Montag, 6. August 2007

Weil es besser ist?

Jeep brennt im IrakAfghanistan ist ein hervorragender innenpolitischer Zankapfel geworden. Eine Fraktion sagt "Raus da!" und will, dass sich alle Truppen komplett aus dem Land zurückziehen und man die Leute mit Singen und Klatschen und im Kreis hüpfen weitestgehend selber machen lässt. Andere sind der Meinung, dass man gerade jetzt noch mehr Engagement zeigen muss und den Taliban so richtig zeigen sollte, wo der Hammer hängt. Ich bin auch eher der Meinung, dass man gerade jetzt eher so richtig dazwischen gehen muss, um den militanten Extremisten zu zeigen, wo - auf gut Deutsch - vorne ist.

Wir - damit meine ich jetzt besonders Deutschland, aber auch die übrige internationale Staatengemeinschaft - haben Afghanistan mehr oder weniger ignoriert. Nach der Unabhängigkeit von den Briten hat das Land versucht, eine Demokratie zu werden. 1973 endete der Versuch in einem Putsch und es ging bergab. 1978 ein Gegenputsch. Ja, die Sache mit dem Einmarsch der Russen 1979 war nicht toll und es ist vielleicht auch nicht gerade clever von Pakistan, die Widerstandskämpfer zu unterstützen und die Idee der Amis sie auszurüsten und auszubilden war vielleicht auch nicht gerade die beste Idee.

Was war denn in Afghanistan los, nachdem sich die Russen komplett zurückgezogen hatten? Das Land soff in dutzenden Bürgerkriegen ab. Ein einziges Gemetzel rottete nach und nach die Bevölkerung aus, und das obwohl Afghanistan sich selbst überlassen war und von allen möglichen Seiten finanzielle Hilfe bekam. Was geschah? Im Endeffekt wurde ein extrem-fundamentalistisches Regime unterstützt, das jegliche Menschenrechte für reinen Humbug hielt, das Frauen alle Rechte verweigerte, für die unsere ach so modernen Frauen seit Generationen kämpfen, das Kunst- und Kulturgüter nach Lust und Laune zerstörte, dessen Strafrecht sich in erster Linie an Methoden des Mittelalters orientierte und das vor allem Produktion und Handel von Drogen förderte und gleichzeitig alles an Kleinwaffen aufzukaufen versuchte, deren es habhaft werden konnte.

Nach dem Abzug der Russen bekämpften sich in Afghanistan Clans und selbsternannte regionale Herrscher. Es gab keinerlei staatliche Ordnung. Religion war in erster Linie ein Werkzeug der Unterdrückung und Ausrottung Andersdenkender. Schon vergessen? Frauen durften (nur als Beispiel) bei Todesstrafe nicht mal das Lesen lernen. Hierzulande laufen die Sesselpupser Amok, weil eine Deutsche türkischer Abstammung als Lehrerin Kopftuch tragen möchte und belästigen damit zig Gerichte und die Presse. Aber das in Afghanistan die Frauen in ein Ganzkörperzelt mit winzigem Guckloch gezwungen und ansonsten erschossen werden, das finden sie toll oder wie? Das sehen sie ja nicht auf der Straße und das passiert ihren Blagen ja auch nicht in der Schule.

Die Reste der Taliban rotten sich zusammen. Nachdem sie durch den Einsatz der Nato-Truppen in alle Himmelsrichtungen versprengt worden waren, bilden sie nach und nach wieder neue Häuflein, die mit allen Mitteln versuchen, die internationalen Truppen aus ihrem Land zu treiben, damit sie wieder so weitermachen können, wie vorher. Denen geht es nicht darum, wieder das Idyll aufzubauen, dass Afghanistan vor 2001 mal war. Denen geht es darum, wieder an das Geld und die Macht zu kommen, womit sie ihr eigenes bequemes Leben auf Kosten der übrigen Bevölkerung sichergestellt haben.

Die Nato hat ca. 30.000 Soldaten in Afghanistan. 30.000 Soldaten, die versuchen ein Land zu befrieden, das größer ist als Frankreich und dabei so gut ausgebaut ist wie die Wüste Sahara und so Flach wie ein Land im Himalaya nur sein kann, nämlich überwiegend gar nicht. 30.000 Soldaten haben es geschafft, die Taliban in den Griff zu bekommen und klein zu halten, nur jetzt so langsam reicht das eben nicht mehr.

Diese 30.000 Soldaten stehen nämlich nicht alle "an der Front", um die militanten Spinner zu jagen und zu bekämpfen, die jeden Ausländer entführen und zu Geld machen wollen - oder eben erschießen, je nach dem. Diese 30.000 Soldaten müssen nebenher noch Straßen bauen, Brunnen bohren, Dörfer bewachen, der Bevölkerung zeigen, was eine Polizei ist und wie die funktioniert und so weiter und so fort. Im Prinzip kämpft nur eine winzige handvoll Soldaten gegen die Terroristen - und hat damit für erhebliche Probleme. Für mich ist das überhaupt nicht verwunderlich. Für den Sofaspezialisten schon. Nur mal so als Ausflug in die jüngere Geschichte: Wie viele Soldaten hat es im Zweiten Weltkrieg gebraucht, um Frankreich zu erobern und wie viele, um das Land wieder zu befreien? Haben da auch 30.000 Mann gereicht? Und jetzt soll das reichen?

Hier stellen sich ein paar Leute, die nie im Leben in Geschichte aufgepasst haben, die von Afghanistan wahrscheinlich nicht mal wissen, wo es liegt, mit Wunderbeutel vor die Kamera und skandieren: "Raus aus Afghanistan, ohne uns geht es denen besser!" Genau. Weil ohne unser Eingreifen war Afghanistan ja ein unberührtes Paradies in dem es den Menschen super toll ging und wo es gar keine Probleme gab und wo Milch und Honig flossen. Sicherlich. Weil uns die Taliban ja auch täglich zeigen, wie gut man mit ihnen verhandeln kann und wie sehr sie sich dafür interessieren, was andere Leute so denken. Deshalb ist es jetzt besser, schön den Kuschelkurs zu gehen und mit denen mal Friedenspfeife zu rauchen. Ganz genau.

Sagt mal, ihr Schöndenker, wenn ihr schon die Schüsse nicht hört, merkt ihr wenigstens die Einschläge?

2 Kommentare:

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