Freitag, 25. Juli 2008

Fundamentale Sache

Rembrandt - Mose und die 10 Gebote - WikipediaWegen einiger Karrikaturen brach vor einiger Zeit eine heftige Protestwelle aus. Sehr überzeugte Moslems zogen zu hunderten und tausenden durch die Städte und demonstrierten, weil jemand seine Meinung zu Papier gebracht hatte. Damals wurde uns aus deshalb dem Süden der Republik verkündet, dass Gotteslästerung nicht etwa einfach nur irgendein Delikt wäre, sondern zusammen mit Königsmord, Landesverrat und Steuerhinterziehung ganz weit obern auf der Liste der mit aller Härte zu ahndenden Straftaten zu stehen hat. Der damalige Chef Bayerns wollte den §166 StGB so umbauen, dass jede Äußerung über irgendeinen Gott den sich Äußernden potenziell in den Knast bringt.

Diese Idee wurde abgelehnt, weil es eben doch eine Menge Leute gibt, die die Freiheit der Meinung und die Freiheit der Kunst für um einiges bedeutender ansehen, als den religiösen Dogmatismus irgendwelcher Sektenanhänger. Und so geriet gottseidank die bayrische Auffassung über das Recht und die Bedeutung der Götter in Deutschland schnell wieder in Vergessenheit. Im Vergessen sind wir gut.

Die Kunst hat aber unter anderem eine nervige Aufgabe. Sie soll provozieren und eben auch das Vergessen verhindern. So kam Tussauds neulich in die Schlagzeilen. Tussauds wies Deutschland zum Entsetzen der völlig überforderten Politiker darauf hin, dass der GröFaZ eben doch eine bedeutende Person der deutschen Geschichte ist, egal welche Scheuklappen die Deutschen sich da selber gerne aufsetzen. International ist man da sehr viel entspannter. Nach dem Anschlag jenes unbekannten Ex-Polizisten vergaß Deutschland ganz schnell wieder, dass es den GröFaZ tatsächlich als Menschen gab und dass der tatsächlich irgendetwas mit Deutschland zu tun hatte.

Nun wären wir aber nicht Deutschland, wenn es nicht zwischen Bayern, den protestierenden Moslems und Tussauds einen unmittelbaren Zusammenhang gäbe. Den gibt es auch und der geht so:

Bayern hat mehrere ganz ultra wichtige Nationalheilige. Unmittelbar auf einer Stufe mit der heiligen Dreifaltigkeit der katholischen Kirche stehen offenbar der ersoffene Steuerverschwender von Neuschwanstein und Franz Josef Strauß, dem nachgesagt wird, dass er die eigene Partei (und damit ganz Bayern, das damals noch zu mindestens 250% CSU wählte) als äußersten rechten Rand des politischen Spektrums mit den Worten definierte "rechts von uns ist nur noch die Wand".

Eine Bildcollage bei Tussauds in London ist überschrieben mit "Helden und Schurken". Dort ist auch Franz Josef abgebildet. Blöderweise nur auf der "falschen" Seite. Zusammen mit dem Mitarbeiter des MfS Günter Guillaume reiht er sich eher nicht in der Riege der Helden ein. Das wiederum findet die CSU eine ziemliche Unverschämtheit. Wie kann man von Stauffenberg und von Richthofen als Helden bezeichnen und Strauß außen vor lassen? Welche Frechheit maßen sich die Engländer eigentlich an, dem göttlichen FJS noch immer jene unbedeutende Lappalie von 1962 nachzuhängen und ihn auf "Politischer Skandal" (so sein Untertitel in eben jener Collage) zu reduzieren?

Das geht eindeutig zu weit! Findet jedenfalls die CSU, die anlässlich des 20. Todestages ihres Partei- und Volkshelden eher in verklärter Feierlaune ist und wenig bis gar kein Verständnis dafür hat, dass Tussauds verkündet, keine Wertung abzugeben:
"Ob Held oder Bösewicht, das ist Interpretationssache des Besuchers."
Tussauds gibt dem Betrachter keine Einordnung vor. Tussauds kann das ganze Leben des FJS gar nicht darstellen. So zumindest sieht das die Sprecherin von Tussaus in Berlin und deshalb hat man wohl die Spiegel-Affäre als international bekannt gewordenes, herausragendes Ereignis seines Lebens gewählt.

Die CSU und Familie Strauß sind von dieser Ansicht wenig begeistert. Parteichef Erwin Huber (CSU) verkündet mit wenig Spielraum für Mißverständnisse:
"Das ist eine Sauerei!"
Max Strauß, der wegen Beihilfe zum Betrug verurteilte Sohn des Franz Josef urteilte über Tussauds:
"Die haben doch einen Knall."
Und damit die politische Dimension so richtig deutlich wird fordert man übereinstimmend, dass der Bundesaußenminister in England mal auf den Tisch klopfen soll:
"Er muss in London vorstellig werden, ein solches Vorgehen belastet die bayerisch-englischen Beziehungen."
Das findet jedenfalls Bayerns Europaminister Markus Söder (CSU).

So gesehen haben wir alle unser Kreuz zu tragen: Die USA hat Bush, der Mittlere Osten hat fundamentale Islamisten, wir haben Bayern...

(Quelle: Spiegel)

3 Kommentare:

  1. Der Lokalpatriotismus mag sicherlich auch seine guten Seiten haben, aber immer nur ein "Ich will..." und "Ich brauche..." und "Ich habe..." heraushängen zu lassen kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

    Einige Politiker pflegen da offenkundig ein ausgesprochen egozentrisches Weltbild. Die "Bayerisch-Englischen Beziehungen" sind ja wohl ein schlechter Witz, oder? Oder meint der das wirklich ernst? Kann eigentlich nicht sein, denn es klingt viel zu lächerlich...

    Wenn FJS keine Fehler gemacht hat, wieso gab es dann die besagte Spiegel-Affäre? Und wie war das doch gleich mit der Subventionierung der DDR, als die in den Achtzigern finanziell in den letzten Zügen lag?

    Man mag seine Aktionen sehen wie man will, aber Fehler kann man nur schönreden, nicht wegdiskutieren. Und wenn seine Nachkommen, ehemaligen Parteigenossen und Bewunderer dies nicht wahr haben wollen, habe ich einen echt wertvollen Tipp:

    Auf den Boden aufstampfen und "ICH WILL ABER!" schreien soll bei kleinen Kindern helfen - versuchts doch mal damit...

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  2. Diesmal muss ich wohl für sowas wie Selektion werben...

    1.)Die "Bayerisch-Englischen Beziehungen" machen durchaus Sinn. Unter FJS hat Bayern eine eher von der BRD losgelöste Außenpolitk betrieben. Und sich nie wieder ganz eingliedern lassen. Das ist auch einer der Gründe, warum sich die CSU hier so verdammt lange halten konnte - schließlich hat uns dieses Verhalten nicht unbedingt beliebt gemacht, aber es ging vorwärts.

    2.)Dass hier einfach mal die Bayern als kollektiv als kranke Köpfe dargestellt werden ("Die USA hat Bush, der Mittlere Osten hat fundamentale Islamisten, wir haben Bayern...") wundert mich doch etwas. Man könnte auch sagen, dass ich es zum kotzen finde. Diese politischen Stilblüten á la Stoiber gibt es (wie man hier ja doch recht oft nachlesen kann) überall, aber auf einmal scheint Deutschland ein Irrenhaus zu sein und die Zentrale in Bayern...nur gibt es imho keine Zentrale für sowas. Und zumindest ich habe weder vor, die Weltherrschaft an mich zu reissen (zumindest nicht ernsthaft und in absehbarer Zeit)noch verspüre ich das Bedürfnis, meine Ansichten und Einsichten mit ein paar wohlplatzierten Bomben in Hamburg, München und Frankfurt/Main durchzusetzen. Dazu sind mir Worte viel zu mächtig.

    3.)@deichshaf

    "Wenn FJS keine Fehler gemacht hat, wieso gab es dann die besagte Spiegel-Affäre?"

    Die Idee, dass Strauss fehlerfrei war, sitzt nur in den idealisierten Köpfen einiger früher-war-alles-besser-Jammerer fest. Mich wundert da schon, dass es anscheinend für solche Leute sehr leicht zu sein scheint, mal eben ein Volk zu polarisieren.

    Und was das egozentrische Weltbild betrifft: Welcher Machtpolitiker hat ein anderes?;)

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  3. "1.)Die "Bayerisch-Englischen Beziehungen" machen durchaus Sinn. Unter FJS hat Bayern eine eher von der BRD losgelöste Außenpolitk betrieben."

    Nur unter FJS? Wie war das noch mit der Bayernpartei? Wie war das noch vor ein paar Tagen, als die CSU im Taumel des bierseeligen Wahlkampfes verkündete, dass Deutschland zwar Bayern brauche, das aber nicht unbedingt umgekehrt gelte?

    "2.)Dass hier einfach mal die Bayern als kollektiv als kranke Köpfe dargestellt werden ("Die USA hat Bush, der Mittlere Osten hat fundamentale Islamisten, wir haben Bayern...") wundert mich doch etwas."

    In Deutschland passiert eine ganze Menge herausragender Schwachsinn, auch und besonders in der Politik. Wenn es aber darum geht, die Messlatte des Unfugs nach oben zu verlegen, führt Bayern nicht nur nach Punkten mit weitem Abstand und das eben nicht nur auf politischem Parket. Ich erinnere exemplarisch nur an den Gerichtsbeschluss, dass ein Abitur in geschriebener Mundart als "Hochdeutsch" anerkannt werden muss, an die Extrawürste rund um das Oktoberfest, an die Possen rund um "Popetown" und diverse Konzerte und so weiter und so fort. Sicher leben in Bayern auch vielleicht einige "normale" Menschen, aber die große Mehrheit sind sie dort offenbar nicht.

    Für mich ist die von den "Einheimischen" verklärte, romantisierte und verharmloste Seperatistenbewegung schon ziemlich fundamental und vor allem tief verwurzelt.

    Gibt es Bayern, die sich wirklich trauen in der Öffentlichkeit ihrer Heimat zuzugeben, dass Bayern auch bloß ein kleiner Teil Deutschlands ist und da weder der beste noch der wichtigste? Gibt es Bayern, die sich tatsächlich trauen vor großer Runde ihrer Landeskollegen zuzugeben, dass die Monarchie ziemlicher Unfug ist? Gibt es wirklich Bayern, die bereit sind zuzugeben, dass es der Rest der Republik war, der es den Bayern ermöglicht hat, sich vom Armenhaus der Republik nach oben zu arbeiten? Falls ja, ist das die "große Mehrheit"?

    Ich glaube nicht und mein Zweifel begründet sich auf mehrfacher eigener Erfahrung und aus Beobachtung der Reaktionen in und aus Bayern. Genau deshalb sehe ich wenige Unterschiede zwischen den fundamentalistischen Extremisten des Mittleren Ostens, die den Gottesstaat zu errichten suchen und denjenigen Bayern, die den autonomen Staat Bayern anstreben. Wie heißt es bei Euch da unten? "Gott schütze Bayern"? Warum nicht "Gott schütze Deutschland" oder "Gott schütze die Menschheit"?

    Darum: "Die Bayern".

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