Die Nachrichtenagentur Reuters hat einen handfesten Skandal an den Hacken. Der als freier Mitarbeiter für die Agentur tätige Fotograph Adnan H. stellte der Agentur ein Bild zur Verfügung, dass Reuters am Samstag mit der Bildunterschrift "Smoke billows from burning buildings destroyed during an overnight Israeli air raid on Beirut's suburbs." ("Rauch steigt von brennenden Gebäuden auf, die während eines nächtlichen Luftangriffs der Israelischen Luftwaffe auf die Vororte Beiruts zerstört wurden.") veröffentlichte. Das Bild war jedoch offenbar bearbeitet worden.
Es ist nicht eben unangenehm, dass die ziemlich schlecht gemachte retouche überhaupt aufgefallen ist. Besonders unangenehm ist, dass ausgerechnet dem pro-israelischen Weblog Little Green Footballs die offensichtliche Bearbeitung auffiel und so Reuters in eine nicht eben angenehme Situation geriet. Für den eigenen Eindruck hier die Bilder, links Fälschung, rechts Original (klick Bild für größere Version):
Reuters zog das Bild inzwischen zurück und entschuldigte sich öffentlich für die "Panne". Unterstellungen, nach denen das Bild insgesamt gefälscht sein soll und der Luftangriff der israelischen Luftwaffe nicht stattgefunden habe, wies nicht nur Reuters, sondern auch die zu diesem Vorfall befragte Associated Press als absurd zurück. Offen bleibt allerdings die Frage, wer das Bild bearbeitet hat: der Fotograph oder ein Redakteur bei Reuters? Auch die zwischenzeitliche Entlassung des Fotographen macht das nicht eben durchschaubarer.
Trotzdem wirft dieser Event - ob nun Bagatelle oder grandiose Unglaublichkeit mag jeder für sich selber entscheiden - einige Fragen auf. Früher gab es Negative. Mit denen konnte sehr eindeutig bewiesen werden, ob ein Bild bearbeitet worden war oder nicht. Heute gibt es aber kaum noch Negativfilme, denn fast alle Aufnahmen werden heutzutage mit Digitalkameras gemacht. Digitale Daten sind "geduldig" und ein Original ist nicht ohne Weiteres von seiner Kopie zu unterscheiden.
Wie häufig werden tatsächlich "geschönte" Bilder präsentiert, ohne dass wir es merken? Wie häufig werden den Medien Bilder "untergeschoben", die teilweise oder komplett überarbeitet wurden oder ver- wenn nicht gar komplett gefälscht sind? Sicher mag eine Farbkorrektur, um einen ungünstigen Rotstich zu kaschieren, noch ohne größere Diskussion von jedem akzeptiert werden. Aber Farbfilter lassen sich auch zu anderen Zwecken einsetzen und aktuelle Bildbearbeitungssoftware kann weit mehr, als nur "ein wenig an den Farben" herumbasteln.
Fehlt es an einer Art "Echtheitszertifikat" für digitale Aufnahmen? Oder vielleicht ist eine Art dokumententenechtes "Write Once" Speichermedium für Digitalkameras die Lösung, auf dem die Aufnahme und eventuell sogar noch weitergehende Daten festgehalten werden? Was ist mit bewegten Bildern? Was mit einem Bild automatisiert gemacht werden kann, kann leicht auch mit Bilderserien gemacht werden.
Kann man dem "Bildbeweis" heute noch trauen?
Dienstag, 8. August 2006
1 Kommentar:
Bedingt durch die DSGVO müssen Kommentare zu Beiträgen der Tapirherde manuell freigeschaltet werden, um um der Veröffentlichung von Spam-, Hass- oder sonstiger unerwünschten Kommentaren vorbeugen zu können. Die Veröffentlichung eines Kommentars kann deshalb ein wenig dauern. Sorry dafür.
Wenn Sie Beiträge auf Tapireherde kommentieren, werden die von Ihnen eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. die IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Weitere Infos dazu finden Sie in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Dieser Krieg wird unter anderem deshalb ein "Stellvertreterkrieg" genannt, weil nicht die "eigentlichen" Kombatanten gegeneinander antreten, sondern Stellvertreter. Der Libanonkrieg ist trotz aller PR nichts anderes als eine Vorbereitung auf kommende und von langer Hand geplante Kriege, die in erster Linie im Namen und auf Rechung der USA und deren "Koalition der Willigen" geführt werden. Die Bevölkerung des Libanon ist dabei - man erinnere sich an die Lesart der Israelischen Regierung - "Expendable".
AntwortenLöschenIsrael muss aus mehreren Gründen die Hisbollah "loswerden", bevor es zum Krieg gegen den Iran kommt. Darum ist es um so wichtiger (und aus dieser Perspektive auch verständlicher), dass der IDF so viel Zeit wie irgend möglich eingeräumt wird, um diese "Milizen" und ihre Infrastruktur so stark zu schwächen, wie nur irgendwie möglich. Da hier wie im Irak nicht zu unterscheiden ist, wer tatsächlich Zivilist und wer getarnter Milizionär ist, muss die IDF Kollateralschäden in Kauf nehmen - auch und gerade mit dem Risiko, dass das internationale Ansehen Israels kurzfristig darunter leidet.
Sobald die sekundäre Armee des Irans aus dem Weg geräumt ist, kann und wird sich die USA um den Iran mit militärischen Mitteln kümmern. Zu groß ist das Risiko, dass der Iran sich China zuwendet und mit funktionierender Nuklearinfrastruktur plötzlich durch die USA nicht mehr "kontrollierbar" (treffender wäre "erpressbar") ist und die Rohstoffreserven der "falschen Seite" in die Hände fallen.
Die Rolle der USA ist daher eine eindeutig egozentrische. Es geht nicht um "den Krieg gegen den Terror", denn der war von Anfang an nur das PR-Mittel, um großangelegte militärische Operationen zu rechtfertigen, mit denen die USA ihre Interessen auf die zukünftigen Entwicklungen ausrichten und sichern.
Es ist zwar löblich, dass verschiedene Fraktionen in den USA gegen den Krieg im Libanon protestieren und ein Ende der Kampfhandlungen fordern, aber was ist das schon gegen die Aussicht auf Benzinpreise wie sie zB in Deutschland von den Verbrauchern bezahlt werden? Was mag in den USA für eine Protestwelle losgetreten werden, wenn der Liter dort plötzlich auch 1.30, 1.40 EURO(!) kostet? In einem solchen Szenario dürften der großen Mehrheit der US-Bürger die paar hundert Zivilisten im Wüstensand irgendeines kleinen Landes am anderen Ende der Welt ziemlich egal sein.
Und was, wenn China plötzlich ernst macht? Was wenn China wahr macht, was seit Jahren erwartet wird und dieses kollosale Riesenreich die Nachfolge der UdSSR antritt? Die Administration in den USA ist sich völlig darüber im klaren, dass die USA alleine diesem Moloch nicht das Geringste entgegensetzen kann. Die USA weiß auch, dass China, wenn es denn ernsthaft will, nicht zu bändigen ist - man erinnere sich an den Coup mit den Staatsanleihen, die im großen Maßstab von China aufgekauft wurden, bis Mr. Bush darum bat, das doch bitte sein zu lassen, man würde dafür auch die eine oder andere Konzession eingehen. Und was mag wohl Mr. Gates mit seinen Mannen mit Herrn Hu besprochen haben?
So bitter es klingt, aber der Libanon ist "bloß" ein Nebenschauplatz. Die Figuren in dieser Partie um die Vormacht in der Welt wurden schon länger positioniert. Jetzt findet sozusagen das Mittelspiel statt. Wirklich interessant wird es, wenn die USA ihrem echten Gegner gegenübertreten - falls sie dann noch die Rolle spielen, die sie sich heute anmaßen.