Freitag, 12. September 2008

Woanders passiert auch was

Während die (westliche) Welt noch darüber rätselt, wie man denn nun beweisen könne, dass Russland auch ganz ehrlich wirklich 100% Schuld am Krieg im Kaukasus ist und verzweifelt versucht darüber hinweg zu täuschen, dass es der Westen war, der dort überhaupt erst aufgerüstet hat, passieren anderswo auch interessante Dinge. In Lateinamerika zum Beispiel. Bolivien hat den US-amerikanischen Botschafter ausgewiesen. Boliviens Präsident Evo Morales begründete die Ausweisung damit, dass sich der Botschafter in die Politik eingemischt habe und die Opposition aktiv unterstützt hat. Ausdrücklich wünsche man sich in La Paz, dass die USA einen anderen Botschafter entsenden.

Das wiederum nimmt der nicht eben unumstrittene Chef "nebenan", Hugo Chavez, zum Anlass, ebenfalls den Botschafter der USA des Landes zu verweisen. Aus Solidarität. Und er macht auch deutlich, wie er über die USA denkt. Sehr deutlich:
"Scheiß Yankees, geht zum Teufel."
Das lässt wenig Raum für Interpretation, finde ich. Natürlich ist es reiner Zufall, dass sich zur Zeit zwei russische Langstreckenbomber "für Trainingszwecke" in Venezuela aufhalten und natürlich hat das alles nichts damit zu tun, dass sich neben der OPEC eine Energie-Allianz bildet, die dem Westen eher neutral, wenn nicht sogar reserviert gegenüber steht.

Den USA kann das nicht gelegen kommen. Im Inland drohen immer mehr Flächenbrände, der Irak kommt nicht richtig in Schwung, die 'Stan sind insgesamt auch eher desolat und die verbliebenen Verbündeten sind so sehr in Wahlkämpfen und innenpolitischen Zankereien verstrickt, dass ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als die USA auf sich allein gestellt agieren zu lassen.

Die USA wiederum, gewohnt als maßgeblicher Faktor alleine auf der Welt zu bestimmen was richtig und falsch ist, stecken in einer interessanten Klemme: Einerseits haben die USA die großen Kriege auf dieser Welt selber angezettelt und drohen mehr oder weniger direkt noch mit ein paar weiteren (Stichwort: Iran, Israel) und haben noch eine Menge ungelöster Probleme im Schrank (zum Beispiel Philippinen, Taiwan, Afrika). Die USA sind zwar noch immer die umsatzstärkste Volkswirtschaft, aber wie das mit dem Geld nun mal so ist: Meistens gehört es anderen.

Im Falle der USA gehört das Geld zu nicht geringen Teilen den Chinesen und Russen. Besonders China hat ganz schön viel amerikanisches Geld gesammelt. Insgesamt hat China rund 2 Billionen US$ in Auslandsanleihen angesammelt. Der Großteil davon entfällt auf die USA und die Summe wächst kontinuierlich. Damit hat China die Wirtschaft der USA fest im Griff. Mit vergleichsweise subtilen Maßnahmen können verheerende Folgen ausgelöst werden und China hat nicht so sehr die große Scheu diese Maßnahmen auch anzuwenden.

Das zeigte sich gerade erst im Fall der Fannie Mae und Freddie Mac Holdings. China verkaufte große Aktienpakete und löste so den Kurssturz dieser Holdings aus, der auch die US-Regierung dazu zwang, sich aus diesen Kapitalgesellschaften zurückzuziehen. Wie viel Geld dabei verbrannt wurde, weiß wahrscheinlich niemand, aber es dürften etliche Millionen US$ gewesen sein. Dieser vergleichsweise kleine Nebenschauplatz zeigt aber, wie sehr die Verwundbarkeit der USA unterschätzt wird.

Die Russen haben zwar nicht ganz so viele Anleihen der USA angesammelt, aber doch auch eine signifikante Menge. Im März 2008 waren das immerhin knapp 280 Milliarden US$. Dazu kommen noch die investitionen der russischen Privatwirtschaft, die sich bereits Anfang 2007 auf 59 Milliarden US$ summierten und die Entwicklung der Finanzwirtschaft in Russland wird gemeinhin positiv bewertet.

Sollten sich China oder Russland oder sogar beide zusammen dazu entschließen den USA eine Lektion zu erteilen, könnte das für die USA schwerwiegende Folgen haben. Auch Russland hat schon vorgeführt, dass man sich dieser Macht durchaus bewusst ist und auch keine großen Hemmungen davor hat, sich dieser Instrumente zu bedienen. Man erinnere sich nur an den staatlich verordneten Transfers von Lukoil an Gazprom und an die Sache mit BP.

Wie vor diesem Hintergrund irgendjemand ernsthaft glauben kann, dass es die USA schon irgendwie richten werden und unser Leben wieder schön machen können, ist mir ein absolutes Rätsel. Aber ich verstehe ja auch andere Sachen nicht. Zum Beispiel die Forderung, dass die Bundeswehr aus Afghanistan raus soll, damit sich dort der Opiummarkt vernünftig entwickeln kann, während dieselben Leute gleichzeitig verlangen, dass die Bundeswehr rein nach Georgien soll, um dort die Wiederaufrüstung zu überwachen und zu koordinieren, damit sich die kaukasischen Kleinstaaten besser gegenseitig auf die Mappe geben können.

Aber das ist eine andere Geschichte.

5 Kommentare:

  1. Insgesamt hat China rund 2 Billiarden US$ in Auslandsanleihen angesammelt.


    Das dürften doch wohl eher 2 Billionen sein :)

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  2. Billiarden ist durchaus korrekt. Vergleiche u.a. Forbes (http://tinyurl.com/55qx2r) und Chinastakes (http://tinyurl.com/64zjzw) und andere. Beachte, dass sich die Zahlen auf Ende 2006 beziehen.

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  3. Zumindestens der erste spricht gerade mal von anderthalb Billionen $, beim zweiten kommt bei mir lediglich ein Timeout.

    Davon mal abgesehen sind Billarden von Dollars aber auch für Staaten jenseits allen ereichbaren.

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  4. "China created CIC last September to reap greater financial returns on a portion of its $1.53 trillion in currency reserves, which are mostly invested in low-yielding U.S. Treasury bonds."

    Trillionen in US-Englisch sind Billiarden.

    - mt.

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  5. Easy, Pals. "trillions" sind in der Tat Billionen, nicht Billiarden. Übersetzungsfehler meinerseits. Ändert an der Gesamtaussage allerdings nichts.

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