Es ist schon eigenartig, wie wir Deutschen mit unseren Problemen umgehen. Irgendwo in einem kleinen, völlig unbekannten Kaff im hoffnungslosen Osten der Republik entlädt sich der Frust einer Gruppe "Einheimischer" gegen eine Gruppe Ausländer, Inder waren es. "Textilverkäufer". Die Einheimischen wollen den Indern ans Leder. Mal so richtig ein paar auf die Fresse geben. Endlich mal zeigen, dass man doch wer ist, dass man Macht hat, dass man nicht der Schwächste ist. Die Inder erkennen die Gefahr und rennen weg - eine clevere Idee, denn die sie verfolgende Meute besteht zwar "nur" aus vielleicht 10, 15 jungen Männern, aber die Passanten ergreifen eindeutig Partei: Für die Verfolger, gegen die Verfolgten.
Nur aus purem Zufall hat die Polizei in der Gegend ein stärkeres Kontingent bereit. Die Polizisten, die eigentlich bei Ausschreitungen zum Todestag von Rudolf Heß eingreifen sollen, sind keine "Dauerpräsenz". In sofern hatten die Inder doppelt Glück: Sie schafften es nicht nur, sich in einer kleinen Kneipe zu verschanzen, sondern sie schafften auch noch, die Polizei des Ostens davon zu überzeugen, dass jetzt mal etwas Hilfe sinnig wäre und die Polizei hatte sogar Leute da, die sie hinschicken konnte.
Gerade der letzte Punkt ist ein Problem: Auf dem platten Land arbeitet vielleicht noch der Dorfsherrif mit seinen zwei oder drei Komparsen und das war es dann mit der viel gelobten "Polizeipräsenz". Das ist auch hier im Westen nicht anders. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie der Vorfall ausgegangen wäre, wenn nicht zufällig gerade der Todestag eines von den Neonazis verherrlichten Kriegsverbrechers vor der Tür gestanden hätte.
Rechte Gewalt? Ja. Und zwar nicht etwa nur deshalb, weil "Ausländer raus" skandiert wurde oder weil die Täter selber eventuell irgendwelchen rechten Gruppen angehören. Rechte Gewalt deshalb, weil sie sich ganz gezielt gegen eine schwächere Minderheit, gegen Einwanderer gerichtet hat. Das Motiv war ganz am Ende mit einiger Sicherheit der eigene Frust: Weil "die" mir den Job wegnehmen, weil "die" von unserem Sozialsystem profitieren, weil "die" uns auch noch bei jeder Gelegenheit über den Tisch ziehen, weil "die" doch sowieso mit Drogen handeln und erst recht, weil "die" auch noch an unsere Frauen gehen...
Sicher, das Ganze war nicht "geplant". Die Gruppe hat sich wohl eher nicht vorher mit den Einwohnern des Dorfes abgesprochen und eine Route für die Hetzjagd festgelegt. Die Gruppe wird sich auch wahrscheinlich nicht vorher zusammengesetzt und verabredet haben, wen man sich als Opfer aussuche und bei welcher Gelegenheit. Das war alles mehr oder weniger zufällig. Auch der Auslöser, der Funke, der zur Explosion der Gewalt führte, ist - so hart das klingen mag - letztendlich banal.
Rechte Gewalt war das ganze Drama deshalb, weil sich in den Köpfen im Osten festgesetzt hat, dass "die Ausländer" schuld an der misereablen Situation der meisten Einwohner der ehemaligen DDR sind. Es klingt für die chancenlosen Krachexistenzen in den sich zunehmend entvölkernden Landstrichen völlig richtig und naheliegend, dass es ja nur die Ausländer sein können, die an dem Desaster die Schuld haben, denn die Deutschen würden ja niemals ihre eigenen Landsleute so ausbluten lassen.
Entsprechend auch die völlig hilflose Reaktion der Politik. Der Bürgermeister windet sich vor laufender Kamera. Natürlich sei das alles sehr dramatisch und schlimm, aber rechtsextrem sei man in seinem Ort gar nicht. Und die Tat sei auch deshalb bestimmt keine rechte Gewalt. Ähnlich die Politiker auf Bundesebene: Also das muss man jetzt erst mal abwarten, ob denn da wirklich ein Zusammenhang mit Fremdenfeindlichkeit besteht und man darf da keine voreiligen Schlüsse ziehen und überhaupt sei das ja alles gar nicht so schlimm mit dem Rechtsextremismus im Osten.
Klar, die Jungs sind hinter den Indern nicht mit "Sieg Heil!"-Rufen hinterher galoppiert. Die haben bestimmt auch nicht Parolen verbotener Organisationen skandiert. Und es ist auch eher unwahrscheinlich, dass die bei der Tat Flaggen irgendwelcher rechten Clubs oder Parteien geschwenkt haben. Wahrscheinlich gehören sie nicht mal einer solchen Partei an. Trotzdem haben sich die Parolen und Einflüsterungen von ganz weit Rechts bei genau diesen Leuten festgesetzt und Wirkung gezeigt.
Keine Rechte Gewalt? Aber ja! Sogar in seiner primitivsten und bedrohlichsten Form. Es ist eben nicht der glatzköpfige Schläger der Rechten Wehrsportgruppe, der über irgendjemanden hergefallen ist, sondern es waren "beliebige" Leute, Otto-Normalverbraucher, bei denen sich das ganze Ausmaß der Einflüsterung von Rechts in aller Deutlichkeit gezeigt hat. Der ganze Pöbel vereinte sich in seinem Frust und seiner Sensationsgeilheit unter dem Deckmantel der "Reinigung Deutschlands von den Schmarotzern, die unser Land kaputt machen", oder abgekürzt: "Ausländer raus!" Wenn das nicht "rechts" ist, was dann?
Wundert es, dass sich die Regierung Indiens über den Zwischenfall besorgt zeigt und offiziell bei der Bundesregierung vorstellig wird? Wundert es, dass der Zentralrat der Juden Deutschlands die gerade von den Politikern erfolgreich totgeschwiegene Debatte um die "No Go Areas" wieder auspackt? Wundert es, dass gerade bei diesem Thema die Politiker aller Parteien völliges Versagen, Konzept- und Kompetenzlosigkeit vorführen?
Daran wird sich auch nichts ändern, denn mit dem Kampf gegen Rechts lässt sich kein Geld verdienen. Die Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit ist ein Tabu, dass uns von frühester Kindheit an eingetrichtert wird. Von Anfang an wird uns beigebracht: "Damals, das war ganz schlimm, das darf es nicht nochmal geben!" Klar, Krieg ist doof und die Konzentrationslager waren auch mal voll Scheiße, sieht man sofort ein. Was aber nicht erzählt wird, womit man sich peinlich berührt nicht auseinander setzt, dass ist die Idee, die zu jener Katastrophe führte. Und das darf man ja nicht. Ist ja verboten. Aber haste gesehen? Ali nebenan hat sich schon wieder einen neuen Mercedes geleistet. Von unseren Steuern!
Erst dann, wenn es irgendjemandem gelingt, den Kampf gegen das rechte Gedankengut in klingende Münze zu verwandeln, wird sich wirklich etwas tun. Bis dahin werden die Politiker und anderen Verantwortlichen mit aller Kraft abstreiten, dass es in Deutschland ein "Rechtes Problem" gibt, obwohl es jedem mit ausgestreckten Fäusten ins Gesicht springt.
Mittwoch, 22. August 2007
1 Kommentar:
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Ali bezahlt den Benz nicht mit unseren Steuern, sondern mit Drogengeld!
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