Donnerstag, 24. Januar 2008

Lehrer - Faul aus Prinzip und weltfremd per Dekret?

Schule Unterricht Tafel Klasse LehrerWir schreiben das Jahr 2008. Dieses Jahr ist ein besonderes Jahr. Nicht nur, weil es ein Schaltjahr ist, sondern auch, weil es ein Wissenschaftsjahr ist. Und dieses Jahr ist das Jahr der Mathematik. Ein Großteil der Menschen in Deutschland hat zur Mathematik ein besonderes Verhältnis, nämlich ein schlechtes. Ziemlich viele Menschen bringen hierzulande in erster Linie Begriffe wie "langweilig", "weltfremd", "kompliziert", "zu abstrakt", "zu schwer" und so weiter mit der Mathematik in Verbindung. Selbst Wissenschaftler dieser Fachrichtung wissen das sehr genau und suchen die Ursache dafür nicht in der Mathematik selber, denn die ist für sich gesehen nicht schwerer oder leichter als andere Fächer.

Stattdessen verweisen sie auf die Methodik, mit der Schülern der Zugang zur Mathematik aufgezwungen wird. Dort sind in erster Linie die Fehler zu suchen. Die Herangehensweise der Schulen und Lehrer an die Mathematik mache das Fach zu etwas, was nichts mit der realen Welt, dem wahren Leben zu tun habe. Vielmehr werde das Fach zu einem statischen Kunstwerk hochstilisiert, dessen einzige Daseinsberechtigung in einer völlig wirklichkeitsfremden absoluten Perfektion zu suchen ist. Dem widersprechen Lehrer nicht, im Gegenteil. In einer vor einigen Tagen vom 2DF ausgestrahlten Reportage bestätigte ein Lehrer eines Gymnasiums, dass man zwar den Unterricht gerne praxisorietniert gestalten würde, das aber wegen der Lehrpläne nicht möglich sei, denn die sind "Gesetz".

Dazu kommt noch ein weiteres, sehr schwerwiegendes Problem. Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt haben über einen Zeitraum von 12 Jahren 1.100 Lehrer von Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg vom Studium bis in den Beruf begleitet. Die Ergebnisse wurden jetzt in "Forschung Frankfurt" veröffentlicht und machen Angst: Wer in Deutschland studiert, weil er Lehrer werden will, macht das sehr oft aus Verlegenheit. 60 Prozent derjenigen, die sich im Beruf über die Belastungen beklagen, waren schon im Studium überfordert. Von denen, die schon im Studium voll bei der Sache waren, beklagten sich dagegen später nur 10 Prozent über die Belastungen im Beruf.

Andere Erkenntnisse der Studie zeigen noch deutlicher, dass die Ausbildung zu einem der für die Gesellschaft wichtigsten Berufe überhaupt oft von Abiturienten ergriffen wird, denen jede Vorstellung und Perspektive ihrer eigenen Zukunft fehlt:

» 25 Prozent aller in der Studie befragten Studienanfänger gaben an, dass das Studium nur eine Notlösung ist. Lehrer wollten sie eigentlich nicht werden. Immerhin die Hälfte dieser Gruppe setzte das Studium trotzdem fort.

» 27 Prozent der Befragten halten sich selber für nicht oder wenig aufgeschlossen gegenüber anderen Menschen, halten sich für nicht oder wenig engagiert und attestieren sich selber eine geringe berufliche Motivation. Trotzdem halten alle der sich so äuernden an ihrem Berufsziel fest.

» Mehr als 50 Prozent der befragten Studenten gaben an, dass der Wunsch, in der Nähe des Heimatortes studieren und später arbeiten zu können ihre Entscheidung beeinflusst habe oder die Aussicht auf einen sicheren Arbeitsplatz und ein überschaubares Studium bei der Studienwahl eine Rolle spielte.

Professor Udo Rauin, Leiter der Studie:
"Etwas überspitzt könnte man formulieren nicht nur geborene Erzieher drängen ins Lehramt, sondern oft auch Pragmatiker oder Hedonisten."
Die Studie zeigt deutlich auf, dass die geringen Anforderungen im Studium und das daraus resultierende Übermaß an Freizeit wichtig bei der Entscheidung für den Beruf des Lehrers sind. Wen verwundert da, dass bei etwa 60 Prozent aller Lehramtsstudenten der Abischnitt im unteren Drittel liegt?

Besonders das Lehramt für Haupt- und Realschullehrer skizziert die Studie dramatisch schlecht. Professor Rauin:
"Dieser Bereich wird häufig als ein Verlegenheitsstudium gewählt, weil man bestimmte andere Studiengänge nicht wählen konnte."
Einerseits ist es irgendwie schon befriedigend zu sehen, dass diese Langzeitstudie bestätigt, was schon seit Ewigkeiten ein offenes Geheimnis ist: Lehrer sind oft einfach faule, bequeme Menschen. Aber trotzdem macht das weder Hoffnung noch beruhigt es, denn Veränderungen am System und am Studium durch die Politik oder die Kultusministerkonferenz oder die Hochschulen sind nicht zu erwarten. Welche Krähe hackt schließlich der anderen ein Auge aus?

(Quelle: Süddeutsche Zeitung)

5 Kommentare:

  1. Ich als jemand, der mit Mathematik sehr gut zurecht kommt, finde auch, dass die Schuld bei der Methodik des Unterrichtens zu suchen ist. Mathe beansprucht vor allem systematisches denken in hohem Maße. Das mag dem einen mehr liegen als dem anderen, aus direkter Erfahrung aus meinem schulischem Umfeld wage ich aber zu behaupten, dass generell mehr Leute dazu tendieren auswendig zu lernen, als die Logik zu durchdringen. Das ganze lässt sich auch in gleichem Maße für andere Fächer übertragen: Naturwissenschaften verlangt desöfteren einen gekonnten Umgang und Kombination mit Informationen aus vielen Themengebieten, Sprachen brauchen ein gutes Gedächtnis zum Behalten der Wörter, Geisteswissenschaften brauchen wohl so etwas wie Kreativität zum Interpretieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass man mit der Schule, so, wie sie aufgebaut ist, immer an irgendwelchen Fächern und Gebieten vorbeinavigiert. Ich glaube nicht, dass es dem Menschen wirklich liegt, das alles zu können, daher muss es - wenn man denn _überall_ Erfolg haben soll, wie es die Bildungseinrichtungen ja (mehr und mehr: die Freiheit, seine Abiturfächer ganz frei zu wählen wird hier demnächst abgeschafft) verlangen, so muss man vor allem den Zugang zu den Fächern auch für diejenigen Schaffen, die sich nicht eh schon dafür begeistern, und das möglichst früh. Ich bin selbst eher einseitig begabt (Mathe, Informatik, Physik und sowas), kann mir daher nicht konkret vorstellen, wie es da aussehen soll. Aber ich bin mir sicher: Wenn der Deutschlehrer beim vorstellen der Lektüre schon sagt: "Das Buch ist in Kollegenkreisen generell unbeliebt, wir werden es nur schnell behandeln, und auch nur, weil der Lehrplan es vorsieht", dann ist klar, dass sich die Unlust vom Lehrer auf die Schüler überträgt (Ähnliche Vorkommnisse betrafen mich auch in Sozialwissenschaften und Philosophie). Es bräuchte also zeitgemäße, interessantere Inhalte, die entsprechend von motivierteren Lehrern vermittelt werden. Aus erster Hand kann ich sagen: Es reicht einfach nicht aus, dass sich Lehrer halbherzig für den Unterricht einsetzen. Ich habe in meinem Mathematik-LK das Glück, dass der Lehrer tatsächlich viel seiner Freizeit für den Erfolg des Kurses opfert, was gerade jetzt vor dem Abitur eine sehr wichtige Sache ist. Außerdem werden die Lehrer, die erprobter Maßen recht Planlos und überfordert vorne stehen, besonders in den unteren Klassen gnadenlos aufgerieben, kriegen ihren Stoff nicht durch, und der Nachfolger hat dann noch mehr Stress - Schadet dem ganzen System nur mehr, als dass sie durch ihre halbe Anwesenheit irgendwas gut machen.

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  2. Nichts wirklich neues.
    Einschreibungsfreie Studiengänge in den Naturwissenschaften machen Sinn, keine Frage (was wäre das auch n NC bei 23 Erstsemestern in Chemie? 6.0? Ach ne, geht ja nicht).
    Aber wenn dann ein Studiengang wie Lehramt auf Haupt- und Realschule auch NC-frei ist, der ohnehin schon total überlastet ist und wirklich JEDEN nimmt der sich einschreibt... hallo? Noch dazu ist allgemein bekannt, dass man an manchen Unis nach 1-2 Semestern NC-frei in andere Studiengänge wie LA für Grundschule wechseln kann (falls den Kandidaten der Stoff nachher im Beruf zu schwierig ist, an der Uni ist das ja eh meist das gleiche... noch so ne Geschichte). Was soll man da erwarten? Bei solchen überfüllten Studiengängen profitieren dann am Ende wirklich die Faulen, die sich grade so durchschlagen, ohne jemals viel geleistet zu haben. Richtige Klausuren gibt es ja auch selten, meist nur Scheine, oder mal ne Hausarbeit oder n Vortrag, die auch der faulste in den mehrmonatigen Semesterferien hinkriegt.
    Klar gibt es auch welche die mit ehrlichen Motiven das Studium beginnen, nur werden die dann entweder von den Kommilitonen oder den Studienbedingungen herunter gezogen. Motiviert bleiben da die wenigsten. Ich kenne zwei, bleibt nur die Frage wie lange die standhaft bleiben, wenn sie jetzt im Referendariat und auch später mit den schwachsinnigen und im blinden Aktionismus entstandenen Entscheidung des Kultusministeriums leben müssen.

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  3. Problem sind selbst für die Guten (Abinote und zunächst Engagement und so), dass sich die Studiengänge (insbesondere Lehramt GHS) in die Länge ziehen (überfüllte staatliche Hochschulen). Die Versprechungen einer Regelstudienzeit auf der Immabescheinigung vor Beginn des 1. Semesters sind also eine schlichte Lüge, da auch bei guten Leistungen im Studium nicht in der Zeit abgeschlossen werden kann. Schlaue Beobachter der eig. Situation kapieren spät. dann, dass es mit leistungsadäquatem Verdienst, Karrierechancen, ... im Lehramt nicht weit hin ist und suchen nach anderen Möglichkeiten, Ihre Fähigkeiten und Talente am Arbeitsmarkt sinnvoll einzusetzen. Es gibt auch Studenten, die viel leisten und arbeiten möchten, aber dann eben auch auf angemessener Honorierung bestehen. Die werden dann nicht Lehrer. Fazit: Wer die Besten will muss Ihnen die Besten Chancen geben, sonst sieht er sie allemal zu einem kurzen Besuch.

    (Eine, die noch LA studiert, aber garantiert nicht in diesem Beruf arbeiten wird, so die Konditionen so sind wie bislang. Dabei habe ich Top-Noten, alle Dozis sagen mir, ich wäre eine super-Lehrerin, aber ich habe eben auch noch einen anderen Studiengang und durch viel Berufserfahrung in der Zeit, die ich notgedrungen an der Hochschule bummeln musste, inzwischen viele lohnendere Optionen einer späteren Berufstätigkeit. Außerdem möchte ich meinen Wohnort und meine Arbeitszeiten selber bestimmen und auch die Möglichkeit haben, undankbare Kunden/unverschämte Leute nicht zu bedienen. Nennt ich dann Psychohygiene. Das darf aber ein Lehrer sich ja nicht rausnehmen ...

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  4. Der Beitrag über mir spricht mir aus der Seele. Ich habe mein Abitur mit Durchschnittsnote 1,3 gemacht und mich dummerweise für das Lehramtsstudium entschieden (2 Naturwissenschaftliche Fächer).

    Niemals hätte ich gedacht, dass man als Lehrer so wenig verdient im Verhältnis zu der Arbeitszeit, die man ableisten muss. Dafür interessiert man sich als 18 Jähriger einfach nicht. Nun bin ich im Referendariat und bin zutiefst frustriert. Der 2. Beste meines Abiturjahrgangs war ich und nun verdient ein Großteil der ehemaligen Mitschüler, die viel schlechtere Leistungen erbracht haben, von denen ich auch einfach weiß, dass sie niemals intelligent genug wären Mathe, Physik oder Chemie zu studieren, viel mehr als ich.
    Natürlich gibt es auch welche, die weniger verdienen. Aber die haben oftmals einen Job, in dem sie Wertschätzung erfahren und in denen sie nicht von ungezogenen Kindern und dreisten Eltern genervt werden.

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  5. Fortsetzung:
    Ich kann nur jedem raten, der das Hirn hat Naturwissenschaft zu studieren! Macht den Master und Finger weg vom Lehramt!
    Es ist nicht so, dass ich ungeeignet bin. Habe gute Noten bei den Unterrichtsbesuchen.
    Es ist einfach zu deutsch ein richtiger Scheißjob und das sagt fast jeder! Hört mal in ein Lehrerzimmer rein, da sind die meisten Leute unzufrieden.
    Viel unzufriedener als ich das von allen anderen Akademikern in anderen Berufen kenne.
    Die Arbeitsplatzsicherheit der Verbeamtung ist ein ganz ganz ganz hoher Preis! Arbeitsplatzsicherheit wäre als Lehrer gar nicht nötig, denn den Job will kein Naturwissenschaftler machen, der noch bei Trost ist.

    Das Schlimme ist, Alternativen gibt es auch nicht. Welches Unternehmen interessiert sich schon für Lehrämtler? Keine Chance!

    Mir bleibt nur eins, ich werde meine Leistung dem Gehalt angleichen und auf Sparflamme arbeiten und hoffen, dass ich nicht noch schwerere Depressionen bekomme, weil ich mit meinem Abi und meinen Fähigkeiten hätte viel mehr erreichen können als diesen Beruf.

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