Unterschied ist nur, dass es zwar weiterhin Gymnasien geben wird, die Empfehlung dorthin künftig aber flachfällt - stattdessen entscheiden die Lehrer über die Fortführung auf der Sekundarstufe. Dabei übersehen sie aber die Möglichkeit, im Anschluss an die Sekunda eben *doch* noch das Gymnasium zu besuchen.

    Es macht aber viel mehr Sinn, denjenigen um den es geht, vor eine Wahl zu stellen - und das geht deutlich besser, wenn er - im Alter von rund 16 Jahren gegen Ende der Sekunda - entscheiden kann, ob er sich eher für akademische Höhen oder eine Berufsausbildung interessiert. Und nicht zuletzt kann mit der 9. oder 10. Schulklasse sehr viel besser über das Leistungspotenzial der Schüler befunden werden. Nicht wenige Grundschüler mit hervorragenden Noten entpuppen sich später als schulische Nieten.

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  3. Edekavertreter22 März, 2010 18:27

    Und, was ebenso wichtig ist, nicht wenige Schüler die früher einmal als nicht intelligent genug für das Gymnasium oder auch, die für sich selbst entschieden hatten nicht eine höhere Bildung anzustreben, entscheiden sich später doch noch dafür bzw stellen sich als doch geeigent und gewillt heraus.
    Das alte wie das neue, oder andere, System stehen und fallen aber mit den Lehrkräften und natürlich auch dem Umgang mit Bildung in den Elternhäusern.
    Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es nahezu unmöglich ist, einen unfähigen Lehrer los zu werden. Schulleitung und Bildungsministerium stellen gelichermaßen auf Durchzug wenn sie mit solchen Themen konfrontriert werdern. Solange sich in dem Bereich der Bewertung der Leistung von Lehrern und daraus folgenden Konsequenzen nichts tut, sehe ich schwarz für das Bildungssystem.
    Abgesehen davon, dass viele Studierende die ich kenne, welche sich für den Pfad Richtung Lehramt entschieden haben, oft diesen nur wählen, weil er vergleichsweise leicht und mit einiger Wahrscheinlichkeit im Beamtentum endet. Fähige und ehrgeizige Leute (man antschuldige das in einen Topsschmeißen) neigen ehr dazu ihre Ziele gen der freien Wirtschaft zu stecken. Jene angehenden Lehrer, man mag mir auch dies verzeihen, erwecken bei mir oft den Anschein, etwas abseits der Realität zu leben und mit den praktischen Dingen des Lebens nur sekundär in Kontakt zu kommen. Ich hatte die Tage die Ehre mit einem gerade ausstudierten Lehrer handwerklichen Tätigkeiten nachzugehen...er war bemüht, keine Frage, aber talentiert und vor allem selbstreflektiert geht anders...

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