Donnerstag, 9. Juni 2011

500

Die Wehrpflicht fällt weg und das wird auf breiter Front bejubelt. Mit der Wehrpflicht fällt aber auch der zwangsweise Ersatzdienst weg, den Wehrdienstverweigerer bisher antreten mussten. Jener Zivildienst füllte im Sozial- und Gesundheitswesen in Deutschland bisher eine nicht zu verachtende Lücke. Aber auch das fällt jetzt zukünftig weg. Darum hatten die Politiker in Deutschland die brilliante Idee, einen Ersatz zu schaffen. Da man aber die Leute nicht mehr zwingen kann, muss das eben freiwillig passieren. Bundesfreiwilligendienst heißt das Projekt und soll mehr oder weniger der Nachfolger des Zivildienstes sein.

Da der Bundesbürger ja von der Notwendigkeit einer solchen Dienstleistung zum Hungerlohn vollends überzeugt ist, rechnete man bei den Politikern und Ämtern mit einer Flut von Bewerbungen. Aus dem Stand sollten die sich in diesen Dienst drängenden Freiwilligen die Zwangsarbeiter aus dem Zivildienst ersetzen können. Wie schon öfter: Die Realität sieht etwas anders aus.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, sagte gegenüber MDR info, dass es bis jetzt schätzungsweise 500 fest entschlossene Interessenten gibt. Fünfhundert. Bundesweit. Untere Erwartungsgrenze waren 5.000 Bewerberinnen und Bewerber. Bei anderen Trägern der Sozialdienste wird es wohl kaum anders aussehen.

Wenn am 1. Juli 2011 der Bundesfreiwilligendienst den Zivildienst ablöst, wird es nach Aussage der Sprecherin des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, Antje Mäder, "natürlich eine Lücke" in der Personalstärke zwischen Soll und Haben geben. Wieviele sich bei den einzelnen Trägern der Sozialdienste beworben haben, konnte sie jedoch nicht sagen. Ich vermute eher, sie durfte es nicht sagen.

Über die Situation und Einstellung in Deutschland sagt das jedenfalls eine Menge aus. Besonders über die Bereitschaft, sich für die Gemeinschaft zu engagieren. Darum bin ich sehr gespannt, wann aus dem "freiwilligen sozialen Jahr" eine verpflichtende Kiste für alle wird, die sich nicht freikaufen können...

3 Kommentare:

  1. statt einem verpflichtenden "freiwilligen sozialen jahr" wird eine neue Harz IV regelung eingeführt...
    ich freue mich schon auf meine neuen "Null Bock" Kollegen

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  2. Ich habe meinen Zivildienst gerne geleistet, auch wenn's (aus Sicht anderer - meine eigene Sicht ist da etwas weniger dramatisch) ein Knochenjob war, der an der seelischen Substanz zehrt (Geriatrische Vollpflege, wem das was sagt). Wie gesagt: Ich fands OK, auch wenn nicht alles schön war.

    Ich habe diesen Weg einer - in meinen Augen sinnlosen - Ausbildung an der Waffe vorgezogen, auch wenn damit ein eineinhalb mal so langer Pflicht-Zeitraum als mit dem Wehrdienst verbunden war.

    Ich persönlich sehe nicht wirklich ein, wieso ich mich neben meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Wahlvorstand noch weiter engagieren sollte. Ich bin offenbar mit Blick auf mein Engagement eher die Ausnahme: Das Gros macht weit weniger. Ich kann mich guten Gewissens hinstellen und sagen "Die jungen Leute haben gefälligst etwas zu leisten, bevor sie ins Berufsleben einsteigen". Das wäre nur gerecht. Jeder soll entscheiden dürfen, ob er Wehrdienst oder Zivildienst leisten soll. Ohne Gewissensprüfung. Bei gleicher Dienstdauer und gleicher Bezahlung. Und einer Bezahlung, die deutlich höher ist als bisher.


    Ja, diese Zahl "500" sagt etwas darüber aus, wie sehr es um den Willen bestellt ist, etwas für das Gemeinwohl zu leisten. Nämlich dies, dass es hier nicht einen Furz anders läuft als in fast jedem anderen Land dieser Welt. Entweder gibt es ordentliches Geld dafür, dann wird auch was geleistet und dies auch gerne. Oder es gibt besagten Hungerlohn, der einen dann trifft, wenn man zum ersten Mal etwas Geld verdient hat. Und mal ehrlich: Niemand hat wirklich Bock darauf, sich für dieses Taschengeld den Arsch aufzureißen. Und ich wette, das sieht besagtes Gros der Bevölkerung genau so wie ich.

    Bei mir waren "dieses Taschengeld" damals 325,- DM - das war WEIT weniger als die Hälfte dessen, was ich in meiner vorangegangenen Berufsausbildung netto bekommen habe. Und ich stand noch gut da: Der Regelsatz war damals 277,-. D-Mark. Nicht Euro.

    Nur meine 3,91166 Pfennige.

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  3. beim freiwilligendienst an der waffe sieht es ähnlich mau aus...
    keiner will in die mannschafter laufbahn. logischerweise. wozu auch? die weiterbildungsmaßnahmen nach 4 jahren sind fast null.
    wer zum bund will macht gleich den unteroffizier mit oder ohne portepee. was wiederum dazu führt dass fast nur nichtskönner zum bund kommen. menschen, die als dienstrad eingestellt werden und nicht die möglichkeit haben mit ihren aufgaben, deren verantwortung und am ende auch mit dem verbundenen dienstgrad wachsen können.

    aber jetzt zum sommer steigen die zahlen der freiwilligen meldungen wieder. vermutlich weil die aga dann nicht so hart ist.

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