Donnerstag, 7. Dezember 2006

Baker Report

Jeep brennt im IrakHierzulande wird der sogenannte "Baker Commission Report" (oder kurz: "Baker Report") überwiegend mit einer Art von "Wir haben es ja gleich gesagt"-Genugtuung kommentiert. Die Amerikaner haben endlich eingesehen, dass sie da unten Mist gebaut haben und endlich hören sie auf "Old Europe" schallmeit es landauf, landab. Endlich kommen die imperialistischen Amis dahinter, was "wir" von Anfang an gesagt haben. Endlich hören sie auf uns:
"Die Rolle der Deutschen wird sehr wichtig sein, auch symbolisch, weil die Bundesrepublik so ein starker Gegner (des Irak-Kriegs) war. Zweitens hat die Bundesrepublik ab Anfang des Jahres die EU-Präsidentschaft inne. Und auf der anderen Seite ist die Bundesrepublik bekanntlich ein Land, das nicht bereit und nicht in der Lage sein würde, Truppen dahin (in den Irak) zu schicken. Deshalb wird die Koordinierungsrolle der Bundesrepublik in dieser Sache äußerst wichtig sein."

John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter zu N24

"Ich glaube, Deutschland könnte eine wesentliche Rolle spielen, in dem es den USA Hilfe leistet bei der Bildung der sogenannten Gruppe der internationalen Unterstützung Iraks. Es könnte vielleicht auch die Ausbildung der irakischen Streitkräfte intensiv unterstützen."

Charles King Mallory, Nahost-Sonderberater des US-Außenministeriums zu N24
Deutschland soll kitten, was der allmächtige Amerikaner nicht in den Griff bekommt. So klingt es jedenfalls. Und in Amerika? Da hört sich das Ganze völlig anders an. Nicht etwa, dass Deutschland die Schuld gegeben würde. Nein, nicht die Alleinschuld, aber "nicht genug Truppen" besagt doch, das die Forderung von Onkel George völlig richtig war: Es fehlten Truppen zur Konsolidierung der Lage. Truppen, die die Kriegsgegner nicht zur Verfügung gestellt haben. So gesehen gibt die politische Rechte in den USA indirekt auch uns die Schuld an der desolaten Lage im Irak.

Aber auch die politische Linke in den USA ist alles andere als begeistert vom Bericht der Kommission. "The report is a dud" titelt das linke Americablog und schimpft:
"a report with little value outside of total repudiation of the Bush strategy" "In other words, either all these smart people took eight months to tell us what we all already knew, or they watered down their opinion for the sake of not making waves. Neither option is especially heartening."
Viel Lärm um nichts? The American Prospect ist sogar noch um einiges bissiger:
"Given the specific lineup of the 10 wise men and women serving on the Iraq Study Group, the most conspicuous absence is that of supermodel Heidi Klum. Sure, she has no relevant experience in foreign policy, nor any real knowledge of Iraq -- but neither do commissioners Sandra Day O'Connor, Vernon Jordan, Alan Simpson, or Edwin Meese. What Klum does have to offer is a lesson completely lost on the commission, one taught each week on her hit reality show Project Runway: you're either in, or you're out. When it comes to Iraq, it's good advice."
Was wohl so viel heisst, dass sich Leute über ein Thema beraten haben, die davon keine Ahnung haben - Das kennen wir doch irgendwoher? Computerspiele verbieten, Internetüberwachung... da war doch was. Und jetzt soll Deutschland plötzlich "zur Hilfe" kommen? Welche Ahnung haben wir denn von den Problemen im Irak? Was genau wissen wir denn über die Lage und die Interessen der Beteiligten aus erster Hand? Sicher, wir mögen vielleicht als eine Art vermittler von manchen in der Region mehr oder weniger respektiert werden, aber von allen? Man erinnere sich mal an die Vorgänge rund um die Cartoons und Popetown "damals" - was tatsächlich erst wenige Monate her ist.

Keiner weiß so richtig, was man tun soll. Selbst die irakische Regierung ist alles andere als begeistert von dem Bericht, der ja angeblich eine Handlungsempfehlung sein soll:
"It is a report to solve American problems, and not to solve Iraq's problems."

Ayad al-Sammarai, Sprecher der Iraqi Islamic Party
Und damit nicht genug:
"The main obstacle and challenge is the current government." "The Baker-Hamilton report is insisting on national reconciliation. This has not been done, only in government propaganda."

Wamidh Nadhmi, Professor für Politik an der Universität Baghdad
Na wenn das nicht Hoffnung macht. Also zurück zu der Frage: Was genau sollen wir Deutschen in diesem ganzen Fiasko erreichen? Abgesehen von uns die Finger verbrennen? Haben wir eine Patentlösung in der Tasche? Es sieht nicht so aus. Klar, wir können schlau reden und empfehlen, die Truppen aus dem Irak abzuziehen, aber so schlau war man in den USA auch schon, nur: Würde es die Situation bereinigen? Nicht wenige Kenner der Situation bezweifeln das und warnen eindringlich davor. Mindestens ebensoviele andere Experten warnen dringend davor, Truppen im Irak zu lassen und raten dringend zum Rückzug.

Hat der Report zusammenfassend Problemlösungen aufgezeigt? Nein. Ein Ausdruck an Hilflosigkeit ist er auf jeden Fall, aber ein Werkzeug zum Lösen der Probleme ist er nicht. Die Frage, wie und ob man die Lage "da unten" überhaupt in den Griff bekommen kann, steht nach wie vor im Raum. Ob es da hilft, wenn sich einzelne Staaten als Vermittler anbieten, um zwischen Parteien zu vermitteln, die gar nichts vermittelt bekommen wollen, ist meiner Meinung nach mehr als fraglich.

(Quelle: Washington Post, N24)

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