Freitag, 18. Juli 2008

Irgendwie peinlich

Reichstag in BerlinVor noch gar nicht so langer Zeit da spielte sich in der Bundeshauptstadt eine Posse der besonderen Art ab: Die Bundespolitik wollte gerne vor dem Parlament das öffentliche Gelöbnis stattfinden lassen, was die Stadt Berlin ziemlich doof fand. Im Gegenzug wollte die Stadt Berlin einen wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten vor dem Brandenburger Tor eine Wahlkampfrede halten lassen und das fand die Bundespolitik wiederum ziemlich blöd. Hauen und stechen wie in besten Kindergartentagen, komplett mit Sandwerfen und Gezanke.

Man fand einen Kompromiss: Die Bundeswehr darf vor dem Parlament auftreten, verzichtet dafür aber auf das ganz schwere Sicherheitsgehabe und macht generell eher einen auf klein und schlanken Fuß. Dafür darf der Amerikaner in Berlin seinen Wahlkampf abhalten, nur eben nicht am Brandenburger Tor. Wo er nun tatsächlich sabbeln wird, das weiß er wahrscheinlich selber nicht, aber er wird. Ist doch auch schon mal was. Immerhin hatte man es ja erfolgreich geschafft international vorzuführen, wie kleingeistig, kleinkariert und inkompetent zur Lösung echter Probleme man in Deutschland ist: Hier werden Probleme nicht gelöst, hier werden Probleme delegiert!

Und weil Kompromisse in der Politik immer Erfolge sind, feiern die Bundespolitiker ihren Erfolg auch schön ausgiebig, indem sie der Veranstaltung vor dem Parlament fern bleiben. Scharenweise. Immer länger wird die Liste derjenigen Bundespolitiker, die "zufällig" etwas ganz super dolle Wichtiges zu tun haben und deshalb gerade unabkömmlich sind. Die Taubenzüchter in Kleinkleckersdorf und die Volkstanzgruppe aus Scheißkleinkaff in Ganzweitweg sind eben wichtiger, als die Bundeswehr. Was ist schon der 64 Jahrestag des gescheiterten Attentats auf den GröFaZ? Was ist schon so besonders daran, wenn die Bundeswehr zum ersten Mal überhaupt vor dem Sitz des Parlaments ihre Treue auf die Verfassung geloben?

Immerhin: Der Verteidigungsminister wird da sein. Bisher jedenfalls passt diese Veranstaltung in den Terminkalender von Herrn Jung (CDU). Die Herren Thierse (SPD), Struck (SPD) und Westerwelle (FDP) hingegen haben sehr viel wichtigere Veranstaltungen, an denen sie teilnehmen wollen. Oder müssen. Auch Berlins regierender Bürgermeister Wowereit (SPD) findet diese Veranstaltung jetzt nicht so wichtig, dass er da jetzt unbedingt anwesend sein müsste. Aber wenn alles klappt, dann wird vielleicht stellvertretend der Herre Wolf (Linke) da sein, aber der hat schon verkünden lassen, dass er da eigentlich ganz andere Termine hat. Und so wird die Liste der abwesenden Volksvertreter lang und länger, die zwar den Streit um den Event für waaaahnsinnig wichtig halten, ihre eigene Anwesenheit dagegen für ziemlich nebensächlich.

Wenn es darum geht sich auch international lächerlich zu machen, geben sich die Politiker unseres Landes zur Zeit wirklich alle Mühe. Herzlichen Glückwunsch!

(Quelle: Berliner Morgenpost)

3 Kommentare:

  1. Tut mir leid, Adger, aber die Überschrift passt so garnicht. Das scheint mir der Euphemismus des Monats zu sein, auch wenn mir bewusst ist, dass es ironisch gemeint ist.

    Immerhin kann man die Tatsache, dass die Damen und Herren "ihre eigene Anwesenheit dagegen für ziemlich nebensächlich" halten, als Einsicht deklarieren. Ja, Politiker müssen nicht immer überall sein, um sich zu profilieren, nein, dieser Tag gehört der Bundeswehr.

    Wäre nur schön, wenn das so stimmen würde...

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  2. Wenn die Sache überfordert, debattiert man über die Verpackung oder was soll mir dieser Kommentar sagen?

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  3. Er war eher ironisch, mit zynischem Einschlag gemeint. Der Inhalt ist zimelich klar, und falls ich deinen Eintrag nicht völlig falsch gelesen habe kann ich sagen, dass die Meinung meine recht genau trifft...er soll also im Endeffekt deinen Eintrag sicher nicht kritisieren.

    Wenn Du was ernstgemeintes, ironiefreies haben willst, dan nstreich den obigen Kommentar und ersetze ihn einfach durch "Tut zwar weh, scheint aber völlig normal zu sein, zum kotzen ist das"

    Es geht mir (und nach meiner Leseart auch Dir) vor allem darum, dass diese "Possen" (ich würde es schlicht als Heucheleien um den heißen Brei herum bezeichnen) zun Normalität gehören. Dass das nicht wirklich in Ordnung ist sollte jedem Menschen mit Gehirn klar sein.

    Und darum, dass anscheinend unsere Abgeordneten...ich sage mal ihre Prioritäten überprüfen sollten. Zumal sie erst ein großes Gezänke vom Zaun brechen, um sich dann doch einen Dreck darum zu scheren.

    Ich könnte nochmal ein Bisschen mehr sagen, will ich aber garnicht. Scheint ja eh Aussichtslos zu sein. Ich zitiere mal ganz frech einen Spruch, der meine Einstellung immer besser wiederspiegelt: "Lächeln und winken, Männer. Immer nur lächeln und winken."

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