Freitag, 29. Februar 2008

Politik und Wirtschaft in Deutschland heute

ArbeitsamtDa lässt sich unsere Bundesregierung, insbesondere derjenige Teil mit dem "C", vor den Lobby-Karren der großen Firmen spannen und fällt zunehmend heftiger auf die Nase: Nokia zeigt den Finger, verpisst sich und nimmt Geld und Know-How mit. Andere Firmen nehmen gerne jeden Cent aus der Steuerkasse, den sie kriegen können, leiten das Geld gerne in die Gehälter ihrer Manager um und entlassen im Gegenzug tausende von Arbeitnehmern. Andere wiederum verfrachten dermaßen viel Geld auf dubiosem Weg ins Ausland, dass die Finanzbehörden bei "nur" einigen hundert bis vielleicht tausend aufgedeckten Fällen plötzlich Mehreinnahmen von fast einer Milliarde Euro innerhalb weniger Tage verzeichnen. Und dann die Sache mit EON.

Erst erhöht die Energiewirtschaft die Preise, als gäbe es kein Morgen, lamentiert über dringend notwendige weitere Kraftwerke, die natürlich auf Staatskosten gebaut werden müssten, jammert rum wegen ungerechtem Druck aus Brüssel. Unsere Bundeskanzlerin, ganz Freund der großen Firmen, sorgt sich sehr und betreibt ordentlich Lobbyarbeit in Brüssel und sonstwo. Und dann - zack! - wird mal eben der ganze dringend sanierungsbedürftige Teil des Unternehmens abgestoßen, das Problem auf "den Staat" abgewälzt und man wäscht seine Hände in Unschuld: Schließlich ist man ja nur den Forderungen der Politiker nachgekommen und unsere Kanzlerin steht nicht nur ziemlich blöde im Ausland da, sondern auch im Inland. Kein Wunder, dass die inzwischen selbst solche juristischen Niederlagen, wie die Sache mit der heimlichen Onlinedurchsuchung, verzweifelt als "Sieg" verkaufen muss.

Man muss weder Politik noch Wirtschaft studiert haben, um zu erkennen, dass da im großen Stil einiges voll daneben geht. Dass Unternehmer es einen Vorteil nennen, wenn Arbeitnehmer nicht gewerkschaftlich organisiert sind, ist klar. Dass sich aber die Politik erst jetzt darüber wundert, dass genau das international als Standortvorteil Deutschlands gehandelt wird, wundert mich wiederum eher nicht. Auch erstaunt mich eher gar nicht, dass Firmen über einen Mangel an qualifizierten Fachkräften jammern, gleichzeitig aber auch nicht bereit sind, in Aus- und Weiterbildung zu investieren und parallel dazu kontinuierlich Mitarbeiter entlassen, während sie nicht selten zweistellige Umsatz- und Gewinnzuwächse bekanntgeben.

Für den Normalsterblichen muss es ein unfassbarer Zynismus sein zu hören, was der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, in der Rheinischen Post verkündet:
"Wir müssen deutlich machen, dass die Menschen in vielerlei Hinsicht von den Vorteilen einer weltoffenen und dynamischen Wirtschaft profitieren: Sie haben mehr Chancen als noch vor wenigen Jahren, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Dann bleibt uns auch ein Linksruck mit allen negativen Folgen erspart."
Auch wenn die Politik das so nie zugeben wird, aber das System Deutschland steckt in einer existenziellen Krise. Die Wirtschaft macht, was sie will und die Politik ist Handlanger. Der Bürger hat sich selber aus dem System ausgeklammert und ist inzwischen zu bequem, zu dumm und zu lethargisch, als das er sich selber um seine Interessen kümmern wollte oder könnte. Demonstrationen und ähnliche Werkzeuge sind ihm fremd und schlicht zuwider. Die Macht der Masse ist ein ihm völlig unverständliches Konzept. Vorgänge wie in Frankreich oder anderswo beobachtet er im liebevoll "Unterschichtenfernsehn" genannten Erlebnis-TV und fragt sich, ob die denn jetzt alle spinnen, während ihm die Post sein Entlassungsschreiben zustellt.

Das Rentensystem, die Krankenkassen, die Krankenhäuser, die Schulen und Universitäten, Straßenbau und so weiter leiden unter immer größeren Finanzierungslücken und die Modelle zur Aufrechterhaltung von Zuständen aus dem vorletzten Jahrhundert übertreffen sich gegenseitig in Lächerlichkeit und Weltfremde. Alle Politiker ohne Ausnahme wirken heute in diesem Szenario als selbstzentrierte und reichlich überflüssige Strohfiguren, deren Distanz zur realen Welt kaum größer sein könnte. Selten erschienen Statements und Forderungen der Politik gleich welcher Coleur gleichzeitig so blödsinnig und vollkommen hilflos, wie in der letzten Zeit.

Das Problem ist nur, dass es anderswo nicht viel besser ist...

6 Kommentare:

  1. Schön auf den Punkt gebracht *unterschreib*

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  2. Es sei denn man lebt in der Schweiz ;-) Armes Deutschland...

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  3. "Wir müssen deutlich machen, dass die Menschen in vielerlei Hinsicht von den Vorteilen einer weltoffenen und dynamischen Wirtschaft profitieren: Sie haben mehr Chancen als noch vor wenigen Jahren, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Dann bleibt uns auch ein Linksruck mit allen negativen Folgen erspart."

    Also wenn das kein Aufruf zu einer neuen Marktwirtschaft ist, weiß ichs auch nicht...und das schlimme ist, dass viele Bürger wahrscheinlich nicht mal verstehen (oder wollen), was es damit auf sich hat...

    Ein Hoch auf die herrschenden Konzerne, Geldgeilheit, blinde Politiker und ein unselbstständiges Bürgertum!

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  4. schade dass das thema zu trocken klingt und zu wenig leute dadurch sterben um für eine revolution herzuhalten. ein tolles langsammes ausbluten.

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  5. Ich finde ja, man sollte mal den Bundestag-/rat, das Kanzleramt, alle anderen größeren "Behörden" und Büros der großen Konzerne stürmen und die alle wegen Eidbruchs, Hochverrat und Nötigung zu dieser Aktion verhaften und für immer wegsperren. Einfach mal so.

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