Dienstag, 16. März 2010

Generalamnestie in Afghanistan

Reuters berichtet, dass Afghanistan eine Generalamnestie für Kriegsverbrechen erlässt, die vor 2001 begangen wurden. Zwar hatte Präsident Hamid Karzai versprochen, dass er das Gesetz nicht unterschreiben werde, als es 2007 vom afghanischen Parlament verabschiedet wurde. Jedoch teilte Waheed Omer, Sprecher von Präsident Karzai heute mit, dass Gesetze, die vom Parlament mit einer zweidrittel Mehrheit beschlossen werden, nicht der Unterschrift des Präsidenten bedürfen.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Gesetz als Affront gegen die Bevölkerung, die jahrelang unter den Verbrechen der Warlords gelitten haben. Brad Adams, Vorsitzender von Human Rights Watch, forderte die USA und die internationale Staatengemeinschaft auf, Druck auf die afghanische Regierung auszuüben, damit das Gesetz widerrufen wird.

Präsident Karzai hat in den vergangenen Jahren zunehmend Kommandeure bewaffneter Gruppierungen in den inneren Kreis der Regierung aufgenommen, von denen einigen von westlichen Staaten Kriegsverbrechen und andere Vergehen vorgeworfen werden. Bekannt wurde kürzlich in diesem Zusammenhang besonders in Deutschland der Fall von Abdul Zahir, der in Deutschland wegen versuchten Totschlags an einem seiner Söhne 1998 wegen versuchten Totschlags zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurde. Zahir ist jetzt Statthalter in Marjah, die jüngst im Rahmen der neuen Strategie der alliierten Streitkräfte von militanten Taliban befreit wurde.

Aber auch die beiden Vizepräsidenten von Karzai haben keine blütenreine Weste. Beide waren Anführer bewaffneter Gruppierungen, die in den 1990er Jahren um die Vorherrschaft in Kabul kämpften. Bei diesen Kämpfen wurden tausende Zivilisten getötet und hundertausende zu Flüchtlingen.

Für das Gesetz spricht allerdings die Überlegung, dass jede Gesellschaft irgendwann mit ihrer Vergangenheit abschließen muss (siehe z. B. Deutschland und die Mitarbeiter ehemaliger Behörden der DDR). Besonders in Afghanistan besteht die Gefahr, dass ohne diese Generalamnestie in naher Zukunft wieder ein Bürgerkrieg ausbrechen könnte. Auch dürften Überlegungen eine Rolle spielen, dass nur über eine solche Amnestie überhaupt eine Annäherung an den großen Nachbarn Russland möglich sein wird und auch die USA dürften ein gewisses Interesse haben. Allerdings sollte das Risiko auch nicht unterschätzt werden, dass auf diesem Wege unter Umständen genau jenen der Weg zur Macht geebnet wird, wegen derer die Alliierten überhaupt in Afghanistan einmarschierten.

Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass die Regierung Karzai zwei Jahre lang die Gültigkeit des Gesetzes und das Zustandekommen verheimlicht hat und es erst jetzt "nebenbei" veröffentlichten.

1 Kommentar:

  1. Finde ich unglaublich.
    Ich würde den gelegenheit nutzen die neue afghanische Justiz damit zu schleifen, warum nicht neu aufrollen die Fälle und Profil zeigen?

    Mit begriffen welche das prefix "general" tragen habe ich eh meine Probleme ; )

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