Mittwoch, 1. August 2007

Sudan - Wir fahren Euch hin.

BundeswehrWir erinnern uns an Afrika? Da waren unsere Soldaten, um eine demokratische Wahl zu gewährleisten. Damals wurde bereits spekuliert, wann es denn wohl im Sudan los ginge. Gestern hat die UN den Einsatz dort beschlossen. 26.000 Soldaten werden in die Krisenregion entsandt - nur deutsche Soldaten der Bundeswehr werden nicht dabei sein. Nicht etwa, weil die UN unsere Soldaten nicht will, sondern weil es heißt, dass die Bundeswehr keine weiteren Soldaten mehr entsenden könne.

Das Verteidigungsministerium sagt, dass Deutschland zur Zeit über den Daumen gepeilt 8.000 Soldaten im Ausland einsetzt. Insgesamt rund 250.000 Soldaten umfasst die Bundeswehr insgesamt, keine 25.000 Soldaten sind Grundwehrdienstleistende. Die Frage stand schon früher im Raum, wie die Bundeswehr mit einem so geringen Prozentsatz eingesetzter Soldaten logistisch "bis an die Grenze des Zumutbaren" ausgelastet sein kann. Oder um mit einem Kabarettisten zu sprechen: "Wenn das der Ivan gewußt hätte..."

In Afghanistan haben wir das Problem, dass wir zwar helfen, aber nicht kämpfen wollen. Wir sind davon überzeugt, dass wir "die Guten" sind, die in einer seit Generationen umkämpften Gegend ohne Waffen "die Wende" herbeiführen können. Wir zeigen mit dem (moralischen) Finger auf die bösen Amerikaner, Engländer und natürlich auch Taliban, die ja nur Gewalt, Mord und Totschlag im Kopf haben. Entsprechend das Bild in der Gesellschaft, verkennt nur vielleicht ein ganz klein wenig die Realität.

Im Kongo nicht viel anders. Demokratische Wahlen sicherstellen: Ja klar, sind wir dabei - hieß es jedenfalls bis zu dem Augenblick, in dem sich herum sprach, dass der Kongo ein Kriegsgebiet ist. Die Entsendung der Bundeswehr war heftig umstritten, fand aber dennoch statt. Die Wahlen fanden übrigens auch statt, allerdings zeigt sich heute, dass der Kongo alles andere als "befreit" ist und sich die Probleme dort eher ausweiten: Die gewählte Regierung ist nicht weniger korrupt, die Gewalttaten eskalieren, besonders gegen Frauen. Es ist sehr fraglich, ob sich die Regierung gegen die "Rebellen" an der Macht halten kann. Ein erneuter und verstärkter Einsatz von UN Truppen scheint deshalb sehr wahrscheinlich.

Im Sudan ist die Lage nicht viel anders, nur hat die UN dort beschlossen jetzt einzugreifen. Man ist sich im Klaren darüber, dass man dort in einen Krieg zieht, in dem sich die Gegner mit allen Mitteln bekämpfen. Das Ausmaß der dort "üblichen" Gewalt und Brutalität übersteigt jede Vorstellungskraft. Dennoch: Der Wohltäter und Wiederaufbauhelfer Deutschland wird sich nicht beteiligen. Aus logistischen Gründen. So so.

Regierungskreise sagten dem Spiegel:
"Sofern künftig Transportleistungen erforderlich sind, werden wir diese im Rahmen der bisherigen Mandate übernehmen, aber den Umfang der deutschen Beteiligung zu erweitern oder Truppen zu entsenden, wird in der Bundesregierung praktisch ausgeschlossen."
Wie jetzt? Logistisch am Ende aber "Transportaufgaben" will man übernehmen? Vize-Regierungssprecher Thomas Steg erklärte, dass die Regierung eindeutige Prioritäten habe und die lägen in Afghanistan und im Kosovo. Außerdem darf man sich "beim gut Gemeinten nicht verzetteln", meint er. Darum ist es nur "schwer vorstellbar", dass aus Deutschland weitere Soldaten entsendet werden.

Okay, ich gebe zu, dass ich bereit bin vieles mehr oder weniger erst einmal zu glauben, was mir an Gründen präsentiert wird, aber hier habe ich doch erhebliche Zweifel. Logistische Gründe? Verzetteln bei der Setzung von Prioritäten? Wer bitte soll denn wohl diese Argumentation glauben? Da steht doch in großen roten Lettern im Crawler drunter "Bullshit - please ignore!" Was also sind die tatsächlichen Gründe? Angst vor der polnischen Mobilmachung wird es wohl nicht sein und auch die finale Invasion der westlichen Alliierten wird es wohl eher nicht sein - auch wenn viele rechtskonservative US-Amerikaner das Aufgeben der Besatzung Deutschlands für einen kapitalen Fehler halten.

Ist die Modernisierung der Truppe eventuell ein Grund? Liegt es vielleicht daran, dass die Ausrüstung der Truppe sich auf dem Stand der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts befindet und die Soldaten mit einer Ausrüstung in den Krieg ziehen müssten, mit der sie nur anhand ihrer Uniform vom Rebellenkommando zu unterscheiden wären? Wären sie eventuell mit ihrer Ausrüstung dem Buschkrieger mit seiner Machete und dem woanders ausgemusterten uralt Gewehr vielleicht sogar unterlegen? Liegt es vielleicht auch daran, dass unsere Truppe zwar wundervoll den Kampf gegen Dienstvorschriften, Anspitzer und den Büroalltag beherrscht, vom eigentlichen Auftrag eines Soldaten, dem Kampf gegen einen Gegner allerdings wenig bis gar keine Ahnung hat?

Ich halte das zumindest für nicht völlig von der Hand zu weisen.

(Quelle: Spiegel, FAZ, Welt, Zeit, Stern)

3 Kommentare:

  1. Also prinzipiel stimme ich dem zu.
    Es ist jedem klar das wir mehr Geld in das Modernisieren unserer Truppen und Kasernen stecken solltet, statt irgend welche sinlos aktionen im Ausland zu führen.
    Ich denke, wenn die Politiker ehrlich sagen würden, wir können uns den Ausflug nicht leisten, weil wir modernisieren, würden es mehr Bürger verstehen und beipflichten.

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  2. Falsche Zahlen, maßlose Übertreibung und außer Acht lassen etlicher anderer Gründe (hauptsächlich in Bezug auf die logistischen Gründe). Das war nicht einer deiner besseren Einträge :)
    Ich empfehle unten drunter in roten Lettern "Partly bullshit - please ignore!".

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  3. Die Zahlen stammen vom BMV, die Gründe von den Politikern. Ich stelle sie "bloß" infrage.

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