Mittwoch, 24. Mai 2006

Bahnfahren

BahnBahnfahren ist nicht nur teuer, sondern auch zunehmend ein Glücksspiel. Seit im Zuge der Kosteneinsparung der Service immer mehr zurückgefahren wird, ist der Kunde - der ja angeblich König ist - zunehmend mit mal mehr, mal weniger unwilligen Buchungsautomaten konfrontiert. Deren Funktionsfähigkeit reicht von "völlig problemlos und zufriedenstellend" bis hin zu "Totalversagen bei Abbuchung des Betrages". Die Klagen sind entsprechend vielschichtig. Attribute wie "unübersichtlich", "vollkommen unverständlich", "lahmarschig", "im Keller bei Kerzenlicht gebaut" oder auch "und wo sind jetzt meine Tickets?" werden immer wieder gern vorgetragen, wenn es um die ach-so-tollen Automaten der Bahn geht.

Ich kenne eine ganze Reihe dieser Fehlfunktionen aus eigener Erfahrung. Es gibt scheinbar kaum etwas, was bei diesen Teilen wirklich so funktioniert, wie es am grünen Tisch vorgesehen wurde. Ungeschlagen das Erlebnis mit dem völlig entnervten Schaltervorsteher, der mir zeigen wollte, dass ich bloß zu dämlich sei den Automaten zu benutzen - nur um mir hinterher eine Taxifahrt zum Zielbahnhof zu bezahlen, weil über seinen Kampf gegen die Maschine der Zug bereits abgefahren war.

TicketautomatenZunächst wurde die Einnahmequelle "Schwarzfahrt" aufgebohrt und ausgebaut. Gleichzeitig wurden die Ticketpreise am Schalter erhöht und das Personal dort reduziert, damit die Leute die teuren Automaten benutzen. "Am Automaten geht es schneller und ist billiger" - klar, bei nur einem Schalter und 200 wartenden Kunden ist diese Aussage bestimmt grundsätzlich richtig - Modulo Technik. Wer daran scheitert (willkommen im Club) wird schließlich nicht selten ohne Ticket in der irrigen Annahme in den Zug hasten, dort beim Schaffner ein Ticket kaufen zu können.

Die Bahn hat das Problem erkannt und will Abhilfe schaffen. Statt wie bisher Ticketbuchung und Kassieren an einem Automaten durchzuführen, wird das Drama jetzt auf zwei Automaten verteilt: Einer für den Spaß bei der Buchung der Tickets und ein weiterer für das Vergnügen beim Kassieren. Ein Sprecher der Bahn war gezwungen zu sagen:
"Der eigentliche Buchungsdialog an den neuen Automaten ist schneller. Unter dem Strich wird trotz zweier Schritte an zwei getrennten Automaten Zeit gespart"
Ich sehe es schon bildlich vor mir: "Die Buchung ist leider gescheitert, bitte ordern sie neue Tickets." Gilt das Sprengen von Ticketautomaten eigentlich als "Gefährlicher Eingriff in den Schienenverkehr"?

Das Buchen von Tickets soll für den Kunden stressfrei sein, nicht für die Bahn. Der Kunde soll zufrieden sein mit Produkt und Leistung, nicht der Verkäufer. Wer Kunden den Erwerb des Produktes erschwert, darf sich über mangelnde Akzeptanz am Markt nicht wundern. Der Ticketverkauf ist Kundendienst und das ist, wie das Wort schon sagt, Dienst am und für den Kunden. Nach den vielen erfolglosen Jahren des Herumexperimentierens mit verschiedensten technischen Varianten der Verkaufsverhinderung sollte die Bahn eigentlich erkannt haben, dass die Automaten zwar im Nahverkehr vielleicht eine gute Idee™ sind. Wenn es um den Fernverkehr geht, ist jedoch jeder Automat mit Menüsteuerung hoffnungslos überfordert, weil eben jede Bahnreise individuell ist und eben nicht nach "Schema F" aus dem Automaten abgerufen werden kann.

SchalterhalleMeine Erfahrung: Es ist zwar um ein paar (wenige) Euro teurer, sich am Schalter bedienen zu lassen. Dafür kann sich dann aber jemand Anderes mit der Technik herumärgern, während ich einfach nur sage, wann ich wohin will und kürzer und entspannter auf das garantiert korrekt ausgestellte Ticket warte und dabei die Aussicht auf die entnervt am Automaten herumrandlierenden Technikfanatiker der Bahn genieße.

Angenehme Reise!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Bedingt durch die DSGVO müssen Kommentare zu Beiträgen der Tapirherde manuell freigeschaltet werden, um um der Veröffentlichung von Spam-, Hass- oder sonstiger unerwünschten Kommentaren vorbeugen zu können. Die Veröffentlichung eines Kommentars kann deshalb ein wenig dauern. Sorry dafür.
Wenn Sie Beiträge auf Tapireherde kommentieren, werden die von Ihnen eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. die IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Weitere Infos dazu finden Sie in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.