Freitag, 7. September 2007

Was zu zocken

JoystickIch gebe es gerne zu: Auch ich zocke gerne ein paar Runden am Rechner. Wozu hat man die Büchse sonst auch? Das Problem ist allerdings, dass meinem Geschmack entsprechende Spiele selten sind. Viel zu viele sogenannte "Neuerscheinungen" sind reine Nummernspiele, mehr oder weniger lauwarme Aufgüsse bereits ausgelutschter Themen. Mein persönliches Highlight sind da gerne die Sportspiele von EA, deren Innovationsgehalt meistens aus Sicht des Spielerischen stark gen Null tendiert, aber dieser Eindruck kann auch an meinem Geschmack liegen.

War ich "früher" recht angetan von der Battlefield-Serie kann ich das ganze Weltkriegsgenre beim Gamen zur Zeit überhaupt nicht mehr leiden. Es ödet mich an, unterscheiden sich die meisten Games dieser Sparte doch nur noch in der Auswahl der Waffen und ein paar nebensächlichen grafischen Details. Handlung? Meistens völlige Fehlanzeige. Andere "brandneue" Spiele entsetzen mich durch die Lieblosigkeit ihrer Umsetzung - mal einen Blick auf das aktuelle Spiel zum Film "Transformers" geworfen? Ein einziges Trauerspiel, im wahrsten Sinne des Wortes.

Sehr lange konnte mich Galactic Civilisations II begeistern, weil ich diese Art von Aufbauen, Erforschen und Erobern bei Strategiespielen mag, auch wenn ich das Spiel nicht so 100% für der Weisheit letzten Schluß halte, denn die schnelle Runde zwischendurch dauert schon mal etliche Stunden. C&C III hingegen... hm. Irgendwie "Same old". Damals, als dieses Game neu war, da hab ich das gerne gezockt, aber heute? Konnte mich nicht begeistern, auch wenn es bestimmt viele Fans gibt, die das völlig anders sehen.

So kam ich irgendwann zu Rainbow Six: Vegas. Klar, First Person Shooter. Nicht gerade ein Spiel, dass ich meinem Sohn empfehlen würde. Zumindest noch nicht. Das Spiel hatte was. Von Anfang an eine Story mit echter Handlung. Angenehme, abwechslungsreiche und detailreiche Grafik. Nicht zu sehr "mit Gewalt auf Realismus getrimmt" - ok, das war jetzt vielleicht doppeldeutig...

Dazu liefert das Spiel eine Steuerung, die mich einfach nur begeistert hat. Endlich mal intuitiv, eingängig und schlüssig ohne Handstandüberschlag auf der Tastatur. Klar, wieder massig Ballermänner und ok, die Computergegner sind auch nicht gerade die Wucht an Intelligenz und taktischer Weitsicht. Aber die AI ist doch schon in vielen Situationen eine echte Herausforderung und das Arsenal verlangt auch schon etwas mehr Nachdenken. Das Spiel fand (und finde) ich toll, aber dennoch: Gibt es noch mehr? Langsam wird es doch irgendwie langweilig.

Und so stolperte ich über Bioshock. Ich hatte den ganzen Rummel im Vorfeld nicht mitbekommen. Ich hatte nichts gehört von dem angeblichen "Widescreen-Desaster" und auch das Gehetze um die angeblich verderbte Moral, die dem Spiel zugrunde liegen soll - wird doch angeblich der Spieler dazu animiert, kleine Mädchen umzubringen. Ich hatte keinen der Trailer gesehen und kein einziges Review gelesen. Ich hatte weder die Demo angespielt noch irgendwas über das Spiel insgesamt gewußt. Trotzdem legte ich mir nach nur wenigen sehr kurzen "Peer-Reviews" und einer sehr groben Abfrage des "Overall Ratings" bei Metacritic das Game zu.

Ja, ich gebe es zu: Manchmal bin ich sehr mutig, wenn es um den Einkauf von Games geht und manchmal falle ich damit auch voll auf die Nase. Ist CoD2 für mich das Paradebeispiel einer völligen Fehlanschaffung, muss ich von Bioshock das exakte Gegenteil sagen. Schon die Story ist toll. Eine Futuristische Stadt unter dem Meer in den 1950er Jahren. Auf die Idee muss man erstmal kommen! Wirklich klasse.

Die Handlung ist genau so prominent, dass sie zum Weitermachen animiert und genau so nebensächlich, dass sie nicht nervt. Die Gegner sind insgesamt ausgewogen und genau das, was das Wort eben aussagt: Gegner. Stumpf alles niedermähen geht zwar theoretisch, wird aber in der Praxis durch einen eklatanten Mangel an Munition und das komplette Fehlen eine "Uberwaffe" unterbunden. Das Spiel greift viele tolle Konzepte anderer Spiele auf und erinnert insgesamt irgendwie an eine Mischung aus Deus Ex (Gameplay) und Myst (Grafik), beides Spiele, die ich sehr genossen habe. Die Anforderungen des Games an den Rechner sind schon heftig und man sollte schon eine einigermaßen aktuelle Hardwareplattform haben, damit das Game richtig loslegt, dafür belohnt das Spiel mit sensationell liebevoll gestalteter Grafik.

Die Anforderungen an den Gamer sind nicht weniger heftig. Man leidet unter chronischem Munitionsmangel und jedes "Bio-Upgrade" verursacht nicht nur Begeisterung, sondern auch echtes Kopfzerbrechen und - natürlich - Energieprobleme. Das Spiel ist elegant genug, dass man nicht jeden Gegner bekämpfen muss. Man kann, aber man muss nicht. Manchmal ist es echt sinniger, sich irgendwo zu verstecken, Gegner zu umgehen, zu ignorieren oder aber aus möglichst sicherer Deckung (und Entfernung!) anzugreifen, als heroisch in der offenen Feldschlacht in den Untergang zu rennen.

Und dann sind da die Rosies, die Bouncer und - natürlich - die besagten kleinen Mädchen. Das Spiel liefert eine ganze Menge Hintergrundinformationen und zwingt den Spieler eine wirklich kritische Entscheidung zu treffen. Man muss erst einmal "Mister Bubbles", den offensichtlichen Freund und Beschützer der kleinen Mädchen erledigen. Der wiederum lässt einen normalerweise so lange in Ruhe, wie man die kleinen Mädchen in Ruhe lässt. Hat man sich aber dazu entschlossen den "Big Daddy" auszuschalten, hat man einen wirklich ernstzunehmenden Gegner vor sich, der mich mehr als nur einmal an den Rand der Verzweiflung getrieben hat - und es gibt etliche von den Viechern in dem Game...

Hat man diesen Gegner dann aber endlich irgendwann im Griff, steht man vor dem eigentlichen Problem: Was tun mit dem Mädchen? Man hat erlebt, was diese kleinen Mädchen tun. Man weiß, dass die Mädchen den Lebenden nichts antun. Man weiß aber auch, dass diese Mädchen die Quelle für bitterlich benötigte Punkte für das Upgrade der Bio-Fähigkeiten sind. Und so stellt das Game die kritische Frage an den Spieler und dessen Moral: Retten oder leben lassen? "Harvest or Resque?" Die Entscheidung liegt komplett beim Spieler. Um es kurz zu machen: Resque zahlt sich aus. In mehrfacher Hinsicht. Harvest bringt dafür erheblichen "short term profit"... ich will nicht zu viel verraten, aber das Spiel bietet mehr als eine "Lösung" an und gegen Ende bringt einen eine simple, höfliche Bitte sehr zum nachdenken: Would you kindly?

Das Spiel stellt nicht wirklich komplizierte Rätsel. Ein paar mal muss man X Dinge zusammensammeln, aber das hält sich in Grenzen und das Spiel hilft nach Kräften dabei, diese Aufgaben nicht zu frustran zu gestalten. Der eingebaute Richtungspfeil ist zum Beispiel sehr genial, zeigt er doch immer dahin, wo man lang gehen soll und nicht nur bloß stumpf in die ungefähre Richtung, in der sich das Ziel befindet.

Die Level sind enorm groß. Letztendlich sind es zwar alles Schlauch- bzw. Sack-Designs, aber das stört nicht wirklich, denn man hat auch so schon genug um die Ohren und zumindest ich war froh darum, mir nicht auch noch Sorgen darum machen zu müssen, ob ich mich jetzt komlett verlaufen hatte, denn die Level sind zum Teil gefühlt riesiger und verwinkelter, als sie wirklich sind.

Insgesamt hat mich das Spiel sehr gefesselt und begeistert. Das Spiel ist mit einem Wort einfach nur toll. Es lohnt jede Minute und überrascht immer wieder mit neuen Ideen und Wendungen. Ja, das Spiel ist völlig zu Recht "ab 18" und es ist nicht unbedingt ein Spiel für Pazifisten. Wer aber auf First Perso Shooter steht und endlich mal ein paar handfeste gute Umsetzungen guter Ideen sucht, der sollte mal Bioshock antesten.

Ach und nochetwas. Angeblich installiert das Spiel ein Rootkit. Behaupten manche. Tatsächlich installiert das Spiel den Sony gehörenden Kopierschutz "Securom". Der wiederum installiert einen dazu gehörenden System-Service, den nicht nur Bioshock nutzt, sondern auch alle anderen Programme, die mit diesem Kopierschutz arbeiten. Ich habe keinerlei negative Erfahrungen mit diesem Kopierschutz gemacht und er ließ sich auch ohne Probleme wieder entfernen. Ohne trickreiches Gefrickel unter der Motorhaube.

2 Kommentare:

  1. Glaubt ihm!
    Bioshock ist so gut wie du es geschrieben hast :D.

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  2. Bioshock gilt ja als inoffizieller Nachfolger, zumindest in der machart, von Systemshock.

    Afaik waren auch diverse Mitarbeiter vom damaligen Warren Spector welche auch für Deus Ex und die Thief Reihe (immernoch meine absoluten Favoriten was spieltiefe angeht) Wobei die eigentliche Produktion ja damals Ion storm gemacht hat.

    Ehrlichgesagt wundert es mich nicht. Ich mag diese Machart der Entwickler, da sie ihr Handwerk verstehen und gerne andere Wege im Spieledesign gehen und diese auch noch meist funktionieren.

    Leider packt mein Laptop bioshock nicht und so werd ich wohl erst in den Genuß kommen wenn es in der Pyramide erhältlich ist..:/

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