Donnerstag, 19. Oktober 2006

Zollformalitäten

Adler DianaDie Beziehungen zwischen Polen und Deutschland sind auf dem internationalen politischen Parket seit einiger Zeit nicht die Besten. Das mag daran liegen, dass die gerade Polen Regierenden irgendwie nicht so ganz in unser Verständnis von Demokratie passen oder auch daran, dass diese beiden ein zum Teil etwas eigenartiges Verständnis zur Geschichte haben, es kann aber auch völlig andere Gründe haben. Jedenfalls spätestens seit der Satire in der TAZ und der Forderung nach Inhaftierung und Auslieferung des Autoren durch die in der Satire angesprochenen Brüder Kaczynski ist klar, dass man östlich der Oder nicht unbedingt freundlich auf uns zu sprechen ist.

Das ist man anderswo auch nicht - man denke in diesem Zusammenhang nur an die Verbrennung der deutschen Flagge und das symbolträchtige Aufhängen von Strohpuppen deutscher Politiker durch Anhänger der angeblich ja völlig friedliebenden Religion des Islam. Was allerdings doch eher eine neue Version der, nennen wir es mal höflich "Verschiebung der internationalen Interessenlage" darstellt, ist das Einsetzen von Waffengewalt durch staatliche Organe. Das hatten wir seit dem 8. Mai 1945 nicht mehr.

Was war geschehen? Polnische Zöllner gehen in Deutschland unerkannt (weil in zivil) und ohne Wissen deutscher Behörden an Bord des Ausflugsdampfers "Adler Diana". Der wiederum legt mit Touristen von der Seebrücke Bansin in Richtung Miedzyzdroje (Misdroy) ab. Das liegt nicht sooo weit auseinander: Bansin (bei Heringsdorf) - Miedzyzdroje sind grob geschätzt 20 Kilometer.

Diese Route wird erst seit wenigen Wochen wieder befahren, denn es gab langwierige Streitereien um die Route. Jedenfalls das Schiff erreicht polnische Gewässer, die polnischen Zöllner geben sich zu erkennen und machen irgendwas - was genau, ist nicht ganz klar. Das Schiff erreicht jedenfalls den Zielhafen und legt dort an. Die Reederei sagt, dass die Zöllner sich nicht oder nicht ordnungsgemäß haben ausweisen können und dass sie die Bestände an Spirituosen einsacken ("konfiszieren" in der Fachsprache) wollten. Aus Polen heißt es hingegen, man habe "nur" kontrollieren wollen, ob die Waren ordnungsgemäß nach polnischem Recht versteuert gewesen wären.

Jedenfalls sagte der Kapitän per Funk oder per Handy seiner Reederei bescheid und die wiederum sagte dem Kapitän, dass er sofort mit dem Dampfer nach Hause kommen soll. Was die Reederei sagt, ist in solchen Fällen für den Kapitän ziemlich wichtig. Man könnte so weit gehen zu sagen, es sei für ihn bindend. Darum tat er dann auch, wie ihm geheißen. Die Polen wiederum fanden das wohl hochgradig unlustig, dass sich ihre frisch gesichert geglaubte Schmuggelware einfach so wieder vom Acker machen wollte und darum sagte man der Küstenwache bescheid. Die wiederum - so die Aussagen der Besatzung und des Kapitäns - eröffnete irgendwo bei Swinemünde und Ahlbeck schließlich das Feuer auf das Ausflugsschiff und schoss eine Runde Warnschüsse über das Schiff hinweg, weil das ums Verrecken nicht den nächsten polnischen Hafen ansteuern wollte. Ist ja auch eine bodenlose Sauerei so was!

Der Ausflugsdampfer legte schließlich wieder in Deutschland an und nach dem Anlegen in Heringsdorf schaltete sich die Bundespolizei ein. Unklar ist, ob die polnische Küstenwache von alleine auf die Idee kam wieder nach Hause zu fahren, oder ob von unserer Marine ein wenig nachgeholfen wurde, jedenfalls kontrollierte man die Ausweise der angeblichen Zöllner, verpackte sie warm und trocken und brachte sie zum Grenzübergang Ahlbeck, was quasi um die Ecke ist. Da warteten dann schon die polnischen Sicherheitsbehörden. Was danach auf polnischer Seite passierte, ist unbekannt.

Ohne jetzt daran zu erinnern, dass sich auch um das Verhalten polnischer Beamter ziemlich viele bunte Geschichten ranken und ohne darauf herumzureiten, dass die völlig ungeklärte Beschlagnahme von rund 560.000 Zigaretten durch polnische Sicherheitskräfte bei zwei Gelegenheiten innerhalb der letzten zwei Jahre noch ein paar Fragen offen lässt. Selbst wenn das alles völlig korrekt gelaufen sein sollte:

Liebe Polen, in der EU ist es entgegen Eurer vielleicht auch hierin etwas abweichenden Meinung nicht üblich, auf die Ausflugsschiffe der anderen Mitgliedsstaaten zu schießen. Schon gar nicht, wenn man eigene Beamte an Bord hat. Und erst recht dann nicht, wenn es bloß um was weiß ich wie viele hundert, wenn nicht gar tausende Pullen Alkohol geht, bei denen man nur kontrollieren will, ob die ordnungsgemäß versteuert sind. Die schafft nämlich keiner "mal eben" zur Seite. Vielleicht ist das bei Euch ja anders, aber bei uns ist das so, dass die Behörden der Länder in solchen Fällen zusammenarbeiten. Amtshilfe nennt man das. Das Schießen auf anderer Leute Schiffe gehört aber nicht unbedingt zu den Maßnahmen, mit denen man seine Zuneigung und innere Verbundenheit ausdrückt.

Dachte ich jedenfalls. Kann ja sein, dass das in Polen anders ist.

(Quelle: NDR)

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