Mittwoch, 28. Mai 2008

Hat er oder hat er nicht?

Gregor Gysi MfS WikipediaNatürlich ist es nur eine Vermutung, aber irgendwie sind die Indizien ja schon ziemlich belastend. Auch das Dementi kam sehr schnell und war nicht gerade das, was ich ein "wasserdichtes Alibi" nennen würde. Aber was soll er denn tun? Welche Möglichkeiten bleiben ihm denn? Und was für Folgen hat es, wenn es tatsächlich stimmt? Es geht natürlich um unseren Gregor, den Fraktionsvorsitzender der Linkspartei und die Schatten der Vergangenheit, die ihn zur Zeit mal wieder belasten.

Worum geht es überhaupt? Nun, Gregor Gysi war damals, als es die DDR noch gab, Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und als solches Mitglied der Volkskammer der DDR und generell eher ein nicht unbedeutend einflussreicher Mann im System. Er war auch einer der wenigen freien Anwälte in der DDR und verteidigte in dieser Funktion in der DDR als Straftäter geltende Systemkritiker und Ausreisewillige. Und genau da liegt der Hund begraben.

Seit Jahren hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Gregor Gysi ein "IM", ein "Inoffizieller Mitarbeiter" des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen sei. Darüber gab es sogar schon eine Untersuchung durch den Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages. Der kam aber anhand der nicht vorhandenen Akten und Aufzeichnungen zu dem Schluss, dass Gregor Gysi das "IM"-sein nicht nachgewiesen werden kann. "Aufgrund unzureichender Unterlagen", wie es damals hieß.

Trotzdem stellte der Ausschuss bereits damals fest, dass "er sich in die Strategien des MfS einbinden lassen, selbst an der operativen Bearbeitung von Oppositionellen teilgenommen und wichtige Informationen an das MfS weitergegeben" hat. Gregor Gysi nahm zum Ergebnis des Ausschusses befriedigt Stellung und wertet ihn bis heute als Freispruch, denn ihm konnte eine Tätigkeit als "IM" nicht nachgewiesen werden, seiner eigenen Auffassung nach "weil ich zu keinem Zeitpunkt inoffiziell mit dem MfS zusammengearbeitet habe".

Nun sind in der Birthler-Behörde, die sich mit der Auswertung der Unterlagen aus der DDR-Vergangenheit, insbesondere solcher des MfS, seltsame Berichte aufgetaucht. In diesen Berichten beschreibt jemand in ich-Form von seinen anwaltlichen Gesprächen mit eben genau jenen Systemkritikern, die jener Anwalt eigentlich vor diesem System schützen sollte. Gysi ließ durch die Parteizentrale umgehend dementieren, dass diese Protokolle in irgendeiner Verbindung zu ihm stehen könnten.

Der Haken an der Sache: Er ist der einzige, der nach gegenwärtigem Stand überhaupt dazu in der Lage wäre, ein solches Protokoll zu schreiben. Er war der einzige, der sich in der Funktion eines Anwalts im Haus der Havemanns aufgehalten und den Mandanten unterhalten hat. Es ist nicht wahrscheinlich, dass jemand, der z. B. dieses Gespräch abgehört hat, ein Protokoll in ich-Form niederschreibt, während alle anderen Protokolle, die abgehört wurden eindeutig als "abgehört" gekennzeichnet sind.

So bedeutsam sind die neuen Erkenntnisse, dass der Bundestag das Thema sofort auf seine Tagesordnung gesetzt hat. Auf Antrag der Koalitionsfraktionen debattiert das Parlament am Nachmittag über die "Berichte der Bundesbeauftragen für die Stasi-Unterlagen, Birthler, über vertrauliche Gespräche, die Gysi 1979/80 als DDR-Rechtsanwalt mit Mandanten geführt hat".

Natürlich kann auch alles ganz anders gewesen sein. Vielleicht gibt es noch jemanden, der sich als Anwalt mit den Havemanns während der Zeit getroffen hat, während der auch Gregor Gysi diese Mandanten verteidigte, ohne dass er davon wusste. Vielleicht wollte sich ein Mitarbeiter des MfS bei seinen Chefs wichtig machen und hat ein Abhörprotokoll so verfasst, als hätte er selber mit den Betroffenen gesprochen. Vielleicht war es noch ganz anders. Vielleicht waren die Amerikaner auch nie auf dem Mond.

Ich habe im Moment erhebliche Zweifel an der Version des Gregor Gysi. Er hat damals auch dazu geschwiegen, wo die Vermögen der SED verblieben sind und hat so für mich schon recht deutlich unter Beweis gestellt, dass er irgendetwas verbergen will und wenn schon seinen eigenen Vorteil, dann doch zumindest alte Seilschaften schützen möchte. Erinnerungen an die Entnazifizierung der Nachkriegszeit und deren Unzulänglichkeiten werden wach.

Sollte es aber stimmen, dass die Galleonsfigur der Linkspartei in Wirklichkeit ein IM des MfS war und er in dieser Funktion Dissidenten und Ausreisewillige verpfiffen hat, dann wäre das wahrscheinlich das Ende seiner politischen Kariere, denn dann wäre er für keine Partei ernsthaft tragbar. Erst recht nicht für die Linkspartei, die sich immer wieder unter katastrophalen Tiefschlägen aus den eigenen Reihen schüttelt. Wer erinnert sich nicht an die Aussage aus den Reihen dieser Partei, dass das MfS gar nicht so schlecht gewesen sei und auch das Deutschland von heute so etwas gut gebrauchen könnte?

Auf die ganze Partei und seine Wähler wirft das alles ein denkbar schlechtes Licht und wirft überdeutlich die Frage auf, mit was für einer Vereinigung man es da eigentlich zu tun hat. Die Rolle der anderen Spitzenfigur dieser Partei war ja schon mehr als einmal Gegenstand kritischer Betrachtung. Wie muss es aber dann erst um die Partei insgesamt stehen, wenn schon deren Chefs eine dermaßen umstrittene Vergangenheit haben?

Sicher, auch die anderen Parteien sind nicht alle mit Engeln und Heiligen besetzt, aber keiner von denen war IM des MfS und hat Gegner eines totalitären Regimes "ans Messer geliefert". Sollte sich dieser Vorwurf bewahrheiten, dürfte die Linkspartei einen schweren Schlag erleiden, denn dann würde Gregor Gysi mit einiger Sicherheit seine Immunität verlieren und das wiederum wäre das Ende seiner politischen Tragbarkeit, selbst für eine Partei wie die Linke, was ein ganz übler Rückschlag für die Partei insgesamt sein würde.

Das wiederum dürfte nicht vollkommen gegen die Interessen der übrigen Parteien laufen, denen es eher gar nicht behagt, in der Linkspartei einen zunehmend kapitalen Gegner in der politischen Landschaft gefunden zu haben.

(Quelle: Bundestag, Tagesschau)

1 Kommentar:

  1. '[...]aber keiner von denen war IM des MfS und hat Gegner eines totalitären Regimes "ans Messer geliefert".'

    Entschuldige, das ist *so* nicht ganz richtig.
    Ich erinnere an FJS, möge er ewig im Schweinehimmel an der Bratstange drehen. Er hat Geschäfte mit dem MfS gemacht (Agentenaustausch gegen Devisen, Handelsabkommen), die ihn zwar nicht zum "IM" befördert haben, aber durchaus geholfen haben, das System DDR zu halten und zu festigen.

    Oh je, ans Messer geliefert? Ja, hat er auch. Er hat aktiv die Militärjunta Chiles unter Pinochet gefördert, und dort durch Besuche die "Colonia Dignidad" quasi legitmisiert. Und da wurden menschen im wahrsten Sinne des Wortes "ans Messer geliefert", denn es ist bekannt, daß diese Deutschstämmige Sekte als Abfallbeseitigungsgeschäft für Pinochet arbeitete - und der "Abfall" politische Gegner waren.

    Die Abberufung dieses Schweinebäckchens erfolgte aber nur durch jemanden, der an "die Besten sterben jung" glaubte (ja, ein Song einer Band mit durchaus rechtem Hintergrund) und entsprechend FJS lange, lange sein Unwesen treiben ließ... Die Aburteilung liegt also vielleicht doch eher in der Macht und Anzahl der politischen Gegner...

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