Donnerstag, 17. Januar 2008

Sind wir soweit?

Spiegel Magazin Cover Scan Nr. 47 20.11.2006Vor etwas mehr als einem Jahr, am 20.11.2006, erschien der Spiegel (Ausgabe 47 / 2006) mit einer denkwürdigen Forderung auf dem Titelblatt. Sie lautete:
"Die Deutschen müssen das Töten lernen."
Wie Afghanistan zum Ernstfall wird.
In einem langen und über weite Strecken anklagenden Artikel wurde dargestellt, wie sich die Bundeswehr die sicheren, ruhigen Jobs der durch die Welt reisenden Sozialarbeiter an Land zieht, während die Bündnispartner den "echten" Kampf austragen müssen. Eine Frage blieb am Ende unbeantwortet: "Wie lange noch?"

Die Antwort auf diese Frage scheint zu lauten: "Bis 2007." Thomas Raabe, Sprecher des Verteidigungsministeriums, sagte, dass die Bundeswehr zur Zeit eine Anfrage der Nato "prüft", nach der sie im Norden Afghanistans eine schnelle Eingreiftruppe (Quick Reaction Force) stellen soll. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, welche Nation die Quick Reaction Force stellen soll, werde die Nato Ende Januar entscheiden. Der Chef des Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, sagte gegenüber dem Tagesspiegel, dass es "sicher" sei, dass die Bundeswehr diesen Auftrag übernimmt.

In der Bevölkerung herrscht bislang weitgehend der Eindruck, dass die Bundeswehr in Afghanistan Kabel verlegt, Brunnen bohrt, Häuser baut und ansonsten hin und wieder mal bei der Polizeiausbildung mithilft. Spricht man aber mal mit Soldaten, die im Einsatz dort waren, dann weiß man, dass dieses Bild falscher kaum sein kann. Der Bundestagsabgeordnete Rainer Stinner (FDP) bestätigt dies als einer der wenigen Bundespolitiker. Seiner Ansicht nach wird der Eindruck erweckt, als nähme die Bundeswehr bislang gar nicht an Kampfeinsätzen aktiv teil. Dabei sei doch offensichtlich, dass zur Stabilisierung des Landes, wie es der Auftrag der Isaf ist, auch der Kampfeinsatz gehört.

Das Politikum ist im vollen Gange und dürfte nicht gerade das beste Wahlkampfthema sein, zumindest nicht für die Regierungsparteien CDU und SPD, denn die sind notgedrungen für den Militäreinsatz in Afghanistan, die Bevölkerung jedoch zum Großteil dagegen, und eine Diskussion um eine Teilnahme an Kampfeinsätzen kann diesen Parteien im Inland zur Zeit nicht gelegen kommen, denn die Frage stellt sich: Was hat sich seit dem November 2006 an unserer Einstellung zum Krieg in Afghanistan verändert? Hat sich das Bewusstsein um die Lage in Afghanistan verändert? Weiß der permanent lamentierende Bürger auf der Straße wirklich um die Lage dort?

Ich bin gespannt, wie sich dieses Thema entwickelt. Ich bin mir nicht sicher, ob der Bundeswehr wirklich die Führung und Bildung einer schnellen Eingreiftruppe übertragen wird, aber ich halte es für durchaus denkbar. Warum wohl sonst hat Regierungssprecher Raabe schon jetzt darauf hingewiesen, dass eine solche Aufgabe keinen neuen Beschluss durch den Bundestag erfordere, weil die neuen Aufgaben "natürlich" in das existierende Isaf-Mandat zur Stationierung der Bundeswehr im Norden Afghanistans passten? Warum wohl beschwichtigte er die Presse, dass die schnelle Eingreiftruppe bloß die Funktion einer taktischen Reserve für das deutsche Kommando in Nordafghanistan habe?

(Quelle: Spiegel)

2 Kommentare:

  1. Stinner beklagt sogar, daß die Abgeordneten nicht ausreichend und damit eher falsch informiert werden. Dann ist auch klar, warum es zu höchst zweifelhaften Entscheidungen kommen kann.

    "Noch deutlich schlechter ist die Information der übrigen Abgeordneten. Wenn in norwegischen Zeitungen bei einer Operation, an der auch 300 deutsche Soldaten beteiligt waren, von den "schwersten Gefechten seit dem 2. Weltkrieg" für norwegische Soldaten die Rede ist, über die gleiche Operationen in Informationen des Auswärtigen Amtes aber nur steht:. "Im Zuge der Operationen kam es zu mehreren Festnahmen von Insurgenten durch afghanische Sicherheitsbehörden." ohne ein Wort zu den Gefechten, dann ist das eine klarte Fehlinformation. Über Bundeswehr-Einsätze entscheiden alle Abgeordneten. Deshalb müssen sie auch ein Mindestmaß an Informationen bekommen." (14.1.08)

    quelle: http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_rainer_stinner-650-5662.html

    Und es zeigt, daß eigene Recherche immer wichtiger wird, nicht nur für die "Volksvertreter".

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  2. Hoffen wir mal, daß das öffentliche Bild der Bundeswehr im Auslandseinsatz irgendwann mal realistischere Züge annimmt, und wir diesen Wahnsinn möglichst schnell beenden.

    Manueller Trackback: http://www.gehirnstuerm.org/?p=984

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