Montag, 13. Oktober 2008

Fernsehpreis 2008

Marcel Reich-Ranicki - WikipediaMarcel Reich-Ranicki und das Fernsehen haben sich mit der Unvermeidbarkeit der Steuerprüfung getroffen. Der Literaturkritiker Reich-Ranicki sollte von Fernsehn für sein Lebenswerk eine Auszeichnung erhalten. Leider hat das Fernsehn von heute nicht das Niveau derjenigen Literatur, auf dem sich der Herr Reich-Ranicki bewegt, und gerade deshalb wollte sich das Fernsehn mit dieser seltenen Feder verbriefter Eloquenz und Bildung schmücken, die man selber zugunsten des Werbefernsehns und des Productplacements aufgegeben hat.

Diese Rechnung ging nicht auf. Unmittelbar mit der menschenverachtenden Sinn- und Niveaufreiheit einer Fernsehproduktion und dem unverhinderbaren Goldbärenwerbeträger Thomas Gottschalk konfrontiert, trat Reich-Ranicki voll auf die Bremse und dem Fernsehn voll vors Knie. Er beging nicht nur den Frevel zu behaupten, dass das alles großer Quatsch sei, er beging auch noch das schier unvorstellbare Verbrechen, sich als Preisträger nicht den Weltfrieden zu wünschen, wie man das als gehörig gebauchpinselter in-die-Kamera-Grinsemann zu tun hat.

Natürlich bemüht sich das Fernsehn um Schadensbegrenzung. Eine Diskussion um das Niveau des Fernsehns soll es geben. Im Fernsehn. Möglichst bald soll das "aufgezeichnet" werden und um einen Sendeplatz ist man auch bereits sehr bemüht. Was das wohl bringen wird? Wieviel mag wohl davon zu erwarten sein? Wen mag wohl eine Sendung interessieren, die irgendwann Dienstag nachts zu einem Thema ausgestrahlt wird, dass die verbliebenen Fernsehzuschauer nicht interessiert, weil es weder Gewalt, noch Titten noch Skandale, noch gescheiterte Existenzen zu begaffen gibt und vor allem nicht alle 5 Minuten Werbung für Klingeltöne und Damenbinden gemacht wird, die den Rundgang Kloh-Kühlschrank-Chipsnachschub ermöglicht, in dem zu allem Überfluss auch noch ausschließlich Leute auftreten, die man eh nicht kennt?

Oder wer genau kennt die Intendanten von ARD, ZDF, Sat1, Rtl und wie sie alle heißen? Und wer glaubt allen Ernstes, dass ausgerechnet diejenigen wirklich ernst nehmen, was ein 88 Jahre alter, zänkischer Bücherfritze zu sagen hat, die mit genau dem, was der kritisiert, dem Unterschichtenfernsehn, tonnenweise Geld scheffeln?

5 Kommentare:

  1. Er überzeugt durch Ehrlichkeit (wenngleich diese vielleicht auf seiner Altersstarrköpfigkeit basieren mag) und ich hoffe inständig, dass seine Aktion Spuren in der Fernsehlandschaft hinterlassen möge.
    Mehr davon.

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  2. Auch wenn ich Reich-Ranicki nicht unbedingt mag - er hat sich damit Respekt verdient.

    Was den Aktivismus des Fernsehens angeht: Das erinnert mich an das Vorhaben "frommer Christen", die Hauskreise abhalten um zu besprechen, was man beim nächsten Hauskreis machen will.

    Komisch, dass Appelle selbst in direkter Ansprache der Intendanten nicht zu wirken scheinen. Bestes Beispiel: Medientage 2007 in München. Oliver Kalkofe liefert eine beißende Keynote zu einer Podiumsdiskussion und zeigt schonungslos auf, was falsch läuft. In der Diskussion im Anschluss gehts nicht um die Probleme sondern überwiegend um Rechtfertigungen für das verbroch...äh...geleistete und den Leitsatz "Wir sind die Tollsten". Änderungen? Was Neues wagen? Fehlanzeige.

    Bin gespannt, ob das Fernsehen vielleicht doch mal was lernt.

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  3. Nicht umsonst wird das Fernsehen in zunehmenden Maße vom Internet abgelöst und von mittlerweile sehr vielen Menschen fast gar nicht mehr wahrgenommen.

    Habe seit 2 Jahren keinen Fernseher mehr und lebe ganz gut damit, mir fehlt nichts. Sendungen oder Themen die mich interessieren kann ich mir auch im Internet durchlesen oder ansehen, ohne genervt zu sein :).

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  4. Ganz großes Kino, was der R-R da gerissen hat.

    Traurig nur die Kommentare der Mitanwesenden dazu. So z.B. die momentane Intendantin des WDR, welche dreist genug war anzudeuten, dass ganze seien mehr oder minder erste Zeichen einer beginnenden Altersdemenz.

    Über den Nutzen der Aktion kann man sich natürlich streiten, aber wenigstens macht auch jemand, den die Intendanten der genannten Sender ernst nehmen sollten, mal so richtig den Mund auf.

    PS: Nicht das Reich-Ranicki jemals seine Meinung nicht geäußert hätte.

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  5. Warum ist dieser ignorante, nörgelnde alte Besserwisser der, außer seiner eigenen, sowieso keine Meinung ernst nimmt überhaupt bei der Veranstaltung sitzen geblieben wenn es ihn so genervt hat? Doch wohl nur um mal wieder Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Lange nicht mehr im Fernsehn gewesen der alte Mann.

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