Donnerstag, 7. Dezember 2006

Sicherheit - Howto?

N24 - Bundespolizei mit MP5Gestern kursierte die "Vorwarnung" und heute geht es richtig rund. Festnahmen, Entwarnungen, neue Warnungen, Ratlosigkeit und mittendrin die Panikmache der Medien. Nicht etwa, dass die Berichterstattung der Medien wirklich etwas "berichten" würde, abgesehen davon, dass es nichts zu berichten gibt. Sicher, Trittbrettfahrer tauchen auf und werden festgenommen und darauf stürzen sich die Medien in Ermangelung "besserer" Sensationen, aber was bitte war denn auch anderes zu erwarten?

Wer tatsächlich vorhat, einen "angedrohten Amoklauf" durchzuführen, der hat aus naheliegenden Gründen wenig Interesse an der gesteigerten Aufmerksamkeit der Polizei. Wenn derjenige ein klein wenig Hirn im Schädel hat, wir der jetzt schön den Hintern unten halten und abwarten. In sofern war es ein Erfolg an die Öffentlichkeit zu gehen, denn wahrscheinlich konnte so Schlimmeres vorläufig verhindert werden.

Allerdings hat dieser "Erfolg" einen sehr faden Beigeschmack. Den Suizid des Schülers konnte man nicht verhindern und denjenigen, der seinen "Amoklauf" angekündigt hat, den hat man trotz allem noch nicht gefunden. Darf man trotzdem von "Erfolg" sprechen? Schwer zu sagen.

Interessant ist aber die Entwicklung der Diskussion in Hinblick auf die Zukunft. Natürlich denken die meisten bei "Sicherheit" sofort an "Polizei". Naheliegend. Wer soll geschützt werden? Natürlich Eltern, Schulen und Lehrer. Ach ja, und die Schüler auch. Irgendwie. Aber wie? Die Welt titelt heute:
"Deutsche Polizeigewerkschaft fordert Notfallplan für Schulen"
Klingt toll. "Notfallplan" hat was von Sicherheit und vorbereitet sein. Aber auf was? Und was hat dieser Notfallplan bitte mit dem Internet zu tun? Die Welt schreibt:
"Die Polizei wirkt machtlos. Nur 100 der 250.000 deutschen Polizeibeamten sind Internetspezialisten und auf der Suche nach möglichen Schuldigen im Netz."
Der Zusammenhang ist also der: Wer im Internet unterwegs ist und dort beobachtet wird, der ist auch in der "wirklichen Welt" keine Gefahr mehr. Schon klar. Aber ganz davon ab: Woher kommt die Zahl "100"? Und wie soll eine "Polizeistreife im Internet" die Schulen vor Amokläufern schützen? Nach Ansicht der Polizeiführung wird doch Sicherheit durch Präsenz in der Öffentlichkeit, durch das Zeigen von Uniform "produziert". Und selbst wenn 1.000 oder 10.000 Polizisten im Internet "auf Streife" wären: Welche Straftaten würden sie verhindern können? Und was bitte ist ein "Internetspezialist"? Jemand, der erfolgreich Google benutzen kann?

Die Vorstellung über das Internet ist bei der Polizei eine völlig andere, als die der Bevölkerung. Während die meisten Bürger das Internet als Kommunikationsmedium begreifen, ist der Polizei - insbesondere der überwiegend lebensälteren Polizeiführung - das Internet hochgradig suspekt. Nicht ohne Grund spricht die Polizeiführung gerne vom Internet als dem "größten Tatort der Welt". Nun gut, jeder darf seine eigene Meinung und seine eigenen Vorurteile haben, auch wenn diese noch so falsch und einseitig und negativ sind. Wir haben ja ein Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Aber sollte uns diese Sichtweise der Polizei nicht etwas nachdenklich machen?

Entsprechend das Bild der Polizei im Internet. Webseiten, mit denen die Polizei präventiv tätig sein will, erwecken den Anschein einer hilflosen Aktion im Stile von "Ruf mich an, Denunziant!" Kaum eine der Aktivitäten der Sicherheitsorgane im Internet macht auch nur den Anschein, als wenn sich diese um den Bürger drehen würde. Selbstdarstellung, klar. Hochmodern - im Verständnis der 70er und 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Fragen wir doch mal auf der Straße herum, wann das letzte mal ein Polizist vorbei kam, um über die Probleme der Nachbarschaft, das lokale Kriminalitätsgeschehen zu sprechen. Oder wann war das letzte Mal der Schutzmann da, um zum Beispiel Oma über die Straße zu helfen? Das sind vielleicht Ideale der Vergangenheit, aber sie haben in der Vergangenheit funktioniert, weil sie keine Worthülsen waren. Die Polizei als solche ist heute repressiv und nicht präventiv tätig. Sie kann nicht präventiv tätig sein, weil es weder genug Polizisten gibt, um dieser Aufgabe nachzukommen, noch ist das Verständnis von "Bürgernähe" der Polizeiführung auch nur annähernd ähnlich gestaltet, wie das Interesse der Bürger am Kontakt zur und Umgang mit der Polizei.

Mit andern Worten: Wenn wir heute von "Polizei" reden, denken wir zwangsläufig an negative Vorfälle. Etwas ist passiert, jemand hat Mist gebaut, jemand ist zu Schaden gekommen. Und mit diesem Bild soll die Polizei ins Internet und dort für Sicherheit sorgen? In einem gewachsenen Geflecht, das überwiegend auf Peer-Beziehungen und sozialer Interaktion basiert? Ich frage mich, wie das funktionieren soll. Wer zugibt, als Polizeibeamter im "offiziellen Auftrag" im Internet unterwegs zu sein, der wird wohl kaum in irgendein "interessantes" Forum hineingelassen. Verheimlicht er das allerdings, lebt er ständig mit der Gefahr als Spitzel für alle Zeit "verbrannt" zu sein, sobald irgendjemand auch nur den Hauch einer Ahnung hat und ihn "verpfeift".

Trotzdem will ausgerechnet die DPolG mehr Sicherheit im Internet produzieren. Deren Bundesvorsitzender Wolfgang Speck fordert, dass man "Kinder mit dem Internet nicht alleine lassen" dürfe. Nach seiner Ansicht sind viele Eltern mit der Aufsicht überfordert und wüssten gar nicht, was ihre Kinder im Internet "anstellten". Das zeige auch der Umgang Jugendlicher mit Killerspielen. Also staatlich kontrollierte Medienkompetenz? Neben jeden Computer einen Polizisten setzen? Oder etwa jeden Internetzugang staatlich zu 100% überwachen lassen?

In diese Richtung scheinen die Bestrebungen zu gehen: "Durch ausgefeilte elektronische Sicherheitsmaßnahmen der Anbieter sei die Beweisführung für Verstöße gegen bestehende Gesetze sowie das Aufspüren der Hintermänner oft schwierig." habe Speck gesagt, berichtet Die Welt. Das passt zu dem seit Jahren immer wieder aus den Schubladen hervorgekramten Ideen eines Verbotes starker Verschlüsselungen für Privathaushalte und dem immer wieder laut werdenden Ruf nach "mächtigen Filtern" für das Internet ("200.000 Anleitungen zum Bombenbau").

Offen bleibt die Frage, wie sich denn die Polizei tatsächlich den Schutz vorstellt. Was ist denn an faktischer Hilfe "im Fall X" möglich? Klar, Polizei hinschicken, Täter "neutralisieren", Opfer "schützen" und so weiter. Aber was ist denn an Prävention drin?

Oder ist etwa wirklich das Bild der schwer bewaffneten Polizisten, die in Schulen auf Streife sind, das Bild von "Sicherheit", das in den Köpfen unserer Polizei als "ultima Ratio" herumgeistert?

2 Kommentare:

  1. Becksteinscher Gehirngrenzschutz



    Die Schlagzeilen von Morgen:

    -Bund beschließt mehr Kontrolle im Internet für besseren Schutz der Jugend.

    - staatliche Filtersoftware wird Pflicht bei Besitz eines Internetzugangs

    -erste Haftstrafen gegen Illegale Surfer ausgesprochen

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  2. Wenn wir das Medium zensieren, in dem - neben ein, zwei anderen Dingen - erklärt wird, wie man eine Bombe baut, sollten wir das aber bitte auch auf alle anderen ausweiten.

    Also fangen wir an, Physikbücher zu verbrennen. Und dann alle Bücher, in denen das Vorgehen bei einem Kriminalfall erklärt wird - wer liest schon Krimis.

    Bradbury hat ja erklärt, wie...

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