AFP berichtete, dass die Auskunftei Creditreform (sowas ähnliches wie die Schufa) in Neuss gestern eine Analyse veröffentlicht hat. Darin wird betrachtet, wo welche Menschen mit welchem finanziellen Hintergrund wohnen. Das Resultat: Die Anzahl der als überschuldet geltenden Menschen nimmt in Gegenden zu, in denen auch schon vorher eine überdurchschnittlich hohe quote Schuldner lebte. In Regionen mit einer geringen Anzahl Schuldner stieg die Anzahl dagegen nur geringfügig. Das Fazit der Creditreform:"Die Schere zwischen schuldnerarmen und schuldnerreichen Gebieten öffnet sich" und die Überschuldungsstrukturen drohen sich zu festigen. AFP sprach deshalb von der drohenden Gefahr, dass sich in Deutschland "Schuldenghettos" zu bilden drohen.
Die Reaktion der Politiker darauf? Bleibt aus! Kein Sterbenswort! Nix! Aber dafür geifern die Politiker schon jetzt nach dem Geld, dass der Bund dank seiner drastischen Steuererhöhungen und Streichung von Vergünstigungen wahrscheinlich mehr einnehmen wird, wenn denn die aktuelle Steuerschätzung stimmen sollte. Rund 22 Milliarden Euro werden es im nächsten Jahr sein, die der Staat ausgeben kann. Der aktuell ausgerufene Wettbewerb scheint zu sein, sich gegenseitig mit Vorschlägen zu überbieten, wie man diese Mehreinnahmen sinnvoll ausgeben könne.
Die Vorschläge und Forderungen decken so ziemlich alle denkbaren sinnvollen wie abwegigen Möglichkeiten ab. Mein Favorit in diesem Spektakel ist Momentan die Forderung, das Geld komplett in die Bundeswehr zu stecken. Das hat was und ist bestimmt eine Investition in Deutschlands Zukunft! So hat man schonmal einige Probleme mit einem Schlag in Deutschland gelöst.
Die Analyse der Creditreform geht aber noch weiter. 7,2 Millionen Menschen könnten ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen auch in absehbarer Zeit nicht begleichen. Das sind fast 10% der Bevölkerung (10,68 Prozent der Erwachsenen). Im Jahr 2005 lag die Quote bei 10,43 Prozent. Die Zahlen deuten laut Helmut Rödl, Vorstandsmitglied der Creditreform, aber auf ein ganz anderes zukünftiges Problem hin:
"Die Folge ist die fortschreitende Marginalisierung einer großen Bevölkerungsgruppe, die unter anderem zu politischer Lethargie und einem Hang zu autoritären Gesellschaftsformen führen kann."Das lässt sich auch übersetzen mit Politikverdrossenheit und Empfänglichkeit für Rechtes Gedankengut. Zwei Probleme, die wir in Deutschland zwar immer wieder beobachten und versuchen zu hinterfragen, die aber, zumindest wenn man die "große Politik" befragt, eigentlich gar nicht existent sind. Bemerkenswert sind die Gründe, die Herr Rödl für die Entwicklung nennt. Seiner Meinung nach sind das Einkommensarmut und Arbeitslosigkeit, wobei die mangelnde Allgemeinbildung besonders in Finanzfragen und die Zunahme der Werbung für Kreditangebote auch zur Entwicklung beitragen.
Sinkende Löhne und Gehälter, zunehmend unsichere Arbeitsplatzsituation, mangelhafte Bildung, zunehmendes Desinteresse an der Politik, steigende Empfänglichkeit für totalitäre Ideologien? Klingt Abwegig? Gilt nicht für Deutschland?
Infratest Dimap hat beim aktuellen ARD-Deutschlandtrend, einer regelmäßigen Studie verschiedener politischer Trends in Deutschland festgestellt, dass 51% der Deutschen mit der Demokratie in Deutschlan unzufrieden wären. 38% waren "weniger zufrieden" und 13% "gar nicht zufrieden". Das ist der niedrigste Zustimmungswert, der je im ARD-Deutschlandtrend gemessen wurde. Dazu kommt, dass inzwischen nur noch 27% der Befragten der Meinung sind, dass es in Deutschland "gerecht" zugeht (September 36%, Juli 37%).
Ich bin mal gespannt, wie die Politik mit diesen offensichtlichen Zusammenhängen umgehen wird. Ehrlich gesagt rechne ich aber nicht mit größeren Reaktionen.
(Quelle: AFP, N24, Tagesschau, Infratest Dimap)
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